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Karibik: Am Strand von Curaçao

Einst war Curaçao Hauptumschlagplatz des Sklavenhandels. Heute kommen Touristen – um mit Schildkröten zu schwimmen und Kolibris beim Rückwärtsfliegen zu bewundern.

Hier also soll der Aufstand begonnen haben. Wer auf der Terrasse des Landhauses Kenepa steht und hinab ins knallgrüne Tal blickt, dem fällt so manches ein, was er jetzt gern täte: sich Schatten suchen, Cola mit Eis bestellen, die bergige Traumlandschaft bestaunen. Zur Not auch an einem der Workshops teilnehmen, die zeigen, wie sich aus schleimigem Kaktusfleisch eine schleimige Kaktussuppe zubereiten lässt. Doch hier oben, auf dieser Terrasse, wurde Geschichte geschrieben, vor bald 220 Jahren. Es war der Anfang vom Ende des alten Curaçao.

Bis vor wenigen Wochen ging es dem Besucher so wie den allermeisten Deutschen: Mit dem Wort „Curaçao“ konnte er nur etwas anfangen, wenn ein „Blue“ davor stand. Wer aber deshalb denkt, er bekäme schon bei der Ankunft am Flughafen ein Glas des süßen Likörs in die Hand gedrückt oder spätestens im Hotel, der irrt. Um es vorwegzunehmen: Man kann einen ganzen Urlaub auf Curaçao verbringen, ohne auch nur in die Nähe von Alkohol zu geraten. Es ist wohl einfach zu heiß, um sich zu betrinken.

Auf der Terrasse des Landhauses Kenepa, im Nordwesten der Insel, steht eine Frau in gelbem Gewand. Sie heißt Jeanne Henriquez, und wer Curaçao verstehen möchte, sollte sie besuchen. Henriquez ist die Direktorin des Museums, das heute in dem alten Gebäude untergebracht ist und die Geschichte des Aufstands erzählt. Im 18. Jahrhundert war Curaçao eine Kolonie der Niederlande – und Hauptumschlagplatz für alle Sklaven, die aus Afrika über den Atlantik gebracht wurden. Wer die Strapazen der Fahrt überlebte, sagt Jeanne Henriquez, wurde auf Curaçao in ein Lager gesperrt und wieder zu Kräften gebracht, damit sein Marktwert stieg – bevor er dann an weiße Siedler in ganz Lateinamerika weiterverkauft wurde.

Heute ist Curaçao ein Schmelztiegel. Man trifft Nachkommen von Sklaven und Sklavenhändlern, Europäern und Afrikanern, auch sephardische Juden, deren Vorfahren einst aus Spanien oder Portugal flohen. Es gibt Gastarbeiterfamilien aus Asien oder vom lateinamerikanischen Festland. Venezuela liegt nur 60 Kilometer entfernt, lässt sich an klaren Tagen mit bloßem Auge erkennen, und Wolken sind hier äußerst selten. Auch die Architektur wirkt wie ein bunter Mischmasch an kulturellen Einflüssen, wobei besonders die Kolonialbauten der Holländer ins Auge springen: In Willemstad, Curaçaos Hauptstadt, sind die Häuserfassaden der Hafenfront in grellen Farben gestrichen.

Pink direkt neben Blau neben Grün neben Gelb. Man steht davor und denkt: Das können die doch jetzt nicht ernst meinen! Tun sie aber. Eine Gasse trägt den Namen „Heerenstraat“, Herrenstraße. Gab es denn keine Versuche, die umzubenennen, nach der Abschaffung der Sklaverei? Unsere Stadtführerin zuckt mit den Schultern.

Alles ist "dushi"

Der große Sklavenaufstand wurde damals angeführt von einem Mann namens Tula. Wie der genau aussah, ist nicht überliefert, deshalb wird er mal als muskelbepackter Kämpfer und mal jesusgleich in langen Tüchern dargestellt. Seine Abbilder sieht man im Museum wie auch an Häuserwänden von Willemstad.

Auf der Straße wird Niederländisch und die Mischsprache Papiamentu gesprochen. Weil so viele Menschen hier Englisch beherrschen, müssen sich Touristen mit Papiamentu nicht quälen, bloß dieses eine Wort sollte jeder erinnern: „dushi“. Es bedeutet nett oder reizend und lässt sich für praktisch alles gebrauchen: die kleinen Badebuchten, die malerisch gelegenen Strandrestaurants, die überall getrunkene Zitronenlimonade. Alles komplett dushi.

Da die Insel an ihrer längsten Stelle keine 50 Kilometer misst, lässt sich jeder Winkel problemlos binnen weniger Stunden erreichen. Am besten reist man mit dem Mietauto, und keine Angst: Gefahren wird hier extrem, ja geradezu sensationell diszipliniert. Die Vorfahrt im Kreisverkehr wird genauso beachtet wie der Zebrastreifen, so gesittet geht es im Berliner Feierabendverkehr selten zu.

Was außerdem auffällt, sind die vielen wild lebenden Hunde. Ein sicheres Zeichen dafür, dass die Deutschen Curaçao noch nicht für sich entdeckt haben. Sonst wären die alle längst weggerettet worden. 15 000 Deutsche kamen im vergangenen Jahr auf die Insel – Tendenz deutlich steigend. Das liegt zum einen daran, dass Air Berlin inzwischen einen zehnstündigen Direktflug ab Düsseldorf anbietet und der bisherige Platzhirsch KLM daraufhin seine Preise gesenkt hat. Zum anderen liegt das an Dieter Bohlen. In diesem Frühjahr wurde hier die aktuelle Staffel von „Deutschland sucht den Superstar“ gedreht, und die gezeigten Traumstrände mit ihren Palmen und dem feinkörnigen Sand haben Eindruck hinterlassen. Bohlen selbst residierte in der Präsidentensuite des exklusiven Baoase-Luxury-Resorts, für 2700 Dollar die Nacht, was ziemlich genau fünf Monatsgehältern eines Durchschnittseinwohners auf Curaçao entspricht. Die übrigen Hotels entlang der Südküste sind allerdings erschwinglich.

Zum Schnorcheln nach Klein Curacao

Wer sich bewegen möchte, sollte einen Tagesausflug zum Christoffelpark unternehmen, dem Nationalpark im Nordwesten, nicht weit von dem Sklavenmuseum. Dort kann man durch Mangrovenwälder wandern und Kolibris beim Rückwärtsfliegen zusehen. Ständig raschelt es links und rechts im Laub. Das sind kleine Eidechsen, erklärt der Park-Ranger, von denen gibt es hier Abertausende, und mit ihren kreisförmigen weißen Punkten am Körper sehen sie dushi aus. Weniger vertrauenswürdig wirken ihre größeren Verwandten, die Leguane. Von Kopf bis Schwanzspitze werden sie bis zu einem Meter lang, sie erinnern an kleine Drachen und sind extrem flink. Zum Glück rennen sie immer bloß weg von einem. Die tun nichts, die sind Vegetarier, sagt der Ranger. Einmal sei ihm so ein Leguan direkt auf den Kopf gefallen. Das Tier habe sich mehr erschreckt als er selbst.

Noch spektakulärer gerät der Tagesausflug mit einem der Boote, die täglich auf die winzige Insel „Klein Curaçao“ übersetzen. Das Eiland ist so bedeutend, dass es symbolisch als kleiner Stern auf der Landesflagge verewigt wurde. Etwa jeder zweite Besucher wird die Rückreise mit einem schweren Sonnenbrand antreten, sagt unser Kapitän, und er wird recht behalten. Es ist aber auch zu verlockend, am Strand zu liegen und raus aufs klare Wasser zu blicken. Man fühlt sich wie in einer Fernsehwerbung, fehlt bloß noch, dass eine weiß gekleidete Frau vorbeischaut und Raffaellos anbietet. Wer sich auf Klein Curaçao einen Schnorchel leiht, hat beste Chancen, Wasserschildkröten beim Schwimmen zu bewundern. Die sind groß wie Schweine und holen nur gelegentlich ganz sanft mit ihren Flossen aus. Man könnte meinen, sie schweben. Absolut dushi.

Kampf gegen Korruption

Es spricht vieles dafür, dass Curaçao nichts weniger als eine Art Paradies auf Erden ist. Bis einem plötzlich jemand wie Yves Cooper über den Weg läuft. 52 Jahre alt, renommierter Journalist, hat zwei Jahrzehnte seines Lebens in den Niederlanden verbracht. Es sei schon kurios, sagt Cooper. Hin und wieder entdecke er in einem europäischen Magazin oder einer Zeitung einen Bericht über Curaçao. Die handelten stets ausschließlich davon, wie herrlich es auf der Insel zugehe. Die grüne Landschaft, die wunderbaren Strände, das immer perfekte Karibikwetter ... Nur wie es um die Insel tatsächlich stehe, das schreibe niemand.

Was meint Yves Cooper? Wer sich gezielt umhört, mit Bewohnern und Zugereisten spricht, der hört auch mal Schauergeschichten. In den meisten geht es um Korruption. Man erfährt, dass die Insel neben dem Tourismus vor allem von Öl und Offshore-Banking lebt. Dass der beliebteste Politiker des Landes im Mai vermutlich deshalb auf offener Straße erschossen wurde, weil er sich dem Kampf gegen Korruption verschrieben hatte. Dass Menschen umgerechnet knapp 50 Euro versprochen wurde, falls sie einen anderen Politiker wählen würden. Dieser Mann hat es tatsächlich zum Regierungschef geschafft, wurde dann aber abgesetzt, was er selbst einen Staatsstreich nannte.

Soeben hat Amnesty International einen Bericht über Curaçao veröffentlicht. Er liest sich wie eine 240-seitige Mahnung. Von alldem bekommt man als Tourist nichts mit. Im Gegenteil: Curaçao ist so sicher, dass man auch abends durch die Innenstadt von Willemstad spazieren kann, ohne sich ein einziges Mal unwohl zu fühlen. Und die Kritiker der Korruption sagen auch: Diesem Land wird sicher nicht dadurch geholfen, dass die Touristen wegbleiben.

Der Sklavenaufstand im 18. Jahrhundert verlief übrigens zunächst erfolgreich. Bis die Niederländer Verstärkung holten und brutal zurückschlugen. Der Anführer Tula wurde gefoltert und ermordet. Es sollte noch bis zum Jahr 1863 dauern, bis die Sklaverei abgeschafft wurde – das ist jetzt genau 150 Jahre her. Bald kommt ein Film in die Kinos, der die Geschichte von Tula und seinen Unterstützern erzählt. Das ZDF war an der Produktion beteiligt.

Ach ja, der Blue Curaçao. Die traurige Wahrheit lautet: Der Likör, den wir Europäer trinken, hat wenig mit dem ursprünglichen Curaçao gemein. Der nämlich wird auf der Insel in nur einer einzigen Fabrik hergestellt und ist eigentlich durchsichtig. Dazu kommt dann Lebensmittelfarbe, entweder Rot, Grün oder eben Blau. Die Bewohner der Insel wissen sehr genau, dass die meisten Europäer den Drink kennen, nicht aber ihr Eiland, sagt der Mann aus der Likörfabrik. Das Überraschende: Sie freuen sich trotzdem darüber. Vielleicht komme der eine oder andere ja so auf den Geschmack.

LAGE

Curaçao ist die größte Insel der ehemaligen Niederländischen Antillen und zugleich Teil der ABC-Inseln, zu denen auch Aruba und Bonaire zählen. Die Inseln liegen vor der Küste Venezuelas und gehören zu den „Inseln unter den Winden“. Curaçao liegt daher außerhalb des „Hurrikangürtels“.

ANREISE
Beispielsweise mit Air Berlin von Tegel aus über Düsseldorf und von dort immer dienstags nonstop nach Willemstad (Anfang Oktober 778 Euro).

EINREISE
EU-Staatsbürger benötigen nur einen (noch sechs Monate gültigen) Reisepass sowie ein gültiges Rück- beziehungsweise Weiterflugticket.

REISEZEIT
Es ist das ganze Jahr über warm und regnet kaum. Die Durchschnittstemperatur beträgt 27,5 Grad. Ein ganzjährig leichter Passatwind macht das Klima gerade für Europäer besonders angenehm.

ESSEN UND TRINKEN

Lebensmittel sind oft etwas teurer als in Deutschland, da praktisch alles aus Venezuela importiert werden muss. In der alten Markthalle von Willemstad wird man trotzdem für fünf Euro satt.

PAUSCHALEN

Mehrere Veranstalter haben Pauschalreisen im Angebot. Bei Meier’s Weltreisen kosten 14 Nächte im renovierten Hilton inklusive Flug 1500 Euro, bei L’Tur 14 Nächte im Chogogo Resort 1700 Euro.

SEHENSWERT

Die Fabrik Chobolobo, die den echten Blue Curaçao produziert, bietet eine kleine Ausstellung zu Geschichte und Herstellung des Getränks. Ein Rundgang lohnt auch durch „Dinah’s Botanic and Historic Garden“. Hier erfährt man, welche heimischen Kräuter gegen Müdigkeit helfen und angeblich Beziehungsglück garantieren.

In „Serena's Art Factory“ hat eine deutsche Aussteigerin ein Kunstprojekt gestartet, das Frauen Arbeit verschafft – Touristen können Probe malen.

SPRACHE

Amtssprache ist Niederländisch. Papiamentu ist Umgangssprache. Die meisten Einheimischen sprechen auch Englisch, so dass es keine Verständigungsschwierigkeiten gibt.

AUSKUNFT
Curaçao Tourist Board Germany, E-Mail: info@curacao.de, Telefon: 089 / 51 70 32 98.

Internet: curacao.de

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