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Alfons Schuhbeck im Gerichtssaal in München am 5. Oktober 2022.

© AFP / Foto: AFP/Christof Stache

Starkoch Schuhbeck droht Gefängnis: Der tiefe Fall des Alfons S.

Der prominente Küchenchef war als Wirbelwind vielerorts zugange. Nun läuft gegen ihn ein Prozess wegen Steuerhinterziehung – nicht zum ersten Mal. Ein Gerichtstermin.

Vornübergebeugt sitzt Alfons Schuhbeck auf dem Stuhl im Gerichtssaal 134 des Münchner Justizpalastes. Es ist Tag drei und Geständnis Nummer zwei im Steuerprozess gegen den Starkoch. Holprig liest er vom Blatt ab: „Mir ist bewusst, dass mir Gefängnis droht. Diese Vorstellung macht mir Angst.“

Eben hat der 73-Jährige zugegeben, dass es noch mehr zu gestehen gibt als zwei Tage zuvor die Griffe in die Kasse seines einstigen Edel-Restaurants „Orlando“ am Platzl in München. Nein, die Anklage habe recht: Auch in Schuhbecks „Südtiroler Stuben“, ein paar Schritte vom „Orlando“ entfernt, habe er sich über Jahre hinweg am Baren bedient und damit die Steuern hinterzogen.

Bis dahin hatten seine Verteidiger noch versucht, an der Legende zu stricken, dass möglicherweise andere die Einnahmen gestohlen hatten. Schuhbeck könnte, so sein Anwalt Sascha König, „nicht Täter, sondern Opfer“ sein, „weil er betrogen wurde“. Diese Spekulation beerdigt Schuhbeck: „Es gibt keinen fremden Dritten.“

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Der durch seine vielen Auftritte im Fernsehen deutschlandweit bekannte Koch, den sie gemeinhin „den Alfons“ oder „Fonsi“ nennen, ist am Ende. Er stehe „vor den Trümmern meines Lebenswerks“, sagt er, als Unternehmer sei er „gescheitert“.

Alfons Schuhbeck: Bin als Unternehmer gescheitert

Warum Schuhbeck noch den kurzen Versuch unternommen hat, nur die Hälfte seines Betrugs zu gestehen, wird deutlich, wenn man auf die Rechtsprechung blickt. Laut Bundesgerichtshof ist bei mehr als einer Million Euro hinterzogenen Steuern eine Bewährungsstrafe nicht möglich, Verurteilte müssen in solchen Fällen ins Gefängnis.

Schuhbeck „verkürzte“, so der Fachbegriff in der Anklage, nach Auffassung der Staatsanwaltschaft die Steuer um knapp 2,4 Millionen Euro. Hätte ihm nur das eine Restaurant bewiesen werden können, wäre er womöglich – so muss seine Annahme gewesen sein – knapp unter der Million geblieben. Und er hätte nicht in den Knast gemusst.

Nach einem großen und langen Aufstieg zu einer sehr bekannten Persönlichkeit betrachtet das Publikum in München und anderswo nun den tiefen, ja bodenlosen Fall des Alfons S., wie sein Name in der Anklageschrift abgekürzt wird.

Zwischen 2009 und 2016 soll er das Geld aus den Kassen genommen haben. Mitangeklagt ist sein einstiger Computer-Experte Jürgen W. Dieser hat vor Gericht zugegeben, ein Tool entwickelt zu haben, mit dem Schuhbeck Rechnungen aus dem Kassensystem löschen konnte – um dann die Beträge in bar zu entwenden.

Herkunft aus bescheidenen Verhältnissen

Schuhbeck – das ist die Geschichte vom Sohn einer sicherlich nicht wohlhabenden Familie in Traunstein im Chiemgau. Der Vater war bei der Post, erzählt er im Verfahren, die Eltern hätten nicht genug Geld für ein eigenes Haus und einen studierenden Sohn gehabt. Sie haben sich fürs Haus entschieden. Die ungeliebte Lehre damals zum Fernmeldetechniker schmiss er, lieber zog er mit seiner Rockband „The Scalas“ durchs Land.

Im Kurhausstüberl in Waging am See wurde der dortige Wirt Sebastian Schuhbeck auf den jungen Mann aufmerksam – nicht wegen dessen Gitarrenkünsten, sondern wegen seines Interesses am Kochen. Er adoptierte ihn als Sohn, bis dahin hatte sein Name noch Alfons Karg gelautet. Aus dem Kurhausstüberl machte Schuhbeck ein hoch geschätztes Gourmet-Lokal, in das es die Prominenz zog – aus München, Oberbayern und dem Salzburger Raum.

Mir ist bewusst, dass mir Gefängnis droht. Diese Vorstellung macht mir Angst.

Alfons Schuhbeck

Schon 1990 stellte ihn der Bayerische Rundfunk als jungen Koch-Star vor. Die Moderatorin Carolin Reiber reiste nach Waging und ließ sich von ihm damals noch recht konventionell bekochen mit Ente, Blaukraut und Fingernudeln. Sein Geltungsdrang war da klar zu erkennen, er hatte schon Arnold Schwarzenegger und Mitglieder der Kennedy-Familie bekocht.

Zuvor war er auf Wanderschaft gewesen zu Spitzenköchen in Salzburg, Genf, Paris und London. In Waging am See wurde es Schuhbeck zu klein, 2002 zog er nach München ans Platzl, weltbekannt durch das dort gelegene Hofbräuhaus. Er eröffnete einen Betrieb nach dem anderen – die beiden Restaurants, einen Gewürzladen, eine Kochschule.

„Total bescheuertes“ Abrechnungssystem

Die Steuerfahnderin Alexandra B. ist nun an der Reihe. Sie rattert Zahlenkolonnen runter, die nicht nur Alfons Schuhbeck nicht versteht. Auf der einen Seite eines Schaubilds zeigt sie erklärte Umsätze, auf der anderen nicht erklärte. 200.000 bis 300.000 Euro seien dort im Jahr vor der Versteuerung aus der Kasse genommen worden, zwölf Prozent der Rechnungsnummern gestrichen. 2014 etwa hätten 571 Rechnungen gefehlt.

7 Monate
seiner dreieinhalbjährigen Haftstrafe wegen Steuerhinterziehung musste der frühere Fußballfunktionär Uli Hoeneß im Gefängnis verbringen, bevor er zunächst Freigänger wurde und später auf Bewährung entlassen wurde.

Die Vorsitzende Richterin am Landgericht München, Andrea Wagner, sagt, dass von 1100 untersuchten Tagen nur an 61 nichts entwendet worden war. Die Rede ist von durchschnittlich 380 abgezwackten Euro am Tag, an Silvester waren es auch mal 2100. Der mitangeklagte EDV-Experte W. sagt, dieses ganze System zur mutmaßlichen Steuerhinterziehung sei „total bescheuert“ gewesen.

Schon einmal wegen Steuerhinterziehung verurteilt

Schuhbeck hört sich die ganzen Zahlenfluten teilnahmslos an, seine Hände sind gefaltet. Der Tisch vor ihm ist leer. Er hat nicht einmal einen Block Papier und einen Stift dabei, um sich womöglich etwas zu notieren. Ein Mann hat sich aufgegeben, so wirkt das.

Klar ist: Sollten sich die Vorwürfe bewahrheiten, dann wäre Schuhbeck ein Steuerbetrüger mit ziemlich viel krimineller Energie. Schon 1994 war er wegen Steuerhinterziehung zu einem Jahr auf Bewährung und 250.000 D-Mark Geldstrafe verurteilt worden. Bis zu einem Urteil gilt die Unschuldsvermutung.

Was er mit den entwendeten Millionen gemacht hat, kann Schuhbeck nicht so richtig erklären. Mal hat es in einer seiner Firmen einen Engpass gegeben, mal in der anderen. Anders als bei ihm selbst wollte er seine vier Kinder studieren lassen, erzählt er. Vieles wisse er auch nicht mehr, woraufhin die Richterin Wagner bemerkt: „Erinnerungslücken sind in solchen Verfahren nicht hilfreich.“ Sein Anwalt fügt an, Schuhbeck habe 2013 und 2014 für Investitionen Darlehen in Millionenhöhe aufgenommen, die bedient werden mussten.

Insolvenz infolge der Corona-Pandemie?

Im vergangenen Jahr meldete Schuhbeck Insolvenz für sein Imperium an, denn Corona-Hilfen seien nicht angekommen. Die Finanzverwaltung indes sagt, alle berechtigten Mittel seien ausgezahlt worden. Seine Unternehmen gehören ihm nicht mehr, sondern unbekannten Großinvestoren.

Womöglich wäre Alfons Schuhbeck von vielem verschont geblieben, hätte er einen ordentlichen kaufmännischen Geschäftsführer für sein Reich eingestellt und sich nicht mit der Überlistung der Kassen-EDV befasst.

Ein Bild aus besseren Tagen: Alfons Schuhbeck bei der Teatro-Premiere im Jahr 2016 in München.
Ein Bild aus besseren Tagen: Alfons Schuhbeck bei der Teatro-Premiere im Jahr 2016 in München.

© Foto: imago/APress

Schuhbeck ist auch Koch der FC-Bayern-Kicker bei Auswärtsspielen in der Champions League, hat unzählige Kochbücher herausgegeben und an TV-Sendungen mitgewirkt. Mit seinem Namen wird für die noble Teatro-Dinnershow in München geworben.

Schon einmal stand in diesem Gerichtssaal 134 ein Prominenter wegen Steuerbetrugs vor Gericht: Uli Hoeneß, Patriarch des FC Bayern München, das war im März 2014. Dessen vorbehaltloses Geständnis über 28,5 Millionen Euro Steuerhinterziehung ersparte ihm nicht das Gefängnis, er erhielt dreieinhalb Jahre Haft. Nach sieben Monaten in Landsberg am Lech wurde er Freigänger und kam später auf Bewährung frei.

Promi-Bonus darf Alfons Schuhbeck nicht erwarten

Prominente haben vor Gericht einen schweren Stand. Denn im Gegensatz zu ihrem beruflichen Leben geben im Verhandlungssaal nicht sie den Ton an. Auch wollen Richter sich nicht nachsagen lassen, einen „Promi-Bonus“ zu gewähren.

Schuhbeck plauderte in seiner ersten Aussage launig über alles Mögliche, etwa die großartige Bedeutung von Gewürzen, natürlich durfte auch der von ihm viel gepriesene Ingwer nicht unerwähnt bleiben. Die Richterin ließ ihn gewähren, doch Einfluss auf das Urteil dürfte das nicht haben.

Was für ein Menschenfischer dieser Alfons Schuhbeck sein konnte, erkennt man beim Reinschauen in frühere Fernsehsendungen. In der Kochshow einst mit Johannes B. Kerner würdigt er seine Currysuppe mit zweierlei Linsen – die sei „gut fürs Herz und fürs Hirnkastl“.

Dem Nachfolger Markus Lanz attestierte er, dieser habe zwar „Hebammenhänderl“, die aber sehr gut für das Formen kleiner Fleischpflanzerl geeignet seien. Und im FC-Bayern-TV bereitet er mit dem Kicker Thomas Müller locker plaudernd Gemüse, Backhendl und Kartoffel-Gurken-Salat zu. Im Laufe des Prozesses hat der Bayerische Rundfunk Schuhbeck gefeuert. Schon fertig produzierte Sendungen mit ihm werden nicht ausgestrahlt.

Dagegen hilft auch kein Ingwer. Schuhbecks Lieblingsprodukt hat auch in dem Strafverfahren seinen festen Platz. Das Gericht gab dem Prozess den Namen „Ingwer“. Sie druckten es sogar auf die Presse-Karten. Vom „Ingwer-Prozess“ ist die Rede. Die Münchner „Abendzeitung“ titelt: „Ingwer und Insolvenz“.

Bei der Vernehmung eines Mitarbeiters fällt Richterin Wagner noch etwas ein: Was etwa passiere, wenn die Gäste getrennt zahlen wollten, will sie wissen und fügt noch hinzu: „Und was geschieht an der Kasse, wenn der Gast sein Gericht abändern will? Wenn er etwa keinen Ingwer im Essen haben möchte?“ Da lächelt Alfons Schuhbeck ein wenig, doch es sieht gequält aus. Am Donnerstag ist der letzte Prozesstag mit den Plädoyers und der Urteilsverkündung angesetzt.

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