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Mit der Kettensäge zum Traumhaus. Die Teilnehmer lernen sägen, entrinden und schleifen. Dabei fliegen reichlich Späne.

© Patrick Bauer

Selbst ist der Zimmermann: Blockhütten bauen für Anfänger

Es kommt der Tag, da muss die Säge sägen: Unser Autor träumte lange vom eigenen Blockhaus, Kaminfeuer, Whisky … Dann entdeckte er einen Crashkurs im Schwarzwald – und krempelte die Ärmel hoch.

In einem Nebenraum des Gasthauses „Zur Sonne“ in Schömberg im Schwarzwald dunkelt Ralph Pfersich die Fenster mit alten Pappen ab, dann schaltet er den Beamer an. Auf der Leinwand erscheint ein Haus, aus ganzen Baumstämmen zusammengezimmert. Dann noch eines und noch eines und noch eines – eine Diashow wunderschöner Blockhäuser soll als Appetitanreger dienen. Im Raum sitzen zehn Männer und eine Frau. Ralph Pfersich wirft gerade ihre Träume an die Wand. So wollen sie auch einmal wohnen. Oder zumindest so ein Klohäuschen haben. Darum haben sie den Kurs bei Pfersich belegt: „Blockhaus bauen“ in vier Tagen.

Die Berufe sind so vielfältig wie ihre Herkunft: Forstwirte, Mechatroniker, Weinbauer, Zimmermann, Physiker, Softwareentwickler, Geograf, Stahlformbauer. Sie sprechen Sächsisch, Steirisch, Schwäbisch oder Fränkisch. Im Gepäck hat jeder Zimmermannshammer, Zollstock, Bleistift, Gehörschutz. So hatte es Ralph, der Lehrer, in seiner E-Mail angeordnet.

Er ist Profi und Blockhaus-Experte. Über 80 Einfamilienhäuser, Jagdhütten, Carports, Ski- und Schlafhütten habe er schon gebaut, erzählt er. „Große Häusle, kleine Häusle, alles möglich“, sagt Ralph. Nach vielen Bildern ist die Show zu Ende. „Blockhausbau lernt man nicht in der Theorie“, sagt er. Endlich lässt er alle raus.

Schömberg liegt im Landkreis Freudenstadt. Rathaus, Gasthaus und Feuerwehrhaus bilden die Dorfmitte. Nachts brennen keine Straßenlaternen, die Ausgabe lohnt sich nicht für 480 Einwohner. Am Waldrand warten 15 Kettensägen aufgereiht am Boden. Wasserwaagen, diverse Messer und Stahlbürsten auf einer Holzbank. Ralph teilt die Teilnehmer in drei Gruppen ein: Frank, Jürgen, Andi und ich sind ein Team. Die Sonne strahlt.

Niemand ist zum Spaß hier

„Erst mal alle zwei Stämme holen, zweieinhalb Meter lang, und entrinden“, befiehlt Ralph im Baustellenton. Niemand ist zum Spaß hier. Die Weißtannen wurden vor drei Tagen gefällt. Rund 150 Kilo wiegt ein Stamm. Andi und ich schleppen ihn zu zweit und fangen an, ihn zu entrinden. Süßlicher Harzduft steigt auf. Baumsaft spritzt mir ins Gesicht. Das Messer gleitet über den äußeren, harten Jahresring. Ansetzen, Rinde abziehen, ansetzen. Simpel.

Der Schnellste ist Frank. Er nutzt die gewonnene Zeit für Kaffee und Kippe. Kein Wunder, er ist ja auch Zimmermann, das zeigt er uns Anfängern durch seine traditionelle Klufthose. Seine Bärenhände sind eindrucksvoll, der Dreck der letzten Wochen unter den Fingernägeln auch. Er hat in der Nähe von Chemnitz eine alte Gärtnerei gekauft und das Gebäude abgerissen. Auf das Grundstück will er ein neues Haus bauen, der erste Stock ist schon gemauert. Der zweite Stock soll mit Holz gebaut werden, im Blockhausstil.

Die Blockbauweise ist die älteste Technik, ein Holzhaus zu errichten. In der späten Bronzezeit, um 1300 bis 800 Jahre vor Christus, wurde sie zur typischen Bauform in Siedlungen in Mitteleuropa. Heute kennen viele die Balkenhäuser in Schweden oder Kanada. Für sie werden die Stämme zu geraden Balken gearbeitet. Ralph bringt uns die Naturstammbauweise bei. Wir arbeiten mit frischen, runden Stämmen. Vom Wald auf die Baustelle. Ein Stamm wird auf den vorherigen angepasst. Als Werkzeug braucht man nicht viel mehr als Axt, Schälmesser, Säge und Bäume.

Mehr hatte auch Henry David Thoreau nicht zur Hand, als er sich 1845 in die Einsamkeit der Wälder im US-Bundesstaat Massachusetts zurückzog. Sein Buch „Walden“ ist bis heute die Bibel für Aussteiger. Mein Traum klingt ganz ähnlich. Eine Blockhütte im Wald, ein See vor der Haustür. Ich sitze am Kamin, das Feuer knistert, der Whisky riecht nach Torf, draußen heulen die Wölfe.

Die Bauarbeiter zu meiner Rechten und Linken haben inzwischen die Stämme geschält, und ihre roten Gesichter erzählen etwas von der Anstrengung der ersten Stunden. Martin und Anita, ein Ehepaar aus Wien, wollen in ein paar Jahren nach Kalifornien auswandern. Die Kinder aus dem Haus, den Ruhestand im Blick wollen sie lernen, ihren Traum zu verwirklichen. Ein Grundstück haben sie in Kalifornien. Dort soll ein Blockhaus entstehen.

Seine Vision: ein Klohäuschen in Kanada

Dann ist da Jürgen, ein schwäbischer Häuslebauer. Groß und dünn, steht er immer konzentriert bei Ralph, wenn der uns erklärt, wie man richtig sägt. Er nickt dann immer. Neue Arbeitsklamotten hat er mitgebracht. Seine Visionen sind bescheidener: Er will ein Klohäuschen bauen, allerdings in Kanada bei seiner Tochter. „Dann kann man vom Klo in die Wildnis schauen“, sagt er. Seine Tochter hat schon die Bäume dafür gefällt. Und Andi, ein echter Waldtyp mit schwarzen Locken und kurzem Bart, will in Oberfranken neben das Haus seiner Mutter eine Blockhaus-Sauna stellen. Zum Ausspannen, wenn er sie besucht.

Die ersten Stämme sind entrindet. In meiner Hand liegt die Kettensäge. Ich ziehe am Anwerfseil. Nichts. Ralph schaut mich an. „Du hast schon mal eine Kettensäge benutzt, oder?“ – „Ja“, lüge ich. Er nimmt mir die Säge aus der Hand, stellt einen kleinen Hebel auf Kaltstart, zieht einmal am Seil, stellt auf Halbgas, zieht noch mal am Seil. Die Kette läuft. Profi eben. Durch die morgendliche Stille dröhnt der Klang der nächsten Tage.

Husqvarna 135, 102 Dezibel, 9000 Umdrehungen pro Minute. 7200 Kettenzähne fliegen pro Sekunde an mir vorbei. Mehr Mordwaffe als Werkzeug. Ich habe Angst um meine Beine, um meine Mitmenschen. Den ersten Stamm soll ich der Länge nach halbieren. Er wird später auf dem Fundament liegen. „Ganz genau am Strich entlang“, sagt Ralph. Ich setze an, drücke vorsichtig auf den Gashebel.

Nachts träume ich von der Motorsäge

Grobschliff. Frank und Jürgen sägen die Flanken, auf denen später der Balken liegen wird.
Grobschliff. Frank und Jürgen sägen die Flanken, auf denen später der Balken liegen wird.

© Patrick Bauer

Die Säge zerreißt die ersten Holzfasern, taucht in den Stamm wie ein Messer in weiche Butter. Sägespäne sprühen. Ich gebe Vollgas. Ich fixiere den waagerechten Strich. Aber meine Hände zittern. Einmal säge ich rechts oberhalb der Linie, einmal unterhalb davon. Ruiniere den Stamm. Eben sollte die Fläche sein, schief ist sie geworden. Der erste Tag meines Blockhaus-Kurses läuft nicht gut. Ralph legt seine Hand auf meine Schulter. Ruhig, wie meine Erzieherin im Kindergarten, sagt er: „Das wird schon.“ Ich glaube ihm nicht. Aber jetzt bin ich hier. Ich wollte machen, bauen, sägen. Ich dachte, ich könnte das.

Ralph Pfersich hat Werkzeugmacher gelernt und Forstwirtschaft studiert. Irgendwann in den 1990er Jahren, er fuhr gerade nach Hause, sah er einen Mann an einem Holzhaus werkeln. „Was machen Sie denn da?“, fragte Ralph. „Ein Blockhaus bauen, willste helfen?“, fragte der Mann. Ralph sagte: „Ja!“ Jetzt baut er seit über 16 Jahren Blockhäuser und gibt regelmäßig Kurse.

Abends sitzen wir im Gasthof „Zur Sonne“ und trinken Bier und Wein. Nur Frank nicht, der trinkt Cappuccino. Das Gespräch kreist ums Thema Holz, dazu hat jeder etwas zu sagen. „Muss man Bäume eigentlich bei abnehmender Mondphase fällen?“, fragt einer. „Ich finde Stihl besser als Husqvarna“, bekennt ein anderer. Nur Anita sagt nichts. Die liegt schon im Bett, weil sie der Tag mehr geschlaucht hat, als sie dachte.

Ich habe von der Motorsäge geträumt

Am nächsten Morgen liegen die ersten vier Balken auf dem Fundament. Für den Wandaufbau brauchen wir noch mehr Zweieinhalb-Meter-Stämme. Ich habe in der Nacht zwar von der Motorsäge geträumt, immer wieder an der Linie entlanggesägt. Besser geworden bin ich deshalb nicht. Ich soll millimetergenau die eingezeichnete Eckverbindung und Nut aussägen. Andi und ich geben unser Bestes. Aber Nut und Eckverbindung haben zu viel Luft. „Schlimm?“, frage ich Ralph. „Das Gewicht drückt’s runter“, sagt er. Der Tag vergeht. Balken für Balken scheitere ich aufs Neue.

Abends lege ich mich vorsichtig ins Bett: Die Handgelenke schmerzen, die Unterarme sind lahm, die Finger spannen, der Rücken knirscht und knackt, wenn ich mich drehe.

Am nächsten Morgen erfahre ich auch, warum. „Du musst die Kettensäge mit dem Beim stabilisieren“, sagt Andi. „Das ist mir schon gestern aufgefallen.“ Ein echter Freund. Hätte er mir ruhig schon gestern sagen können. Aber gut, besser spät als nie. Und tatsächlich, es hilft.

Während am Abend Frank wieder Geschichten von seinen Reisen als Monteur erzählt, ist Anita schon wieder so kaputt, dass sie nicht zum Abendessen erscheint. Jürgen plaudert über seine Radtour von Alaska nach San Francisco, und Andi berechnet derweil an seinem Laptop die Wärmedämmungswerte vom Haus seiner Mutter. „Ich will das noch mal überprüfen“, sagt er. Ich sitze einfach nur da und trinke einen Weißwein.

Andi und ich verschmelzen am dritten Tag zum Team. Entrinden, Auflegen, Messen, Sägen, Kontrollieren. Und alles wieder von vorne. Neben uns arbeiten Frank und Jürgen im Akkord. Und dann, irgendwann gegen elf Uhr ist der Moment gekommen. Ich schalte die Säge aus. Nehme Arbeitsbrille und Gehörschutz ab. Die Kanten beißen, die Nut schließt. Mein erster Blockhaus-Erfolg. Ich könnte nicht zufriedener sein. Ralph verteilt noch eine Runde Kuchen.

Die Sägespäne sehen aus wie Schnee

Mittwochnachmittag laufen wir auf einer dicken Schicht Sägespäne. In den Sonnenstrahlen sehen sie aus wie frisch gefallener Schnee. Ich benutze die Säge jetzt so selbstverständlich wie einen Stift. Kann mit ihr entlang der Linien arbeiten. Ralph sagt: „Ich habe doch gesagt, das wird.“ Jetzt glaube ich ihm. Jürgen ist so siegessicher, dass er mit Tattoo-Armlingen und Motorsäge auf der Hütte für Fotos posiert. Gewinnergefühle pur.

Kurz vor Sonnenuntergang räumen wir die Baustelle auf. Ich will ein paar krumme Nägel wegschmeißen. Ralph ruft: „Stopp! Mach mal Nagelstudio!“ Nägel werden nicht weggeschmissen, sondern gerade geklopft, lerne ich. Abends erzählt Ralph, wer schon alles bei ihm Kurse besucht hat. Über 6000 Teilnehmer. „Bankräuber, Partnervermittler, Kampfpilot, Bestatter“, zählt er auf, „Blockhausbauer kann eben jeder werden.“

An unserem letzten Bautag setzen wir unser Dach. Zum Glück ist ein Zimmermann in unserem Team. Der Firstbalken wiegt rund 250 Kilo. Unsere kleine Hütte ist fertig. Wir feiern mit den letzten Sonnenstrahlen Richtfest. Das kleine Häuschen leuchtet orangefarben. Frank soll einen Richtspruch vortragen. Er versteckt sich. Plötzlich ist dem lauten Frank etwas unangenehm. Das wäre dann doch zu viel der Aufmerksamkeit. Stattdessen nageln wir einfach einen Tannenzweig an den Giebel.

Wir sind mächtig stolz, auch wenn in unsere Hütte nicht mehr als drei kleine Kinder passen. Die aber werden sich freuen. Ralph verschenkt die Hütten nach den Kursen an Kindergärten und Spielplätze.

Nach vier Tagen Sägen, Hämmern, Schleifen und Bauen fahren wir wieder nach Hause. Bei Thoreau hatte ich gelesen: „Wollen wir denn ein für alle Mal das Vergnügen des Bauens dem Zimmermann überlassen?“ Nein. Niemals.

Mehr Informationen zu den Kursen gibt es hier.

Patrick Bauer

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