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Kuschelig macht sich’s jeder gern – auf seine Weise.

© Jennie Ross/Gallery Stock/laif

Schöner wohnen: Versuch’s mal mit...

Wenn es draußen grau ist und nasskalt, hat man es drinnen gern gemütlich. Doch wie geht das im Weltall, ohne Obdach oder auf hoher See? Fünf Perspektiven.

Von

DIE DÄNEN SAGEN: HYGGELIG

André Schmidt, 42, Architekt, hat in Hongkong, Peking, Rotterdam und Dänemark gearbeitet und führt jetzt sein eigenes Architekturbüro, „Matter“, in Berlin

Gemütlichkeit, das ist ein Ort der Erholung und Entspannung, das Gefühl des Daheimseins. Sicher hat der Begriff bei einigen Leuten einen schlechten Ruf, nicht nur bei Architekten: weil ihm zu viel Rückwärtsgewandtes zugeschrieben wurde. Allerdings ist es nur der Ruf, nicht das Gefühl. Früher gab es zu viele dekorative Sinneseindrücke. Das Überladene führte zu dem Wunsch in der modernen Architektur, sich vom Ornamentalen zu befreien.

Dass sich so viele Menschen eher von historischer Architektur angezogen fühlen, hängt vielleicht auch damit zusammen, dass Gemütlichkeit etwas Bekanntes ausdrückt. Daheimsein bedeutet, dass einem die Umgebung vertraut ist, man Erinnerungen damit verknüpft. Auch beim Städtebau mögen viele das Gewohnte lieber, weil man sich da geborgener, sicherer fühlt.

Die Deutschen haben die Gemütlichkeit nicht gepachtet, auch die Dänen haben ein Wort dafür: hyggelig. Es geht um die gleiche Empfindung, das Wohlfühlen und die Wärme. Aber das dänische Wort ist nicht historisch belastet, das Konzept ist frei von dem, was Karl Kraus meinte, als er, erschlagen von der Überdekoration, sagte: Ich erwarte von einer Stadt, dass sie mir die Infrastruktur bietet, gemütlich bin ich selber. In Dänemark empfindet man den modernen Wohnungsstil als gemütlich. Auch bei uns ist der Wohntrend im Augenblick sehr skandinavisch: elegante Holzmöbel, Kerzen, eine gewisse Sparsamkeit in der Ausstattung, aber auch der Mut zu dekorativen Akzenten, zum Beispiel durch einen Teppich oder Mustern auf Stoffen.

Zu Hause schaffe ich Gemütlichkeit mit einer Kombination aus Materialien, ich mag den Mix. Man muss Kontraste aufbauen, um etwas hervorheben zu können. In einer Blockhütte ist Holz nichts Besonderes – vor einer Betonwand dagegen setzt sich ein hell gestrichener Holzboden ab, da tritt dessen Wärme noch viel stärker hervor. Das Gleiche kann man auch mit der Einrichtung erreichen, mit einzelnen charakterstarken Möbelstücken zum Beispiel. Außerdem schaffe ich dieses Gefühl mit Dingen, die mich an Vergangenes erinnern oder inspirieren, wie Kunst. Zur Gemütlichkeit gehört ganz viel dazu, neben dem Haptischen auch Lichtstimmung, Klang, Geruch.

Sie muss übrigens nicht mit klimatischer Kälte verbunden sein. Man benutzt den Begriff ja auch in Zusammenhang mit Restaurants. Ich denke, es hat etwas mit Enge zu tun – einen großen Ballsaal würde man nicht als gemütlich beschreiben. Deswegen fällt der Begriff im städtebaulichen Bereich auch eher in Verbindung mit Orten wie Tübingen.

In Asien versuchen die Leute eine ähnliche Stimmung zu erzeugen, nur eben mit anderen Mitteln, in China etwa mit Wasserspielen, Pflanzen, Wurzelmöbeln und mit Teezeremonien. Der Wunsch nach diesem Gefühl ist universell. Auch wenn man solche Dinge wie die deutsche Häkeldecke dort nicht findet. Die kann man bei uns inzwischen auch schon fast wieder auf den Tisch legen, wenn sie ein interessantes Muster haben oder von einem Häkel-Start-up gehäkelt wurden. Man macht sich von der Belastung des Begriffs frei. Bei den Dänen war das von vornherein entspannter.

SAMSTAGS AUF DEN MARKT

Katharina Buck, 36, aufgewachsen in Baden-Württemberg, lebt als Anwältin im australischen Sydney

Wer glaubt, dass in Sydney immer die Sonne scheint, war noch nicht im Juni, Juli hier. Zwölf Grad, monsunartiger Regen, da herrscht so eine fiese feuchte Kälte, die überallhin kriecht. So hab’ ich mir immer England im 19. Jahrhundert vorgestellt. Es gibt keine Zentralheizung, nur so kleine Elektro-Öfen, alles ist klamm. Dann ein schönes Bad und ein warmes, trockenes Handtuch, solche Momente zelebriere ich. Überhaupt: einfach mal zu Hause bleiben, vielleicht einen netten Film gucken – in einem Land, wo man sonst dauernd draußen lebt, ist das für mich gemütlich. Die Australier haben ja auch eine Sehnsucht nach Weihnachtsgemütlichkeit, wie wir sie kennen, die machen im Juli dann einen auf Weihnachtszauber mit „Christmas in July“.

Aber in den anderen zehn Monaten, wo man immer raus kann, schaffe ich mir mit bestimmten Ritualen so was wie Gemütlichkeit. Wir haben ein tolles Kino um die Ecke, da gehen wir oft am Freitagabend hin. Samstagmorgens der Markt, und hinterher einen Kaffee trinken, das ist immer ein Highlight. Oder: sonntags einfach mal nicht in den Supermarkt gehen, obwohl man es kann.

Wie schafft man sich Gemütlichkeit im All oder als Obdachloser?

EIN STOFFTIER UND AITMATOW

Alexander Gerst, 38, Geophysiker und Astronaut, war 2014 von Mai bis November im All

Ich brauche immer einen Platz, an den ich mich zurückziehen kann. Das ist auch auf der Erde so, wenn ich mit dem Rucksack reise. Abends will ich die Tür hinter mir zumachen, oder zumindest in meinen Schlafsack kriechen können. Auf der Internationalen Raumstation ISS konnte ich das, ich hatte eine eigene Schlafkabine. Sie ist nicht groß, ungefähr 0,6 Quadratmeter, das entspricht grob einer Telefonzelle, aber unter den Bedingungen der Schwerelosigkeit reicht das. Es ist Platz für den Schlafsack, da es ja egal ist, in welcher Lage man schläft. In der Kabine hat jeder auch zwei Laptops, an denen man arbeitet, aber auch mit der Familie telefoniert – was ich praktisch jeden Tag getan habe. Und man kann ein paar persönliche Dinge aufhängen, Fotos, das Stofftier, das mir meine Lebensgefährtin mitgegeben hat. Wir dürfen anderthalb Kilo mitbringen, das reichte auch noch für zwei Bücher, „Die Astronauten“ von Stanislaw Lem und Tschingis Aitmatows „Der Tag zieht den Jahrhundertweg“. Allerdings bin ich in dem halben Jahr, in dem ich oben war, kaum zum Lesen gekommen.

Ich fand es gemütlich, wenn man von ein paar Kleinigkeiten absieht: der Schlafsack ist relativ eng, vielleicht soll das so etwas wie ein Kuschelgefühl erzeugen, der Druck der Matratze oder der Decke fehlt ja. Und leider war mir der Schlafsack zu kurz, ich musste ihn an einem Ende auftrennen. Außerdem habe ich wie die meisten anderen Astronauten ein paar Gummibänder in meiner Kabine angebracht, weil die Arme und Beine immer wieder in dieselbe Grundstellung zurückkehren, ein bisschen so, als würde man im Wasser treiben. Man kann die Arme nicht wie auf der Erde unter den Kopf legen. Ich bin jemand, der sich auch auf der Erde oft umdreht im Bett, dafür sind die Bänder, damit die Arme auch da bleiben, wo man sie hin haben will.

Was einem in der Schwerelosigkeit ein bisschen fehlt, ist ein Couchgefühl. Ein- oder zweimal die Woche haben wir uns als komplette Mannschaft getroffen, also alle sechs, um zum Beispiel einen Film zu gucken oder man bringt etwas mit, einen Käse oder eine tolle Wurst, ab und zu wird uns so ein Bonusessen hochgeschickt. Das war gemütlich. Aber selbst beim Schauen eines Films muss man immer die Hand an irgendeinem Griff haben oder sich mit dem Fuß einhaken, um nicht davonzuschweben. Sich einfach mal in den Sessel fallen lassen, das geht nicht. Allerdings braucht man diese Form von Entspannung auch nicht so wie auf der Erde nach einem langen Tag, an dem die Beine die ganze Zeit das Körpergewicht tragen mussten.

IM SOMMER AUF DEM WARMEN RASEN

Waldemar Marx, 44, geboren als Deutschstämmiger in Olsztyn/Polen, lebt seitdem er Teenager ist, in Dortmund auf der Straße

Das ist nicht so einfach mit der Gemütlichkeit. Ich bin obdachlos, lebe eigentlich schon immer auf der Straße. So genau weiß ich das nicht mehr. Normale Menschen können einfach abends nach der Arbeit nach Hause gehen, es sich mit einer Wolldecke auf dem Sofa gemütlich machen. Ich kann das nicht. Gemütlich wird es für mich höchstens mal im Sommer. Dann kann ich mich einfach in den Park auf den warmen Rasen legen, da auch übernachten.

Jetzt im Winter wird es gefährlich draußen, da kann man schnell erfrieren. Wenn es richtig kalt ist, weiß man gar nicht mehr, was man machen soll nachts, wird gar nicht mehr richtig warm. Ich gehe oft morgens ins „Gast-Haus“ hier in Dortmund, in dem Obdachlosen-Café behandeln sie uns wie Menschen, und es gibt heißen Kaffee und Frühstück. Dort ist es warm und man kann duschen: Das ist gemütlich.

Schön ist es in den Daunen in der Übernachtungsstelle für Männer. Da lassen sie mich aber nur nüchtern rein. Das ist selten. Ich bin fast immer besoffen. Irgendwann bringt mich der Alkohol um. Manchmal lege ich mich einfach auf die Straße. Die Leute holen dann den Krankenwagen, in der Klinik schicken sie mich immer gleich wieder weg. Ich bin dort bekannt wie ein bunter Hund. Nur wenn ich nüchtern bin, fühle ich mich stark, wie ein Mann. Die Leute verachten uns Penner, schauen weg. Dabei sind wir keine schlechten, sondern nur arme Menschen.

FLACKERNDE LED-KERZEN

Elena Steil, 26, arbeitet als Shore Excursion Manager auf „Mein Schiff 2“

Ich habe eigentlich gar keine Zeit, es mir gemütlich zu machen. Auf dem Schiff arbeiten wir sieben Tage die Woche, von morgens früh bis abends spät. Aber wenn ich mal eine Viertelstunde habe, gehe ich raus aus dem Büro, ans Crewdeck, mit einem Latte Macchiato, da kann man sich schön hinsetzen, eine Zigarette rauchen, mit jemandem quatschen. Das ist dann gemütlich, auch wenn’s nur kurz ist.

Ich komme praktisch nur zum Schlafen in meine Kabine, aber ein bisschen kuschelig hab ich es mir schon gemacht. Aufs Bett hab ich eine Wolldecke gelegt (normalerweise hat man nur weiße Hotelwäsche), und an der Wand hängen Fotos von Freunden und der Familie. Was ich vermisse, sind richtige Kerzen, offenes Feuer ist an Bord ja nicht erlaubt. Aber ich hab’ mir zwei LED-Kerzen besorgt, die flackern sogar und werfen einen Schatten an die Wand.

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