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Foto: Tobias Schormann,

© dpa-tmn

Reise: Wo die Studenten singen

Das portugiesische Coimbra lebt von seiner Uniszene.

Der Maure zückt seinen Krummsäbel und geht auf die Touristen los, die schnell zurückweichen. Doch von der anderen Seite kommt schon ein Römer mit dem Schwert in der Hand. Zum Glück wollen beide nur spielen: Die Szene des Straßentheaters zeigt die bewegte Geschichte der portugiesischen Stadt Coimbra. Neben Mauren und Römern hatten sie auch die Westgoten schon geprägt. Heute haben hier die Studenten das Sagen. An jeder Ecke sind junge Menschen mit schwarzen Anzügen und Umhängen zu sehen. Die traditionelle Studentenuniform ist bis heute ein Markenzeichen der Stadt. „Hier geht das Leben erst mit dem Semesterstart richtig los“, sagt Maria José Fernandes vom Tourismusbüro der Stadt. Der ist jedes Jahr ein großes Fest: Ende Oktober ist die Latada, die Woche der Neuen. Dann versammeln sich Tausende Studenten und feiern vor der Alten Kathedrale, der Sé Velha.

Eine von ihnen ist Ana Sofia Vaz, die in Coimbra Medizin studiert. Ist der schwarze Umhang nicht etwas altmodisch? „Überhaupt nicht“, sagt sie. Im Gegenteil: „Das ist eine lebendige Tradition.“ Die Universität der einstigen Hauptstadt von Portugal wurde 1290 gegründet und ist damit die älteste Universität des Landes, erzählt Fernandes. Heute komme auf vier Einwohner ein Student. Und unter der Woche sei oft mehr los als am Wochenende – denn dann fahren viele Studenten zu den Eltern.

Natürlich wird der Fado zelebriert. Denn Coimbra ist wie Lissabon ein Zentrum des portugiesischen Blues, der seit 2011 zum Unesco-Weltkulturerbe gehört. Einen großen Unterschied gibt es aber zur Hauptstadt: „Hier dürfen nur Männer singen“, erklärt João Farinha, einer der Sänger im Fado ao Centro, wo regelmäßig Shows für Touristen geboten werden. Worum es in den herzzerreißenden Liedern geht? „Natürlich viel um Liebe.“ Und um Heimweh, dass ja auch Studenten kennen.

Der Fado aus Coimbra hat einen anderen Stil als der aus Lissabon. Der Unterschied ist am Abend in der Bar „A Capella“ deutlich zu hören, als ein Sänger aus Coimbra und eine Fadista aus Lissabon nacheinander auftreten: Er klingt ein wenig wie ein klassischer Tenor, sie eher wie Tina Turner. Das ist typisch: In Lissabon hat der Fado seine Wurzeln in den Vierteln der Ärmeren – in Coimbra ist er eher akademisch angehaucht, und man legt Wert auf geschultes musikalisches Können, erklärt Fernandes.

Die Stadt am Fluss Mondego lässt sich gut zu Fuß besichtigen. Allerdings liegen einige Sehenswürdigkeiten oben auf einem Hügel, so die Uni mit ihrer barocken Bibliothek aus dem 18. Jahrhundert. Einen Rundgang beginnen Besucher am besten am zentralen Platz in der Innenstadt, wo das Rathaus und die Kirche Santa Cruz liegen. Dort ist der erste König Portugals, Afonso Henriques, begraben. Dann geht es etliche Stufen hinauf, und Urlauber tauchen in ein Gassengewirr ein, in dem sich die Republicas verstecken. Viele der Studentenhäuser sehen aus wie Kommunen: Totenköpfe sind an die Wände gemalt, und Transparente hängen vor den Balkonen.

Nach dem Treppensteigen bietet sich etwa der Jardim da Sereia zum Verschnaufen an, wo Besucher an einem ansehnlichen Brunnen Pause machen. Und zur Stärkung bestellen sie sich im Café am besten eine weitere traditionelle Spezialität der Region: das Pastel de Tentugal, eine süße Rolle aus hauchdünnem Blätterteig mit Puderzucker obendrauf. Tobias Schormann

Tobias Schormann

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