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Stille Einkehr. Im Kloster Heiligengrabe sind Gäste auf Zeit willkommen.

© dpa

Pilgerweg in der Prignitz: Zum Rock der heiligen Anna

22 Kilometer zu Fuß: Auf dem Pilgerpfad rund ums Kloster Heiligengrabe.

Selbstbewusst blickt sie drein. Trägt ein kostbares schwarzes Gewand mit weißer Spitze und Schleierbesatz, vor der Brust prangt der Orden „par grace“. Friedrich der Große hat ihn ihr verliehen, zum Zeichen „freier landesherrlicher Gnade, Huld und Protektion“. Damit erhob er das Nonnenkloster zum evangelischen Damenstift und die damalige Domina, Juliane Auguste Henriette von Winterfeldt zur Äbtissin. Ein halbes Jahrhundert verteidigte die Witwe und Mutter von sechs Kindern die Machtstellung des Klosters, wenn nötig auch militärisch.

Und die hier untergebrachten Töchter der Adelsfamilien verstanden es durchaus, den Reichtum des Stifts zu mehren. All das beleuchtet die Ausstellung „Pour la conservation de la maison royale – Friedrich der Große und das Kloster Heiligengrabe“, die noch bis zum 21. Dezember in der Kapitelstube des Klosters zu sehen ist. Doch sind die Äbtissinnen und Stiftsdamen nicht die einzigen Frauenfiguren, die es in und um Heiligengrabe zu entdecken gilt. Der „Annenpfad“ bietet die Möglichkeit, auf den Spuren der heiligen Anna zu wandeln, der Mutter Marias und damit der Großmutter von Jesus Christus.

22 Kilometer ist der wiederbelebte Pilgerweg lang und schlägt einen weiten Bogen um das Kloster. Und es tut tatsächlich gut, sich vor oder nach historischen Betrachtungen Bewegung zu verschaffen, auch wenn wir dabei nicht unbedingt – wie wahre Pilger es zu empfinden pflegen – das Gebet mit den Füßen fortsetzen. Stattdessen wollen wir uns ein Stück Prignitz erwandern, was sich auch im Herbst durchaus noch anbietet.

Startpunkt ist Heiligengrabe. Doch wo beginnt der Weg? „Das kann ich Ihnen auch nicht sagen“, gesteht die junge Frau in der Touristeninformation auf dem Klostergelände. Immerhin gibt sie uns ein Faltblatt, auf dem auch schon der erste Pilgerstempel platziert ist, und schickt uns zum Bahnhof. Dort angekommen, taucht die erhoffte Markierung auf, die von nun an den ganzen Weg vorbildlich kennzeichnet: ein Findling, auf dem schwarz auf weiß „Annenpfad“ steht. Dem folgen wir und schon breitet sie sich vor uns aus: die typische Landschaft der Prignitz, wo sich der Blick in der Weite flacher Felder, Wiesen und Weiden verliert. Die ersten Häuser sind bei Wilmersdorf zu sehen, wo der Weg einen Abstecher ins Dorfzentrum macht, damit man die schmucke Fachwerkkirche nicht verpasst.

Der nächste Kirchturm ist dagegen nicht zu übersehen. Schon lange bevor wir Alt Krüssow erreichen, ist er gut auszumachen. Beim Näherkommen ist dann der reich verzierte rot-weiße Stufengiebel der spätgotischen Hallenkirche zu erkennen. Das prunkvolle Gotteshaus überstrahlt manch hässlich grauen DDR-Bau rundherum. Wozu nur brauchte ein kleiner Ort eine so mächtige Kirche? Eine Infotafel klärt auf: 1520 geweiht, war sie einst ein bedeutendes Pilgerziel.

Noch im 18. Jahrhundert sollen Wallfahrer „schockweise“ Krücken in der Kirche hinterlassen haben (ein „Schock“ gleich fünf Dutzend). Ein Wunder, das der hiesigen Reliquie zugeschrieben wurde: dem Rock der heiligen Anna. Wie der hierher gelangt ist, darüber lässt sich nur spekulieren. Die heilige Anna war im Spätmittelalter eine der beliebtesten Heiligen, Schutzpatronin der Zünfte und Händler, zugleich der Hausfrauen und Mütter, Bergleute und Knechte. Fast jeder konnte auf ihre Hilfe hoffen. Entsprechend zahlreich waren die Pilger, die sich nach Alt Krüssow aufmachten.

Mit der Reformation wurde der Verehrung ein Ende gemacht, die Reliquie kam (vermutlich) nach Berlin. Immerhin hat sich in der Seitenkapelle ein sehenswerter Schnitzaltar mit Darstellung der Heiligen erhalten. Auch das ausgemalte Kreuzgewölbe ist sehenswert. Ansonsten geht die Sanierung des Gebäudes nur schleppend voran, der Förderverein ist noch auf viele Spendengelder angewiesen.

Nächste Station: Bölzke. Mitten im Dorf steht die Kirche. Ein schlichter Fachwerkbau von 1825 mit Türmchen, vorbildlich restauriert. Adrett auch das Umfeld. Rundum stehen Stelen auf der Wiese, eine Art Open-Air-Ausstellung zum Thema Pilgern, aus einer alten Telefonzelle ist eine „Bücherzelle“ geworden, in der es allerhand zu lesen gibt. An rustikalen Picknicktischen kann man sich zur Rast niederlassen, nach 18 Kilometern Wegstrecke keine schlechte Idee, bevor die letzte Etappe des Rundwegs nach Heiligengrabe ansteht.

Kloster Stift zum Heiligengrabe, Telefon: 03 39 62 / 80 80, im Internet: dieprig nitz.de, klosterstift-heiligengrabe.de

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