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Wie im orientalischen Märchen. Diese Teestube im Basar von Kerman war einst ein Hamam. Manche Badehäuser sind heute auch Museen.

© Hella Kaiser

Reise durch den Iran: Teil 2: Steig’ aus am Korantor

Der Kopf ist voll, nach 5000 Kilometern Busfahrt durch den Iran. Wir können die Schätze nicht mehr zählen. Und dann kommt auch noch Isfahan.

Am vergangenen Sonntag (3. November) veröffentlichten wir den ersten Teil einer 14-tägigen Rundreise durch den Iran. Sie führte von Teheran über Hamadan nach Persepolis und Shiraz. In der zweiten und letzten Folge geht es weiter durchs Land – bis zur Endstation Isfahan.

Spätabends in Shiraz. Am Korantor ist die Hölle los. Rund um das zweifarbig angestrahlte Bogenmonument picknicken Familien, Händler bieten Obst, Gebäck und Spielzeug feil, junge Leute schlendern in Gruppen, es wird palavert. Wer noch mit dem Auto hinfahren will, hat Pech. Alles steht im Stau. Auch unser Bus. Was wird denn hier gefeiert? Oder wird eine Demonstration vorbereitet? „Ach“, sagt Reiseleiterin Fariba leichthin, „heute ist Freitag, da treffen sich die Menschen gern an diesem Ort.“ Sie genehmigt uns eine halbe Stunde im Gewühl. „Bitte, kommen Sie pünktlich zurück, auch wenn sich wieder viele mit Ihnen unterhalten wollen.“

Wir mogeln viele Minuten hinzu. Kurz vor Mitternacht erreichen wir unser Hotel. Bestens gelaunt. Bis Fariba sagt: „Abfahrt morgen früh um sechs Uhr.“ Och nee, schon wieder so eine kurze Nacht? Sie lächelt. 579 Kilometer Richtung Osten bis Kerman, der nächsten Übernachtungsstation. Man könnte ja im Bus weiterschlafen, gäbe es nicht so viel zu sehen. Kaum eine halbe Stunde unterwegs, schauen wir linkerhand auf eine milchig-weiße Ebene. Das ist der ausgetrocknete Marhalu-Salzsee. Er umfasst eine Fläche von 230 Quadratkilometern. Nur während ein oder zwei Wintermonaten stehe hier Wasser, nie mehr als einen Meter hoch, erklärt die Reiseleiterin.

Ruinen eines Sassanidenpalastes sind der nächste Programmpunkt. Gleich hinter Sarvestan befinden sie sich. Doch zunächst muss der Bus, wie immer am Eingang einer größeren Stadt, an der Polizeistation stoppen. Der Busfahrer eilt dann zum Kontrollhäuschen und holt sich dort den notwendigen Stempel für die Reisepapiere, eingebunden in ein dickes Heft. „Auch das GPS wird ausgelesen“, sagt Fariba und fügt hinzu, dass diese Regeln für alle Busse und Taxen gelten. Die staatliche Überwachung ist streng.

Zahlreiche Hamams sind zu Teestuben

Autowracks, auf hohe Sockel gestellt, markieren oft die Kontrollpunkte. Makabre Monumente. Was bedeuten diese völlig demolierten Fahrzeuge? „Sie sollen die Fahrer ermahnen, nicht zu schnell zu fahren“, erklärt Fariba. Die Zahl der Unfälle sei beträchtlich.

In der Drei-Millionen-Stadt Kerman verlaufen wir uns fast im Vakil-Basar. Allein die sich immer wieder verzweigende Hauptgasse des überkuppelten Marktes ist 750 Meter lang. Wo treffen wir uns wieder? „An der Ganj-Ali-Khan-Moschee“, ruft die Reiseleiterin. Zum Glück ist das kürzlich renovierte Juwel gut ausgeschildert. Zum Komplex der Moschee gehört auch ein Hamam. „Toll, wir wollen uns auf warmem Marmor rekeln und mit Wasser begießen lassen“, jubeln einige der weiblichen Reisenden.

Nichts da. Fariba lacht: „Dieser Hamam ist ein Museum“, sagt sie. Nur Wachsfiguren hocken in den mit blau-grünen Mosaiken geschmückten uralten Gewölben. Es gibt keine Badehäuser mehr für die Öffentlichkeit. „Eine Freundin hatte die Idee, in Teheran eins zu eröffnen“, erzählt Fariba. Doch es wurde nicht genehmigt. Auch die offenbar vor der Revolution 1979 gebauten, großen Pools der Hotels sind nie mit Wasser gefüllt.

Zahlreiche Hamams sind zu Teestuben geworden. Eine märchenhaftere als jene im Vakil-Basar kann es nicht geben. Wollte man im Film eine Opiumhöhle zeigen, wäre dies die ideale Location. Schummriges Licht. In Nischen sitzen Menschen, meist im Schneidersitz, und trinken Tee. Wasserpfeifen werden herumgereicht. Drei junge Musiker zupfen an Saiten, schütteln Tambourine, schlagen Tasten an. Süß-sentimentale Klänge erfüllen den Raum. Wir sind die einzigen Touristen. Scheharazade kommt herein. Ach nein, es ist doch nur eine schöne Iranerin, die schnell ihr Handy in die Tasche steckt.

In der „Stadt der Zarathustrer“

Feuertempel. Das Gebäude steht in einem Garten von Yazd.
Feuertempel. Das Gebäude steht in einem Garten von Yazd.

© Heinrich Pfäffel

Abends im Hotel hat Fariba Büffet für uns bestellt. Wir tafeln draußen in lauer Luft. Nebenan zwei hungrige Fußballmannschaften, die sich auch an Salat, Suppen und Reisgerichten bedienen. An unserem Büffet! Da wird's natürlich rasch knapp. Fariba eilt wütend zur Managerin und kehrt zufrieden zurück. „Ich habe ihr gesagt, dass ich nur sechs von zwölf Essen bezahlen werde, es hat ja nicht für uns alle gereicht.“ Dies sei ein staatliches Hotel, und dort müsse man lernen, korrekt und ordentlich zu arbeiten.

Fast alle Hotels der Drei- bis Vier-Sterne-Kategorie sind staatlich. So freundlich das Personal, so vernachlässigt wirkt oft das Interieur. Mal hängt eine Steckdose aus der Wand, dann fließt das Duschwasser nicht aus dem Brausekopf, sondern aus einem Loch im Schlauch, oder das Nachttischlämpchen ist kaputt.

Es lohnt nicht, über solche Kleinigkeiten zu lamentieren. Der Kopf muss frei bleiben für die Wunder am Wegesrand. In Mahan erhebt sich eine Sufi-Grabanlage mit türkisfarbener Hauptkuppel und schlanken Minaretten. Zum Ensemble im stillen Garten gehört ein rechteckiges Wasserbecken. Am Rand verweilt ein verliebtes iranisches Pärchen. Außer uns die einzigen Besucher an diesem Vormittag. Verwaist erscheint die mittelalterliche Festungsstadt Rayen. „Früher sind wir nach Bam gefahren, aber da ist ja nichts mehr“, sagt Fariba.

2003 war die Altstadt von Bam durch ein Erdbeben fast vollständig zerstört worden. Nun dient das nahe Rayen als Ersatz. Wuchtig ist die Zitadelle des Ortes, mit ihrem mächtigen Stadttor und elf Bastionen. Alles wurde aus rötlich-braunen Lehmziegeln erbaut. Doch man wähnt sich in einem Freilichtmuseum. Während Bam bewohnt war, wurde das längst verlassene Rayen für Touristen restauriert. Ein alter Mann wartet an unserem Bus und hält uns schüchtern einige Werkzeuge zum Kauf hin. „Es kommen kaum Besucher hierher“, übersetzt uns Fariba seine Klage.

Gibt’s auch Sportstudios für Frauen?

In Yazd ist das anders. Da hört man neben Deutsch auch mal Italienisch, Französisch oder Spanisch. Alle stapfen erstmal hinauf zu den „Türmen des Schweigens“. Dort oben in den runden Stümpfen haben die Zarathustrer einst ihre Verstorbenen abgelegt. Die Vögel ließen nur die Knochen übrig, die dann in Gruben der Turmplattform gesammelt wurden. Bis Ende der 1960er Jahre wurde dieser Brauch beibehalten und erst danach aus „hygienischen Gründen“ verboten.

Männerspiele. Keulen schleppen beim Zurkhaneh in Yazd.
Männerspiele. Keulen schleppen beim Zurkhaneh in Yazd.

© Markus Peil

Noch heute gilt Yazd als „Stadt der Zarathustrer“. Im Mittelpunkt steht der Glaube an den guten, gerechten und allwissenden Gott Ahura Mazda. Die Menschen dienen diesem Gott, indem sie gut denken, gut sprechen und gut handeln. „Diese Botschaft gefällt vielen Iranern“, sagt Fariba. Und so kommen sie zahlreich zum Feuertempel von Yazd. Hier wird jene heilige Flamme gehütet, die bereits 500 nach Christus gebrannt haben soll. Andächtig stehen die Besucher davor. Draußen am Gebäude glänzt Farahavar, das blau-rote, geflügelte Symbol der Zarathustrer, im Sonnenlicht.

Abends gehen wir zum Krafttraining. Zurkhaneh heißt der seltsame Sport aus vorislamischer Zeit, der im Iran sehr beliebt ist. In der achteckigen grubenähnlichen Vertiefung einer Arena präsentieren Männer ihre Muskelkräfte. Unter dem Getrommel und den Gesängen eines „Aufsehers“ schwingen die Sportler Keulen, wirbeln mit Metallschilden herum oder stemmen Holzblöcke. Es ist ein bisschen so, als würde man Männer im Fitnessstudio beobachten. Auf Dauer ziemlich langweilig. Die iranischen Zuschauer, auch Frauen sind darunter, aber harren eine gute Stunde aus, bis zum Schluss. Gibt’s eigentlich auch Sportstudios für Frauen? „Klar“, sagt Fariba. Vor allem in Teheran. Dort seien täglich einige Stunden nur für weibliche Gäste reserviert.

Isfahan macht sprachlos

Strenge Variante in Kerman. Die meisten Frauen binden das Tuch locker.
Strenge Variante in Kerman. Die meisten Frauen binden das Tuch locker.

© Hella Kaiser

Später am Abend, im Moshir-Al-Mamalek-Hotel, kommen wir ins Schwärmen. Was für eine tolle Herberge! Um ein traditionelles Gartenhaus aus Lehmziegeln herum gruppieren sich zahlreiche Gebäude im gleichen Stil. Die Anlage ist eingebettet in eine 13 000 Quadratmeter große Gartenanlage. Abends speist man draußen unter Bäumen, hört Wasser plätschern. „Dies ist ein privates Hotel“, sagt Fariba so stolz, als gehöre es ihr selbst. Und warum dürfen wir in dieser Oase nur eine einzige Nacht verbringen? „Ganz einfach. Weil Sie sonst weniger von Isfahan sehen würden“, sagt sie.

Es trifft sich gut, dass der lange Weg nach Isfahan auf der einstigen Seidenstraße durch sandige Wüsten führt. Weit und breit kein Baum, kein Strauch. Nur ab und zu mal eine alte, meist verlassene Karawanserei. Die Augen können ausruhen. In Isfahan dann glaubt man in Blau, Türkis und Lapislazuli förmlich zu ertrinken. Paläste, Moscheen und Mausoleen auf engstem Raum. Und darin Fliesen, Fresken, Mosaiken, Ornamente, Spiegel. Viele der Architekturschätze stehen am Iman-Platz.

Doch ist „Platz“ der passende Ausdruck für diese gigantische rechteckige Fläche? 510 Meter lang ist sie und 160 Meter breit. 1602 wurde die Pracht von Schah Abbas I. angelegt. Gleich nebenan beginnt der riesige Basar. Aber wer will jetzt Stoffe, Goldschmuck oder Teppiche anschauen, und seien die Waren noch so schön? Der Platz lässt einen ja nicht los. Wir sind überwältigt.

Im schattigen Hof der gewaltigen Jame-Moschee, ein Weltkulturerbe, sitzt Mohammed Abdoli. Der 28-Jährige trägt einen weißen Turban. Diese Kopfbedeckung weist ihn als islamischen Gelehrten aus. Mit 16 habe er sein Theologiestudium begonnen, erzählt er in perfektem Englisch. Um die höchste Stufe im Islam zu erreichen und Ayatollah werden zu können, müsse man 30 Jahre lang studieren, hören wir.

„Wenn Ruhani es nicht schafft, dann sind wir alle am Boden“

„Gibt's in Ihrer Religion auch das Zölibat?“, will jemand wissen. Mohammed sagt: „Im Islam gilt, dass man beide Welten miteinander verknüpfen soll. Wenn man einen Teil ausgrenzt, kann das nicht gut sein.“ Ob dieser junge Mann immer hier ist, um Touristen die Religion zu erklären? Fariba weiß es nicht. Aber sie sagt: „Ich wünschte, wir hätten mehr solche modernen Männer im Wächterrat.“

Rund 100 000 Touristen reisen pro Jahr in den Iran. Und niemand von ihnen lässt Isfahan, die schönste Stadt im Land, aus. Allein die Khaju-Brücke mit ihren 23 steinernen Bogen macht sprachlos. 105 Meter lang ist sie und 14 Meter breit. Früher durften auch Autos über das grandiose Bauwerk rollen, nun gehört die Brücke den Fußgängern. Junge und Alte schlendern hier entlang. Wir kommen mit der Studentin Laleh ins Gespräch. Wie beurteilt sie die Zukunft des Landes? „Wenn Ruhani es nicht schafft, dann ist es zu spät für uns. Dann sind wir alle am Boden“, sagt sie. Schon jetzt sei die medizinische Versorgung schwierig. „Ausländische Medikamente sind teuer. Wir können uns nur die iranischen leisten, aber die taugen nichts.“ Sie spricht von zwei Millionen Drogensüchtigen im Land. Jungen Leuten fehle die Perspektive.

Die Reisenden genießen den letzten Abend auf der Dachterrasse des Abbasi- Hotels. Unten schimmern die Lichter von Isfahan. Das alkoholfreie Bier ist billiger als vor zwei Wochen. Die Inflation. Statt 30000 Rial, wie zu Beginn der Tour, tauschten wir nun 40 000 Rial für einen Euro. Dieses Land hat viele Probleme. Seine Schätze sind nicht zu zählen.

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