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Menschen stellen an der Porta Nigra, dem Wahrzeichen Triers, Kerzen ab.

© Jean-Christophe Verhaegen/AFP

Update

Fünf Tote nach Amokfahrt: Trier trauert – und rätselt über das Motiv

In Trier hat ein Mann mit seinem Auto mehrere Menschen getötet und verletzt. Der Fahrer könnte nach Angaben der Ermittler psychisch krank sein.

Eine Amokfahrt wie in der Trierer Innenstadt lässt sich nach Einschätzung des rheinland-pfälzischen Innenministers Roger Lewentz nur schwer verhindern. "Wenn das Auto zur Mordwaffe wird, dann ist es schwierig zu sagen als Staat, das können wir zu 100 Prozent unterbinden. Nein, das können wir nicht", sagte der SPD-Politiker am Mittwoch in einem Interview im Deutschlandfunk. "Wie wollen Sie etwas verhindern, wenn ein Mensch sich entscheidet, sich ins Auto zu setzen und gezielt Menschen anzugreifen."

Nach bisherigen Ermittlungen hatte ein Mann mit einem PS-starken Geländewagen am Dienstag in Trier gezielt Menschen in der Fußgängerzone überfahren. Fünf Menschen starben, darunter ein neun Wochen altes Baby und sein Vater. 14 Menschen wurden verletzt.

Der 51-Jährige hatte 1,4 Promille im Blut

Der Fahrer des SUV wurde festgenommen. Es handelt sich hierbei um einen 51-jährigen Deutschen aus dem Ort Kordel im Kreis Trier-Saarburg. Das Tatfahrzeug war geliehen; auch bei dem Halter handelt es sich um einen Deutschen. Sicherheitskreise nannten den Namen Bernd Walter W. In den vergangenen Tagen soll er sich nicht in seiner Wohnung, sondern im Fahrzeug aufgehalten haben, teilte die Polizei mit.

Der dringend Tatverdächtige soll am heutigen Mittwoch dem Haftrichter vorgeführt werden. Der Staatsanwaltschaft zufolge gibt es Hinweise auf eine mögliche psychische Erkrankung bei dem 51-Jährigen. Der Mann war zur Tatzeit betrunken, bei ihm wurden 1,4 Promille festgestellt.

Trauer am Wahrzeichen der Stadt Trier

Am Mittwochvormittag wurde am Trierer Wahrzeichen Porta Nigra, einem historischen römischen Stadttor, der Opfer gedacht werden.

Nach Angaben von Lewentz war bisher kein Bekennerschreiben des Amokfahrers gefunden worden. Bei der Aufklärung komme es nun auf die Vernehmungen und die Bereitschaft des Verdächtigen an, seine Motive offenzulegen. Derzeit gingen die Ermittler davon aus, dass der Amokfahrer ohne organisierten Hintergrund gehandelt habe. Es gebe auch weiter keine Hinweise auf ein politisches Motiv. Der Mann hat der Polizei zufolge ausgesagt. "Er spricht mit uns", teilte ein Polizeisprecher mit. Zu Inhalten könne man aber zunächst keine Angaben machen.

Unterdessen hat die Polizei in Trier die Absperrung von großen Bereichen der Innenstadt aufgehoben. "Die Stadt ist wieder frei", sagte ein Polizeisprecher. Es werde zwar noch weitere Ermittlungen in geben, dafür seien aber keine Absperrungen mehr erforderlich.

Keine Poller, weil Weihnachtsmarkt abgesagt wurde

Minister Lewentz sagte, es wäre schwierig, eine Großstadt so abzusperren, dass man mit einem Fahrzeug nirgendwo Menschen angreifen könnte. "Eine Fußgängerzone ist allein deswegen befahrbar, weil natürlich dort viele Geschäfte sind, die permanent Lieferverkehre bekommen." Diese Bereiche müssten auch für Rettungsfahrzeuge offen sein.

Der Trierer Oberbürgermeister Wolfram Leibe (SPD) hatte am Dienstag gesagt, dass bei einem Weihnachtsmarkt Poller aufgestellt worden wären – der Markt finde aber coronabedingt nicht statt. "Wer rechnet mit so einer Tat, wer kann eine Innenstadt in dieser Dimension komplett absichern?" Möglicherweise hätte sich der Täter dann ein anderes Ziel gesucht. "Es gibt keine absolute Sicherheit", sagte er.

Die Tat wird von der Staatsanwaltschaft als mehrfacher Mord, Mordversuch und gefährliche Körperverletzung eingestuft. Es gebe keinen weiteren Tatort oder Hinweise auf Mittäter oder Komplizen des Festgenommenen, hieß es. Der Mann war zur Tatzeit betrunken, bei ihm wurden 1,4 Promille festgestellt.

Festnahme in Trier vier Minuten nach Alarm

"Dieses Ereignis erschüttert ganz Deutschland", sagte der rheinland-pfälzische Innenminister Roger Lewentz (SPD) am Dienstagabend in Trier. Der Täter sei gezielt vorgegangen und "Zickzacklinien" gefahren, um Leid zuzufügen. Das sei in ganz schlimmem Maße geschehen. "Vier Minuten nach Ersthinweis" sei der Mann festgenommen worden, sagte Oberstaatsanwalt Peter Fritzen. Der Fahrer sei "durch Kräfte des Polizeipräsidiums angehalten und überwältigt werden".

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In Sicherheitskreisen hieß es, zu Bernd Walter W. gebe es keine polizeilichen Erkenntnisse. Eine Krankheit wie Epilepsie sei möglich oder ein diabetischer Schock. Im SUV sei Insulin gefunden worden. In Kordel war zu erfahren, W. habe nur kurz im Ort gewohnt. Er sei im September 2019 in ein Appartement gezogen und habe es im April 2020 wieder verlassen. Bernd Walter W. habe alleine gewohnt.

Zu den Opfern zählen neben dem Baby eine 73 Jahre alte Frau, eine 25-Jährige, eine 52 Jahre alte Frau und ein 45 Jahre alter Mann aus Trier. Die Mutter des Babys liegt den Behördenangaben zufolge im Krankenhaus. Über den Tod der 52-Jährigen informierte die Polizei am späten Dienstagabend. Bundeskanzlerin Angela Merkel zeigte sich in einer Stellungnahme tief betroffen.

Der Vorfall ereignete sich am Dienstagnachmittag.
Der Vorfall ereignete sich am Dienstagnachmittag.

© Jean-Christophe VERHAEGEN / AFP

Der Fahrer sei gegen 13.54 Uhr in die Fußgängerzone gerast, sagte der Sprecher des Polizeipräsidiums Trier, Uwe Konz, dem Tagesspiegel. Zwei Minuten später sei der erste Notruf eingegangen. Kollegen in zwei Polizeifahrzeugen hätten den SUV gestoppt. Der festgenommene Fahrer sei nicht verletzt, aber auch noch nicht vernommen worden.

Im Video eines Anwohners, das im Internet kursiert, ist zu sehen, wie Polizisten in Zivil den Fahrer am Boden festhalten. Ein Polizeifahrzeug hatte den SUV von links gerammt. In Medienberichten heißt es, der Mann habe sich gegen die Festnahme gewehrt.

Fahrer hinterließ eine Spur der Verwüstung

Augenzeugen berichteten, dass Menschen durch die Luft geschleudert worden seien. "Wir sehen solche Bilder im Fernsehen ganz oft und denken das kann bei uns nicht passieren", sagte Wolfram Leibe, Bürgermeister in Trier. "Jetzt ist es auch in Trier passiert." Und weiter: "Alle sind damit beschäftigt, Verletzte und Schwerstverletzte im Moment in die Krankenhäuser zu bringen", sagte Leibe. Er sei nach dem Vorfall durch die Innenstadt gelaufen. "Es war einfach nur schrecklich", sagte er und schilderte, wie er einen Turnschuh eines Kindes gesehen habe.

"Was in Trier geschehen ist, ist erschütternd"

"Es kommen die furchtbaren Bilder vom Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt hoch", sagte ein Sicherheitsexperte dem Tagesspiegel. Fast genau vor vier Jahren, am 19. Dezember 2016, war der Islamist Anis Amri mit einem gekaperten Lkw in den Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz gefahren. Bei dem Anschlag starben zwölf Menschen, mehr als 50 wurden verletzt.

Die rheinland-pfälzischen CDU-Politiker Julia Klöckner und Christian Baldauf äußerten sich schockiert und betroffen. Sie seien erschüttert über die "Amokfahrt", teilten die CDU-Landeschefin und der CDU-Landtagsfraktionschef mit. "Unsere Gedanken sind bei den Verletzten vor Ort. Wir trauern mit den Angehörigen der Toten", erklärten sie.

"Was in Trier geschehen ist, ist erschütternd", erklärte Regierungssprecher Steffen Seibert auf Twitter. "Die Gedanken sind bei den Angehörigen der Todesopfer, bei den zahlreichen Verletzten und bei allen, die in diesem Moment im Einsatz sind, um die Betroffenen zu versorgen."

Im Februar hatte im nordhessischen Volkmarsen ein 29 Jahre alter Deutscher sein Auto absichtlich in die Menge gesteuert. Dutzende Menschen wurden verletzt. 2019 hatte ein 50-Jähriger in Bottrop in der Neujahrsnacht gezielt Menschen angefahren. Er wurde in die geschlossene Psychiatrie eingewiesen. In Münster war 2018 ein Mann mit seinem Campingbus in eine Gruppe gerast, es gab fünf Tote. Der Täter erschoss sich, die Ermittler gehen von einer psychischen Erkrankung aus. (mit dpa)

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