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Alles in Trümmern. Die Völkerschlacht vor 100 Jahren kommt Besuchern des Panometers verstörend nah. Aber das riesige Rundbild zeigt auch Szenen der Hoffnung.

© Volkmar Heinz

Yadegar Asisis Völkerschlacht-Panorama: Wenn die Kanonen schweigen

Vom 3. August an zeigt das Leipziger Panometer ein Rundbild zum Gedenken an die Völkerschlacht.

Yadegar Asisi stürmt auf die Aussichtsplattform in der Mitte des riesigen Raumes, des einstigen Gasometers. Für die Fotografen hatte er gerade den Stoff, der wie eine zusammengeraffte Gardine von der Schiene in gut 30 Metern Höhe herabhing, im großen Rund auseinandergezogen. Nun, da das Bild entfaltet ist, will er die Perspektive des Zuschauers einnehmen. Und dieser sitzt gleichsam auf dem teils zerstörten Dach der Leipziger Thomaskirche.

Man schreibt den 19. Oktober 1813, den Tag nach der Völkerschlacht. Am Horizont brennen noch die Dörfer. Napoleons geschlagene Truppen sind auf dem Rückzug. Die Sieger – nicht weniger vom Kriege gezeichnet – strömen in die Stadt. In den Straßen herrscht Gedränge. Zerschossene Fassaden, zerborstene Dächer, umgekippte Planwagen. Verwundete und Sterbende liegen auf dem Pflaster. Frauen beugen sich über sie. Fast glaubt man, das Schreien und Stöhnen dringe aus dem Bild.

Asisi ist zufrieden. Erleichtert verlässt er die Aussichtsplattform. „Das ist immer der spannendste Augenblick. Ich sehe das heute alles zum ersten Mal in dieser Gesamtheit.Der räumliche Eindruck ist fulminant“, ruft er. Nun bleiben ihm noch ein paar Tage für die malerische Vollendung des aus tausenden Fotos, Skizzen und Zeichnungen zusammengefügten Bildes, für die Ausleuchtung und die Abstimmung der Töne.

Am 3. August öffnet im Leipziger Süden das 360-Grad-Panorama „Leipzig 1813 – in den Wirren der Völkerschlacht“. Das er sich dieser Schlacht jemals künstlerisch nähern würde, hatte Asisi nie für möglich gehalten. „Sie war für mich, wie für die meisten Leipziger, vor allem durch das wuchtige steingraue Denkmal dokumentiert. Als ich jedoch begann, mir die Stadt in jenen Tagen vorzustellen, die Erlebnisse ihrer Bürger, dann erwachten für mich die Szenen.“

Und so braucht niemand zu befürchten, von den Kämpfern eines Schlachtenpanoramas umzingelt zu werden. Asisis Riesenbild erzählt davon, was Krieg in einer Stadt anrichten kann. Wandelnde Lichtstimmungen sollen die Impressionen des grauenvollen Tages noch eindringlicher machen. Und auch die Töne, die das letzte Donnern der Kanonen ebenso wiedergeben wie die sehnsuchtsvollen Lieder der Soldaten am Lagerfeuer.

Umgeben ist das Rundbild von einer Begleitausstellung über die Stadt Leipzig im Jahr 1813; in den Monaten vor der Schlacht, als es noch eine bunte, quirlige, weltoffene Stadt war. Zitate wie „Mein Leipzig lob’ ich mir“ wehen auf Stoffbahnen von der Decke. Eine Kniehebel-Druckerpresse symbolisiert die aufstrebende Verlagsstadt. Das Musterbuch einer Strohhutmanufaktur die Eleganz der Bürgerstadt. Wer sich das riesige Wimmelbild genau anschaut, wird manches entdecken, was noch heute in den Straßen Leipzigs existiert. Und vieles, was zwar die Völkerschlacht überlebte, aber nicht den Bauboom der wieder prosperierenden Messestadt fast 100 Jahre später. „Ich bin überzeugt“ so Asisi, „der Mensch wird nach einem Besuch im Panometer die Stadt mit anderen Augen sehen.“

In jedem Fall sollte er es nicht bei einem Besuch des Panometers belassen, denn Leipzig beschäftigt sich derzeit vielfältig mit den Ereignissen vor 200 Jahren. Vor wenigen Tagen öffnete im Grassimuseum für Angewandte Kunst die Ausstellung „Kanonenknall und Hausidyll“ zu Kunsthandwerk aus der Zeit der Völkerschlacht. Vom 4. September an wird das Stadtgeschichtliche Museum die Ausstellung „Helden nach Maß“ präsentieren, die sich der Rezeption der Befreiungskriege widmet und auf Spurensuche nach ihrem Anteil am nationalen Gründungsmythos der Deutschen geht. Die Stadtführer von Leipzig und Umgebung haben spezielle Touren ausgetüftelt: Den „Augenzeugenbericht des Dorflehrers Schumann aus Markkleeberg“ oder „Kriegserklärung – Marktfrau Marlene auf den Spuren der Völkerschlacht“. Oder auch ganz klassisch die Rundfahrt „Die Völkerschlacht 1813 bei Leipzig“.

Das Panometer aber gehört zum Pflichtprogramm der Jubiläumstouristen. Für Asisi ist das Rundbild das fünfte Panorama in Leipzig, der Stadt, in der er aufwuchs. Vor zehn Jahren begann er mit „8848’Everest360°“ jenen ehemaligen Gasbehälter zu nutzen, der ihm durch seine Ausmaße ermöglichte, die mit 3500 Quadratmetern größten Panoramen der Welt zu schaffen. Damals entstand aus Panorama und Gasometer auch die Wortfügung Panometer. Auch diesmal hat es sich der Künstler nicht nehmen lassen, sich im Bild verewigen zu lassen. Asisis Gesichtszüge finden sich bei dem Leipziger Zeichner Gottfried Heinrich Geißler, der das Leipziger Leben – und so auch die Völkerschlacht – zeichnerisch festgehalten hat. Er sitzt auf einem zerstörten Dachboden und schaut hinunter auf die Trümmer.

Das asisi Panometer Leipzig befindet sich in der Richard-Lehmann-Straße 114. Im Internet: asisi.de

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