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Tour: Kaffee nur in Italien

Aufregend anregend: Wie der Musiker Blixa Bargeld durch Europa flitzt

Der Mann reist nicht aus purem Vergnügen. Leadsänger Blixa Bargeld tourt mit den „Einstürzenden Neubauten“ durch Europa. „Von Lissabon, Oslo bis Neapel, Europa kreuz und quer“ schreibt er in einer „Litanei“. Über die Konzerte steht wenig im Buch. Die Auftrittshallen werden höchstens knapp skizziert, das Publikum eher registriert denn beschrieben. Dafür erfährt der Leser eine Menge über Erwartungen, Überraschungen und Rituale des Autors unterwegs. Und viel über die Wandlungen und skurrilen Errungenschaften im alten und neuen Europa.

Blixa Bargeld, das wird schnell klar, ist kein Low-Budget-Reisender. Den Tourbus meidet er, so gut er kann, nimmt lieber das Flugzeug oder steigt in den Zug. Planung und Organisation regelt er souverän mit Bahn.de, Online-Reiseführer und dem Guide Michelin. Denn Bargeld ist Gourmet. So kommt es, dass er an „der Riesling-Strecke“ der Südeifel im Waldhotel Sonnora (drei Sterne) stoppt, um einzukehren. Hervorragende Restaurants sind so etwas wie sein Steckenpferd – mit praktischem Nutzen für den Leser.

Der „fahrende Musiker“, wie sich Bargeld selbst bezeichnet, ist im Laufe seiner Berufsjahre immer wieder in dieselben Städte gekommen. Und besucht dann jene Bilder im Museum, die ihm liebgeworden sind. Etwa Dürers „Die Marter der zehntausend Christen“ in Wien oder Casanovas Napoleon im Palazzo di Brera in Mailand. Doch während die Kunst beeindruckend geblieben ist, lässt das Publikum in den Nobelrestaurants zu wünschen übrig. Im „Clairefontaine“ in Luxemburg sitzen „Politiker, laute Amis, Russen in Hosenträgern … Das übliche Gesocks für ein besterntes Restaurant“, lamentiert Bargeld. Und gibt sich weltgewandt. Kaffee trinkt er „nur in Italien“.

In Zagreb bewohnt er eine Suite im Regent Esplanade. Alles ist schick – und kurios zugleich. Bei Ankunft dudelt der Fernseher Musik und empfängt ihn: „Welcome, Frau Bargeld. Press Menu to continue.“ In Moskau kostet die zehnminütige Taxifahrt zum Kempinski-Hotel Baltschug 50 Euro. Das Menü dort bewertet er knapp: „albern und teuer“. In Sankt Petersburg ist das „Museum des Atheismus“ wieder zur Kirche geworden, im „Museum der Arktis und Antarktis“ verblüffen den Musiker die Utensilien eines sowjetischen Polarforschers, „der sich im ewigen Eis mit Handspiegel und Besteck selbst den Blinddarm entfernt hat“.

Temporeich mit kurzen Sätzen ist das alles beschrieben – und liest sich kurzweilig weg. Bargeld beobachtet und bringt Abstruses auf den Punkt. So hat sein Hotel in Kopenhagen eine Bar aus Eis, in die man mit einem „Live-life-package“ einchecken und danach „molecular drinks“ ordern kann. Wie gut, dass manches Bestand hat. Nur bei „Guerlain“ auf den Champs-Élysées gebe es schließlich den Duft „Bois d’Armenie“, mit Weihrauch, Koriander und Iris.

Am Ende der Litanei, die doch eine Lobpreisung geworden ist, bekennt Bargeld: „I love Europe“. Da mag sich der Leser anschließen, angeregt, all die genannten Städte selbst mal wieder zu besuchen. Gern mit mehr Muße als der hindurchflitzende Blixa Bargeld. Hella Kaiser

— Blixa Bargeld: Europa kreuzweise. Eine Litanei. Residenzverlag, St. Pölten-Salzburg, 2009, 123 Seiten, 12,90 Euro

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