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Himmel hilf! Sind die Hänge im Winter grün, kann die umstrittene Schneekanone schon etwas ausrichten– allerdings nur bei niedrigen Temperaturen.

©  Karl-Josef Hildenbrand

Schneegarantie: Wenn Frau Holle streikt

Manche Reiseveranstalter geben eine Schneegarantie. Ob sie dem Urlauber etwas nützt, ist fraglich.

Die Skiausrüstung ist eingepackt und das Auto startbereit. Die Wintersportler haben sich wochenlang durch Gymnastikkurse gequält und sind jetzt gut in Form. Doch nach vielen Stunden Anreise bietet sich am Urlaubsort ein unerfreuliches Bild: Die Hänge sind nicht tief verschneit, sondern fast frühlingshaft grün. Die Lifte stehen still, weil kein echter Schnee vom Himmel gefallen ist und die Temperaturen für die Schneekanonen oft zu hoch sind. Und das in einem Skigebiet, das mit seiner Schneesicherheit wirbt.

Für die Wintersportler ist klar: Der Urlaub ist nicht der, den sie sich vorgestellt hatten – also müssen sie schauen, wie sie ihr Geld wieder zurückbekommen. Das allerdings ist gar nicht so einfach, wie Reiserechtler Ernst Führich aus Kempten sagt. „Es kommt zunächst darauf an, ob man eine Pauschalreise gebucht oder nur die Unterkunft vorbestellt hat.“ Denn haben Reisende über einen Katalog oder eine einschlägige Webseite eine komplette Reise gebucht und hat der Veranstalter eine Schneegarantie gegeben, „dann kann man vor Gericht ziehen, wenn das Versprechen nicht eingehalten wurde“. Allerdings: Kaum ein Anbieter verspricht in Zeiten des Klimawandels garantiert weiße Pisten. „Die Veranstalter wissen, dass sie dann ein Problem haben“, sagt Silvia Schattenkirchner, Expertin für Verbraucherschutz beim ADAC in München.

Ausnahmen allerdings gibt es – meist in den Skigebieten, die in großer Höhe liegen oder einen Gletscher in unmittelbarer Nähe haben. Sölden in Tirol zum Beispiel wirbt als Ort mit Schneegarantie: Höhe bis zu 3340 Meter, zwei Gletscher und maschinelle Beschneiung sorgen nach Auskunft der Bergbahnen für gute Bedingungen, den ganzen Winter über.

Das Kleingedruckte lesen

Auch das Zillertal macht dank des Hintertuxer Gletschers mit einer Schneegarantie Reklame, ebenso wie das Pitztal mit seinem Gletscher, wo von Mitte September bis Mitte Mai Schneesicherheit versprochen wird. Auch in Zermatt soll der Schnee zu 100 Prozent sicher sein: Auf dem Theodulgletscher trainieren sogar im Sommer die Nationalmannschaften zahlreicher Länder.

Der Reiseveranstalter Tui wirbt ebenfalls mit einer sogenannten Schneegarantie: Wenn sieben Tage vor Anreise wegen Schneemangels nicht mindestens 75 Prozent der Lifte in dem Skigebiet des Zielortes geöffnet sind, können gebuchte Reisen bis fünf Tage vor Antritt der Reise auf ein anderes Tui-Hotel oder auf einen anderen Zeitpunkt gebührenfrei umgebucht werden. Doch auch hier lohnt sich ein Blick ins Kleingedruckte, die Garantie gilt zum Beispiel nicht immer.

Zwar stelle sich in Zeiten der Schneekanonen in zahlreichen Gebieten das Problem der grünen Pisten seltener, „doch eine Garantie sind sie auch nicht“, sagt Schattenkirchner. Außerdem gebe es oft Einschränkungen in den Geschäftsbedingungen, wie Führich sagt: „Es gibt kein Gesetz – und wer die Garantie freiwillig gibt, kann die Konditionen selbst bestimmen.“ Also müsse der Gast das Kleingedruckte genau studieren, um zu wissen, was sich hinter dem Schlagwort „Schneegarantie“ verbirgt.

Klagen macht nicht immer Sinn

Winter 2013/14
Winter 2013/14

© imago

Eine Preisminderung kann nur eingeklagt werden, wenn eine Garantie bei einer Pauschalreise nicht eingehalten wurde. In diesem Fall komme es auch nicht darauf an, wer die Schuld hat, erläutert Führich: „Das kann der liebe Gott sein, zu wenig Schnee, zu viel Schnee, gesperrte Pisten, technische Defekte.“ Wenn es am Urlaubsort eines Pauschalreisenden trotz Schneegarantie grün ist, sollte er Beweise sammeln. Urlauber können sich etwa gegenseitig bezeugen, dass kein Schnee lag, oder sich die Wetterlage vom Tourismusverband an Ort und Stelle bestätigen lassen. „Bilder sind in diesem Fall eher schwierig, da der digitale Zeitstempel manipuliert werden kann“, sagt die ADAC-Expertin.

Die Juristin gibt allerdings zu bedenken, dass sich bei einem Gang vor Gericht Kosten und Nutzen nicht immer die Waage halten: „Das sind keine sehr großen Summen, um die da gestritten wird.“ Denn oft gebe es nur fünf oder zehn Prozent vom Reisepreis, bezogen auf die Tage, an denen der Mangel tatsächlich da war. „Manchmal sind das nur zweistellige Beträge.“ Und: „Wenn keine Zusage der Schneesicherheit da ist, gehört das Wetter zum allgemeinen Lebensrisiko“, sagt Führich. Daher zahle auch die Reiserücktrittskostenversicherung nicht, wenn ein Kunde wegen Schneemangels am Urlaubsort stornieren will.

Die Klage funktioniert in der Regel nur bei einer Pauschalreise. „Wer lediglich sein Hotel vorbestellt, hat allein einen Beherbergungsvertrag geschlossen“, sagt Führich. Der allerdings habe nichts mit den Schneeverhältnissen im Skigebiet zu tun. „Der Hotelier muss das liefern, was er verspricht: Unterkunft, gegebenenfalls Angebote wie Halb- oder Vollpension und einen Wellnessbereich.“ Halte er seinen Teil des Vertrages ein, kann er nicht belangt werden.

Ganz andere Garantien

Es gibt nur eine einzige Möglichkeit, von einem solchen geschlossenen Beherbergungsvertrag kostenlos zurückzutreten: „Wenn die Zufahrtswege zum Hotel versperrt sind, etwa durch Lawinen oder zu starken Schneefall, kann ein Gast kurzfristig wegen höherer Gewalt zurücktreten“, betont Führich – und zwar vom kompletten gebuchten Urlaub. Schattenkirchner rät in einem solchen Fall zu einem kurzen Telefonat oder einer E-Mail an den Gastgeber: „Dann ist die Lage für beide Seiten klar.“ Und wenn ein Gast im Hotel eingeschneit ist und den Urlaub unfreiwillig verlängern muss? „Dann muss er den Zimmerpreis selbst weiterzahlen“, sagt Führich.

Doch der fehlende Schnee ist nicht das einzige Problem, das Reisende im Winterurlaub haben. So klagte der Gast eines Hotels, weil nicht für jeden Urlauber eine Heizschlange zum Trocknen der Skistiefel bereitstand. Das sei auch nicht notwendig, urteilte das Amtsgericht Köln (Aktenzeichen: 135 C 175/04) – schließlich sei die Wahrscheinlichkeit groß, dass nicht alle Hotelgäste Skifahrer sind.

Auch bei Klagen wegen zu viel Schnee urteilen die Richter eher realistisch: Ein Urlauber hatte geklagt, weil der Parkplatz vor der gemieteten Hütte tief verschneit und daher nicht nutzbar war. Das Amtsgericht Offenburg minderte den Reisepreis nicht und fand es zumutbar, dass der Kläger die rund 400 Meter von einem anderen Parkplatz zu seinem Domizil laufen muss (Aktenzeichen: 1 C 357/94).

Mit der Schneegarantie ist es so eine Sache. Deshalb geben mittlerweile einige Skigebiete ganz andere Garantien: Im Zillertal oder in Kärnten etwa garantieren sie ihren Skischülern, dass diese nach einer bestimmten Stundenzahl eine einfache blaue Piste bezwingen können. Die ersten Rechtsstreitigkeiten kommen bestimmt bald. Dabei sollte vor dem Gang zum Kadi auch hier das Kleingedruckte gelesen werden. Denn ob ein Ski-Novize während eines Kurses tatsächlich gelernt hat, die Bretter zu beherrschen, entscheidet in der Regel allein der Skilehrer ...

Verena Wolff

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