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Schlank und schön – nicht unbedingt das Motto für eine Kreuzfahrt. Aber zumindest wird die neue „Europa 2“ dem Spruch gerecht.

© hlkf

Schwimmendes Fünf-Sterne-Hotel: 21 Knoten – und keine Krawatte

Hapag-Lloyd Kreuzfahrten stellt die „Europa 2“ vor, ein Schiff für höchste Ansprüche, jedoch mit betont legerer Atmosphäre.

Der junge Mann hinter dem Tresen der „Sansibar“ auf Deck 8 ist voll freudiger Erwartung. „Ich bin ja Erstfahrer, lasse mich also überraschen, wie alles kommt.“ So wird es mindestens der Hälfte der Crew auf der „Europa 2“ gehen, die am vergangenen Freitag in Hamburg getauft wurde und sich heute schon auf ihrer Jungfernreise in Richtung Mittelmeer befindet. Denn auf dem jüngsten Schiff von Hapag- Lloyd Kreuzfahrten haben 50 Prozent neues Personal angeheuert. Die übrige Mannschaft konnte bereits tüchtig Erfahrung auf anderen Schiffen der Reederei sammeln, war jedoch dem Lockruf einer frisch aus der Werft kommenden Debütantin erlegen. So kommt Kapitän Friedrich Jan Akkermann von der „Europa“, und den alternierenden Boss auf der Brücke, Kapitän Ulf Wolter, hat es von der „Hanseatic“ herübergeweht.

Bereits die ersten Eindrücke während einer Premierenfahrt haben veranschaulicht: Es wurde eine homogene, hochprofessionelle Besatzung zusammengestellt, die den Ansprüchen der Gäste an ein Luxusschiff spielend gerecht werden dürfte. Und das Schiff selbst? Von der Bauweise her: relativ klein (s. Kasten), wendig, mit viel Umwelttechnik ausgerüstet und optisch außen wie innen sehr ansehnlich; vom Konzept her: ein schwimmendes Fünf-Sterne-Hotel, statt ein auf dem Meer treibendes Hochhaus mit Kleinstadtcharakter; und die Philosophie? Legerer Luxus, oder wie es die Reederei griffig formuliert: „Die große Freiheit – 21 Knoten und keine Krawatte“.

Ganz klar – und daran lässt Hapag-Lloyd auch keinen Zweifel –, mit der „E 2“ ist ein weiterer Stein beim Ausbau des Luxussegments im Unternehmen gesetzt worden. Dabei haben die Hamburger allerdings nicht allein den längst nicht ausgereizten deutschen Markt für Kreuzfahrten der oberen Preisklasse im Blick. Vielmehr soll das Schiff auch internationalen Charakter bekommen, damit es insbesondere für potenzielle Kunden aus den USA, Großbritannien, Australien sowie aus Skandinavien und den Benelux-Staaten interessant wird. Das heißt zunächst einmal: Bordsprache ist neben Deutsch auch Englisch.

Der Kapitän Friedrich Jan Akkermann.
Der Kapitän Friedrich Jan Akkermann.

© hlkf

Was den Erfolg der Bemühungen um den Gast von außerhalb der deutschsprachigen Länder betrifft, gibt sich Produktmanager Julian Pfitzner eher zurückhaltend. Bisher bewegten sich die Buchungen im „unteren einstelligen“ Prozentbereich, Ziel sei es jedoch, wenigstens 15 Prozent zu erreichen. Zusätzlich englischsprachige Durchsagen und Literatur, Bordbibliothek sowie internationale Abendshows hin oder her – vor allem anglofone Gäste dürften mit dem Schiff fremdeln. Kein Spielcasino, überwiegend deutschsprachige Lektorenvorträge und Autorenlesungen – von Donna Leon einmal abgesehen. Tja, und mit dem Saunabereich wird sich die Reederei auch etwas einfallen lassen müssen. Bisher jedenfalls wird hüllenlos geschwitzt – zumindest für die allermeisten Amerikaner ein absolutes Ding der Unmöglichkeit.

Viel Raum für die Gäste

Pianobar an der Rezeption
Pianobar an der Rezeption

© Gerd W. Seidemann

Das Interieur jedenfalls ist bewusst und eindeutig auf den europäischen Geschmack zugeschnitten. Das Schiff kommt innen nicht nur hell, leicht und luftig, sondern auch mit ausgesprochen hochwertigen Materialien daher. Die Farben Beige und Weiß sowie matte Silbertöne überwiegen (dabei bereitet manch heller Teppichboden Hoteldirektor Johann Schrempf – wie Küchenchef Stefan Wilke von der „Europa“ gekommen – erheblichen Verdruss). Für ein Schiff sind die Räume ungewöhnlich hoch, die Fenster sehr groß, und selbst aus dem mittschiffs eingebauten Hauptfahrstuhl gibt’s Meerblick dank durchgehender Glasfronten back- und steuerbord. Ein Beleg für hohe schiffsbautechnische Kunst, ist doch insbesondere in der Schiffsmitte erhöhte Steifigkeit erforderlich.

Apropos: 890 Kunstwerke hat Hapag- Lloyd eigens für die „E 2“ in Auftrag gegeben. Dabei wurde den Künstlern lediglich vorgegeben, in welchem Umfeld ihr Werk platziert werden sollte – entsprechend legten sie los. Was an Bildern und Skulpturen geschaffen wurde, kann sich sehen lassen. Schließlich hat sich die Reederei das auch einen Betrag „im unteren einstelligen Millionenbereich“ kosten lassen.

Die Kunst gehört Hapag-Lloyd – im Gegensatz zum Schiff. Das hat eine Investorengruppe finanziert. Doch weder über die Höhe der Baukosten noch über Geldgeber oder Charterrate möchte die Geschäftsführung auch nur ein Sterbenswörtchen verlieren. Es darf also spekuliert werden, wo ein hoher dreistelliger Millionenbetrag für ein Vergnügungsschiff-de-Luxe eingesammelt wurde. Möglicherweise sind die sechs Hongkong-Chinesen, die auf der Jungfernreise an Bord sein sollen, ein gewisses Indiz für die Herkunft des Geldes.

Pool unterm 80-Tonnen-Schiebedach
Pool unterm 80-Tonnen-Schiebedach

© Gerd W. Seidemann

Wolfgang Flägel, Geschäftsführer von Hapag-Lloyd Kreuzfahrten, lässt allerdings keinen Zweifel daran, dass Asien als Quellmarkt für sein Unternehmen derzeit keine Rolle spielt. Die Hauptzielgruppe sieht man in Deutschland, wird mit „45 plus“ charakterisiert, „beruflich stark eingespannt“, mit einem sehr ordentlichen Einkommen und hohem Anspruch. Viele Golfer sieht die Reederei unter den künftigen Gästen. Und Familien. Allerdings sollen maximal 40 bis 50 Kinder (bis elf Jahre frei) an Bord professionell betreut werden. Der durchschnittliche Tagespreis pro Passagier liegt bei 600 Euro, wobei in der untersten Kategorie auf manchen Reisen mit 450 Euro kalkuliert werden darf.

Extraportion Pfiffigkeit mit einem Schuss Selbstbewusstein

Kompetenz auch im Restaurant Tarragon
Kompetenz auch im Restaurant Tarragon

© Gerd W. Seidemann

Geboten wird dafür nicht nur die Fahrt auf einem Schiff mit dem „höchsten Platzfaktor pro Passagier“, sondern in allen acht Restaurants auch ein Service- und Produktstandard von allererster Güte. Nun gerät man als Berichterstatter immer unter Verdacht, etwas tiefer in die Jubelkiste zu greifen, als es die tatsächlichen Gegebenheiten gestatten. Zwar ist auf den meisten Schiffen das Servicepersonal freundlich und hilfsbereit, hier jedoch erkennt der Gast neben hoher Professionalität eine Extraportion Pfiffigkeit mit einem kräftigen Schuss Selbstbewusstein. Das Resultat: im besten Sinn Dienende ohne jeglichen Anflug nervender Servilität.

Nicht rechnen muss der Gast mit „Wohnhöhlen“, sprich fensterlosen Innenkabinen. Das Schiff weist ausschließlich „Suiten“ mit Veranda auf. Größe und Ausstattung werden allen Ansprüchen gerecht. Hochmoderne Technik ist installiert, was bei manchem Premierengast dazu führt, dass er abends in seiner Suite später als gedacht entschlummern kann – weil er zunächst Mühe hat, das Lichtschaltsystem zu durchschauen und die gewünschte Dunkelheit herzustellen.

Keine allzu große Sorge muss sich der Passagier angeblich in Sachen Umwelt machen. „Unsere Gäste wollen nicht auf einer Dreckschleuder fahren“, sagt der für den Neubau verantwortliche Ingenieur Henning Brauer. Entsprechend sei die „E 2“ das derzeit „sauberste Kreuzfahrtschiff der Welt“. Verbrannt werde zwar weiterhin das berüchtigte Schweröl – „50 Prozent günstiger“ – , doch „SCR-Katalysatoren“ filterten 95 Prozent aller Stickoxide, eine Technik, die es sonst auf keinem Schiff gebe. Auch auf Landstrom sei man vorbereitet, doch die umweltfreundliche Art, ein Schiff im Hafen mit der notwendigen Energie zu versorgen, sei bisher an kaum einem Liegeplatz zu finden.

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