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Lückenlos bebaut – die spanische Südküste im Touristenzentrum Benidorm.

© p-a/dpa

Umstrittenes Gesetz: Alles bleibt in der ersten Reihe

Spanien hat ein fragwürdiges Küstenschutzgesetz verabschiedet. Das nützt Hauseigentümern und entsetzt Umweltschützer. Sie befürchten einen neuen Bauboom.

Haus- und Wohnungseigentümer atmen erleichtert auf, Umweltschützer sind empört: Tausende eigentlich zum Abriss freigegebene Wohnhäuser und Strandbuden an den spanischen Küsten dürfen stehenbleiben. Ein neues Küstenschutzgesetz gewährt etwa 24 000 Gebäuden, die an Badestränden in erster Reihe errichtet wurden, eine „Gnadenfrist“ von 75 Jahren. Nach der bislang bestehenden Gesetzgebung hätten diese Bauten abgerissen werden müssen. In Spanien sind die unmittelbaren Küstenstreifen öffentlicher Grund, Privatbesitz ist dort nicht erlaubt.

Die Umweltschützer – wie auch die Oppositionsparteien – sehen in dem umstrittenen Gesetz eine Aufweichung des Küstenschutzes und eine Rückkehr zu den Zeiten, in denen Strandgebiete in Spanien fast unkontrolliert zubetoniert und bebaut wurden. „Die Neuregelung ist eine Gegenreform, die öffentliches Eigentum an Privatleute verschenkt“, meinen die Sozialisten. „Sie wird eine neue Welle der Immobilienspekulation in bislang geschützten Gebieten auslösen.“ Die Umweltschutzorganisation Greenpeace betonte: „Die Küsten werden nicht mehr geschützt, sondern ausgenutzt.“

Die Regierung bestreitet die Vorwürfe. „Es wird keine Privatisierung von Stränden geben“, betonte Umweltminister Miguel Arias Cañete. „Die neue Regelung verhindert, dass in Schutzgebieten neue Bauten errichtet werden.“ Madrid ging es bei der Reform unter anderem darum, ein Manko des bisherigen Küstenschutzgesetzes von 1988 aus der Welt zu räumen. Dieses sah vor, dass auch Gebäude, die bereits vor 1988 in Strandnähe gebaut worden waren, nach einer Gnadenfrist von 30 Jahren abgerissen werden sollen. Tausende von Ausländern, die in Spanien Strandwohnungen gekauft hatten, waren von Notaren und Banken nicht darauf hingewiesen worden, dass die Immobilien eventuell auf öffentlichem Grund standen. Sie mussten erfahren, dass ihnen eine Enteignung und ein Abriss der Gebäude drohten.

„Die Reform gibt all jenen eine rechtliche Sicherheit, die in gutem Glauben Immobilien aus der Zeit vor 1988 erworben haben“, sagte der Minister. „Sie bewahrt Wohnungen, Firmengebäude und Hotels vor einer massiven Welle von Abrissen.“ Das neue Gesetz legalisiert zudem zwölf komplette Stadtteile, die in verschiedenen Küstenorten unmittelbar am Meer errichtet wurden. Dazu gehören alte Fischerhäuser in El Palo bei Málaga oder eine Siedlung an der Costa Brava, die in den 70er Jahren für Ausländer an künstlichen Kanälen angelegt wurde.

Das Gesetz nimmt auch Rücksicht auf die Belange der Tourismusbranche, den Stützpfeiler der spanischen Wirtschaft. Strandlokale und Verkaufsbuden erhalten Konzessionen mit längeren Laufzeiten; auf bestimmten Stränden dürfen Partys und Festivals veranstaltet werden. Rund 125 000 Gebäude, die an den Badestränden in der zweiten Reihe, aber noch innerhalb der Schutzzone stehen, dürfen modernisiert werden. „Reparaturen und Erneuerungen werden zugelassen, aber keine Erweiterungen“, betonte die regierende Volkspartei (PP).

Experten bezweifeln, dass dies in der Praxis eingehalten wird. „Es ist zu befürchten, dass damit die idealen Bedingungen geschaffen werden, nun auch die letzten freien Flächen an den spanischen Stränden zu bebauen“, meint die Zeitung „El País“. „Dabei ist die Bebauung von Strandgebieten ein veraltetes Modell. Langfristig wird sie auch für den Tourismus negative Folgen haben. Beim Qualitätstourismus ist das bereits geschehen.“ (dpa)

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