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Spektakulär: Der Roof Top Film Club auf dem Dach des Yotels am New Yorker Times Square.

© Yotel

Puschenkino: Im Bademantel zu Al Pacino

Im plüschigen Kinosessel versinken, perfekten Sound und gute Bildqualität genießen: Das funktioniert auch in vielen Hotels. Die Idee ist so alt wie das Kino selbst.

So finster hat man Wien selten gesehen. Die Stadt in Trümmern, ihre Bewohner Denunzianten, wenn nicht gleich Verbrecher. Durch dunkle Gassen laufen die Gestalten, Misstrauen und Verrat im Gepäck. Ein großartiger Film: „Der dritte Mann“.

Jeden Abend um Viertel nach acht läuft der Klassiker mit Orson Welles im Mini-Kino des Hotels Hollmann Beletage. Das Publikum sitzt auf alten Kino-Klappstühlen, gut möglich, dass sie so alt sind wie der Film selbst: von 1949.

Der Kontrast zum Wien des „Dritten Mann“ könnte nicht größer sein. Ein warmes Orange und Rot dominiert das charmante Altstadthotel, das, in einem Wohnhaus gelegen, nicht wie ein Hotel wirken will, sondern wie ein Zuhause. Abends kann sich hier jeder einen Whisky einschenken und lautlos Klavier spielen, morgens wird der Palatschinken frisch aus der Pfanne serviert.

Schnitt – Szenenwechsel.

So kuschelig hat man noch nie im Kino gesessen: im Bademantel, auf Liegesesseln ausgestreckt, eine mollige Decke um die Beine geschlungen. Eben noch hat man im beheizten Außenpool der „Bleiche“ seine Runden gedreht, jetzt sieht man, mitten im Spreewald, Al Pacino als Kaufmann von Venedig in der Gondel über die große Leinwand gleiten, hört die Shakespeareschen Verse in perfektem Sound. Ab und zu steckt ein neugieriger Bademantelmensch seine Nase durch den Vorhang, um zu gucken, was sich dahinter verbirgt. Denn ein Kino im Hotel – das haben die meisten noch nicht erlebt.

Die Digitalisierung macht’s möglich

Dabei gibt es das immer häufiger. Und zwar mitten in der großen Stadt – wie im Yotel am New Yorker Times Square, auf dem Dach vor spektakulärer Kulisse – ebenso wie im phänomenalen Fagos Island Inn, im entlegendsten Winkel von Neufundland, wo die Übernachtung bei knapp 1000 Dollar beginnt.

Die Digitalisierung macht’s möglich: Oft reichen DVD oder Blu-ray für hohe Qualität aus, die meisten Hotelkinos kommen gut auch ohne eigenen Filmvorführer aus.

Intim. Im Soho House in Berlin, wo George Clooney Stammgast ist.
Intim. Im Soho House in Berlin, wo George Clooney Stammgast ist.

© Soho House Berlin

Ein Trend? Dafür sind die verschiedenen Häuser zu individuell. Die Palette reicht vom Münchener Fünf-Sterne-Hotel, dem Bayerischen Hof, bis zum traditionsreichen Gasthaus in der Steiermark mit eigener Meisterfleischerei. Und doch gibt es Gemeinsamkeiten: Die meisten Häuser gehören keiner großen Kette an, werden privat geführt. Viele zeigen gehobenes Unterhaltungs- und Art-House-Programm, oft sind die Kinos auch zu mieten, für Geschäftspräsentationen, Schulungen, Feiern, Junggesellenabschiede...

Der mit 30 roten, samtweichen Sesseln ausgestattete Kinosaal im Soho House in Berlin ist denn auch von morgens früh bis abends spät in Betrieb. Exklusive Pressevorführungen kann man hier erleben oder Previews für Mitglieder, bei denen Regisseure Rede und Antwort stehen. Das fortlaufende Programm steht nur Mitgliedern des Clubs offen; Hotelgäste gelten als temporäre Mitglieder. Vielleicht läuft einem sogar George Clooney leibhaftig über den Weg. Wie einige Hollywoodschauspieler zählt er zu den Stammgästen der Kreativen-Herberge, gerade jetzt zur Berlinale.

Nicht noch ’ne Sauna, noch ein Dampfbad, sondern eine neue Idee

Ihre Individualität: Das ist genau das, was die Häuser verbindet. Hotels sollen heute oft mehr sein als ein Ort zum Übernachten, sollen ein Erlebnis bieten. Und zwar ein ganz besonderes. Dazu kann eben auch ein Kino gehören. Nicht allein, aber als Teil eines Gesamtkonzepts.

Für eben dieses wurde die „Bleiche“ im Spreewald gerade mit dem „Spa-Star-Award 2015“ ausgezeichnet. Wellness allein reicht anspruchsvollen Gästen nicht mehr aus; Schwimmbad und Sauna gehören immer häufiger zur Standardausrüstung. Das haben auch Heinrich Michael und Christine Clausing bemerkt. Nach einem schweren Brand in ihrer Landtherme vor zweieinhalb Jahren wollten sie nicht einfach alles wiederaufbauen wie zuvor, nicht noch ’ne Sauna, noch ein Dampfbad, sondern eine neue Idee, eine Überraschung.

Wellness ist für Christine Clausing „alles, was inspiriert, die Leute aus dem Alltag rausholt“. Deswegen liegen auch überall dicke Bildbände zum Blättern bereit, wurde die offene Buchhandlung-Bibliothek gleich neben dem Foyer eingerichtet, wo man in cremefarbenen Sofas versinken und lesen kann. Buchhändlerin Birgit Holler wählt auch das Filmprogramm aus.

Im Hotel gehen auch die mal ins Kino, die es im Alltag nicht mehr tun

Im Spa-Kino in der Bleiche im Spreewald laufen jeden Tag fünf Filme.
Im Spa-Kino in der Bleiche im Spreewald laufen jeden Tag fünf Filme.

© Bleiche

So ein Kino ist immer ein Experiment. In der Bleiche musste es einmal umziehen: An der ursprünglichen Location mitten in der Therme war es den Zuschauern zu warm und den Ruhesuchenden zu laut, jetzt liegt es am Rande. Fünf Filme am Tag, das Programm bekommen die Gäste auf den Frühstückstisch gelegt, das fängt morgens mit Naturfilmen an, zwischendrin Programmkino, Filme, die man vielleicht verpasst hat, abends kann es auch mal einen Kracher geben wie James Bond, am Wochenende Kinderfilme. Was die Gäste genießen in dem ruhig gelegenen Hotel: „Man hat abends noch was, bevor man aufs Zimmer geht“, sagt Birgit Holler.

Im Hotel gehen auch die mal ins Kino, die es im Alltag nicht mehr tun: Keine Zeit, keine Lust, die lange Anfahrt, das nervige Publikum, und das Streamen ist so leicht. Die Hasewends in der Steiermark haben Stammgäste aus Wien, die sich drei Filme am Wochenende ansehen. Denn das Hotelkino schafft die Illusion des Zuhauses. Nur dass es schöner, komfortabler, luxuriöser, historischer ist als das eigene Heim. Die Leinwand ist größer, der Sound besser, die Sessel sind bequemer, oft kann man sich auch einen Drink bestellen.

Als „Premiumkino“ bezeichnet der Bayerische Hof seine Astor Cinema Lounge, wo die Karte für einen der 38 Plätze zwischen 17 und 20 Euro kostet, das zahlen auch Münchener gern. Ein belgischer Innenarchitekt sorgte für die edle Gestaltung.

Uralte Prachtexemplare aus der Frühzeit des Films

Eine Komödie oder ein Melodram in Gesellschaft anzugucken, ist ein ganz anderes Erlebnis als daheim vor der Glotze zu hocken. Oder, noch öder, allein auf dem Hotelbett. Das war auch der Impuls für Robert Hollmann: Der quirlige Hotelier und einstige Schauspieler hasst Fernseher im Zimmer. Am liebsten würde er sie in der Wiener Beletage ganz abschaffen, so wie in seinem Resort auf Sri Lanka, nur kann er sich das in einem Stadthotel nicht leisten. Also läuft in seinem kleinen Kinoraum „Der dritte Mann“, zur Einstimmung auf Wien. Auf Sri Lanka zeigt er Filme, die was mit Asien zu tun haben.

In „McMenamins Kennedy School“ in Portland, Oregon gibt es tatsächlich kein TV auf dem Zimmer. In den USA ist das fast eine Sensation. Die Gäste sollen aus ihren Stuben gelockt werden, um die zum Hotel-, Gastro- und Unterhaltungskomplex umgebaute 100 Jahre alte Grundschule zu erkunden. In der einstigen Turnhalle sitzen sie dann, zwischen Einheimischen, auf allerlei Sesseln und Sofas, mit einem Craft-Bier in der einen und einem Hamburger in der anderen Hand.

Als Trend kann man das Ganze vielleicht auch deshalb nicht bezeichnen, weil es gar keine neue Erfindung ist. Es gibt einige uralte Prachtexemplare aus der Frühzeit des Films. In Vermont zum Beispiel das Art-Deco-Hotel und Theatre Latchis, das Kino im Hasewend’s Kirchenwirt in der Steiermark hat schon 1913 eröffnet, das malerische Mozartkino im Salzburger Kasererbräu ist gar von 1905. Die Rezeption dient zugleich als Kinokasse, und Hotelgäste können in dem Bett schlafen, in dem schon Romy Schneider lag, als „Sissi“ hier Premiere feierte.

Im Kino fühlt man sich geborgen

Die Zuschauer im Kirchenwirt kommen aus einem Umkreis von 30 Kilometern, darunter Schulklassen, auch Leute, für die Graz eigentlich näher ist. Aber sie kommen, „weil es gemütlich ist“, so die Wirtin, weil sie vorher steirische Spezialitäten essen können, ein Achtel Schilcher mit in den Saal nehmen, und dann Cate Blanchett als „Carol“ bewundern.

Es ist kein Zufall, dass auch die neueren Hotelkinos oft mit viel rotem Plüsch eingerichtet sind. „Kino vermittelt ein Feeling von früher“, so Hotelier Hollmann, der ein Gefühl von Geborgenheit erzeugen will. Omas Kino ist noch lange nicht tot.

Kinos mit Hotelanschluss in aller Welt

Das Mozartkino im Salzburger Kasererbräu ist seit 1905 in Betrieb.
Das Mozartkino im Salzburger Kasererbräu ist seit 1905 in Betrieb.

© Kasererbräu

Hollmann Beletage, Köllnerhofgasse 6, A-1010 Wien, Tel. 0043/1/96 11 960

Bleiche Resort und Spa, Bleichestraße 16, 03096 Burg im Spreewald, Telefon: 035603/620

Soho House Berlin, Torstraße 1, 10119 Berlin-Mitte, Telefon:030/40 50440, (andere Soho Houses haben auch Kinos)

Altstadthotel Kasererbräu, Kaigasse 33, A-5020 Salzburg, Telefonnummer 0043/ 662/ 84 24 45 51, (im Internet auch unter mozartkino.at)

Hotel Bayerischer Hof, Promenadeplatz 2-6, 80333 München, Telefon: 089/ 21 208 11 (im Internet auch unter astor-cinemalounge.de)

Yotel New York, 570 10th Ave, New York, NY 10036, Telefonnummer: 001/646-449-7700

Hasewends Kirchenwirt, Eibiswald 39, A-8552 Eibiswald, Telefonnummer: 0043 3466 42216

Latchis Hotel & Theatre, 50 Main St, Brattleboro, VT 05301, USA

Hotel McMenamins Kennedy School, 5736 NE 33rd Ave, Portland, OR 97211, USA, Telefon: 001/ 503-288-2117

Park Plaza Wallstreet, Wallstraße 23-24, 10179 Berlin-Mitte, Telefon: 030 8471170

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