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Schloss Wustrau wird auch Zietenschloss genannt – nach dem preußischen General, der dort lebte.

© imago

Wanderungen mit Fontane: Wustrau: Wo alles begann

Einst lieferten sich hier zwei Kapitäne ein Seegefecht. Auch heute beschäftigen Provinzpossen die Wustrauer. Teil drei einer Fontane-Serie.

Am Anfang steht Wustrau. Hier, am Ruppiner See, beginnt Theodor Fontane den ersten Band seiner berühmten „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“ von 1862. Wustrau eignete sich idealtypisch für des Dichters Anspruch, seinen Landsleuten zu zeigen, „dass es in ihrer Nähe auch nicht übel sei und dass es in Mark Brandenburg auch historische Städte, alte Schlösser, schöne Seen, landschaftliche Eigentümlichkeiten und Schritt für Schritt tüchtige Kerle gäbe“.

In Wustrau bildeten die historische Kirche, das alte Schloss, der Ruppiner See und der tüchtige Zieten das erzählerische Potpourri, womit Fontane seine Leser in die Mark locken wollte. Die Hauptrolle im „Wustrau“-Kapitel spielt Hans Joachim Zieten, den Fontane als „Ahnherr aller Husaren“ bezeichnete und zeitlebens verehrte. Über dem väterlichen Sofa hing ein Kupferstich, der Friedrich den Großen mit seinen Generälen zeigte. „Wie oft habe ich vor diesem Bilde gestanden“, erinnert sich Fontane später, „und dem alten Zieten unter seiner Husarenmütze ins Auge gesehen, vielleicht meinen Lieblingshelden in ihm vorausahnend.“ Friedrich der Große spendierte Mittel für den Ausbau des Gutshauses in Wustrau. Zieten nannte es sein „Prachtschloss“; es ist noch immer die Attraktion im Dorf.

In Wustrau sind Fontanes Zutaten für einen erfolgreichen Tourismus nach wie vor gültig. Der Ort bietet sechs Lokale, zwei Museen und ein Schloss. Und alles gelegen an einem romantischen See, „der fast die Form eines halben Mondes hat“. Mit 14 Kilometern ist der Ruppiner See der längste in Brandenburg.

Die hiesigen Seeanrainer waren schon immer streitlustig

Wustrau über das Wasser zu erreichen, wie es einst Fontane tat, ist zurzeit nicht möglich. Zumindest mit dem Ausflugsdampfer, weil die entsprechende Anlegestelle seit mehr als einem Jahr gesperrt ist. Der Steg gehört einem Privatmann, im Kern geht es um die Frage, wer für den reparaturbedürftigen Bootsanleger verantwortlich ist und wer für die Sicherheit der Fahrgäste haftet. Die Provinzposse beschäftigt die Lokalzeitungen und nun auch die Neuruppiner Stadtregierung.

Klappbrücke an der Schleuse in Alt-Friesack.
Klappbrücke an der Schleuse in Alt-Friesack.

© Heike Jestram/stock.adobe.com

Streitlustig waren die Seeanrainer bereits zu früheren Zeiten. Fontane erzählt von einem Seegefecht, bei dem allerdings niemand zu Schaden kam. „In Ermangelung wirklichen Kampfes“ vereinbarten im Jahr 1785 der Sohn des alten Zieten aus Wustrau und der Sohn des alten Knesebeck vom gegenüberliegenden Karwe „eine Seeschlacht aufzuführen“. Die Knesebecker sollten angreifen und dann von den Wustrauern „in ihren Schilfwald“ zurückgeworfen werden. Die beiden Kriegskapitäne hatten die Rechnung aber ohne die Fischerflotte gemacht, die von einem befreundeten Offizier für die Karweschen angeheuert und im Schilf versteckt worden war. Die Wustrauer Verlierer „machten gute Miene zum bösen Spiel und sprangen lachend ans Ufer“. An der heutigen Uferpromenade erinnert an diese Geschichte die Brunnenskulptur „Seeschlacht“ des Künstlers Matthias Zágon Hohl-Stein.

Nicht weit von hier befindet sich das Hotelrestaurant „Theodors“ mit Blick auf den See. Fontane würde es schätzen, denn für Brandenburger Verhältnisse wird man hier kulinarisch auf hohem Niveau verwöhnt. Allein wie die frisch angerichteten Kartoffelpuffer mit Räucherlachs und Crème fraîche serviert werden, ist ein Fest. Essbare Blüten säumen Rotweinessig, der in Linien auf dem Teller arrangiert ist.

Von dieser Frau berichtet Fontane nicht

Der Neuruppiner See ist mit 14 Kilometern der längste See in Brandenburg.
Der Neuruppiner See ist mit 14 Kilometern der längste See in Brandenburg.

© Robert Rauh

Ist man gestärkt, haben Geschichtsinteressierte in Wustrau die Wahl: entweder ins Heimat- oder ins Brandenburg-Preußen Museum. In dem einen wird die Geschichte im Kleinen und in dem anderen im Großen und Ganzen präsentiert. Das Brandenburg-Preußen Museum befindet sich im Wandel – was am neuen Museumsleiter Stephan Theilig liegt. Der junge Historiker räumt ein, dass die ursprüngliche Dauerausstellung „wenig kontrastiv“ gewesen sei. Sie setzte ein „propreußisches Ausrufezeichen, ohne Wenn und Aber“. Dem wirkte Theilig gleich mit seiner ersten Sonderausstellung entgegen: „Türken, Mohren und Tartaren. Muslime in Brandenburg-Preußen“.

Nach so viel Geschichte ist Zeit für einen Kaffee. Auch dabei wird der Besucher kulturell verwöhnt. Gegenüber dem Eingang zum Badestrand bietet Ingelore Radke Kuchen und Kultur und immer wieder Fontane. Namensgeberin für das Café ist Constance, Gräfin von Zieten-Schwerin. Sie zog 1861 in das Schloss und bekam zu ihrem 70. Geburtstag 1908 von ihrem Gatten das neu errichtete Constance-Haus geschenkt. Es stand ungeachtet ständischer Schranken allen offen – und beherbergte Bühne, Bibliothek und Billardraum. 1878 gründete die Adlige die erste Kita in Wustrau. Von dieser tüchtigen Frau berichtet Fontane nicht. Ihn interessierten auch in Wustrau nur die „Kerle“, die Geschichte machten.

Fontane war hier einmal mehr als bekannt

Das Café ist im ehemaligen Theatersaal untergebracht. Wenn man Glück hat, serviert die Chefin persönlich den Kaffee und selbst gebackenen Kuchen wie die Heidelbeer-Joghurt-Torte. Am 6. Oktober feiert das Lokal sein 20-jähriges Bestehen – mit einer Lesung des Schauspielers Alexander Bandilla aus den Briefen der Namensgeberin.

Fontane besuchte Wustrau einmal mehr als bisher bekannt: Die digitale Edition seiner Notizbücher, die 2019 für alle zugänglich gemacht wird, verrät, dass er nicht nur 1859 und 1861 hier weilte, sondern auch 1864, um die zweite Auflage für seinen Ruppiner Band vorzubereiten. In allen Auflagen blieb Wustrau der Auftakt für die „Wanderungen“. Im Ruppiner Land so zu starten, ist auch heute empfehlenswert.

Der Autor schreibt den Blog „Neue Wanderungen durch die Mark Brandenburg“ (fontanes-wanderungen.de) und hat mit Erik Lorenz „Fontanes Fünf Schlösser“ (be.bra verlag) herausgegeben. Gerade erschien Rauhs Buch „Fontanes Frauen“, in dem er Vorbilder für literarische Figuren porträtiert.

Reisetipps für Wustrau

Hinkommen

Mit der Regionalbahn von Berlin aus in gut einer Stunde erreichbar, Tickets ab 6,90 Euro. Mit dem Auto über die A10 und A24 in etwa zwei Stunden.

Unterkommen

Doppelzimmer im Ferienhof Wustrau via Café Constance ab 70 Euro pro Nacht, cafe-constance.de.

Rumkommen

Gutbürgerliche Küche gibt es im Gasthof Zum Alten Zieten, Zum-Alten-Zieten.de.

Robert Rauh

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