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Gibt es jetzt auch für Zuhause: die Original Sacher-Torte aus dem gleichnamigen Hotel in Wien.

© Hotel Sacher

Wie wir die Welt nach Hause holen: Urlaub auf Bestellung

Reisen fallen aus, Globetrotter sind auf kaltem Entzug. Abhilfe versprechen Hotels und Regionen mit Care-Paketen. Ideen für das Feriengefühl zu Hause.

Der Tag beginnt mit einem Hauch Bali. Unter der Dusche das honiggelbe Gel auftragen, die Augen schließen, ah, Eukalyptus steigt in die Nase – und feststellen: Ja, so roch das Como Shambhala. Draußen klappert es. Könnten die Mönche sein, die vor dem Hotel einen Tempel mit Blumengirlanden und Gongs bestücken. Sind leider die Müllmänner, die eine Tonne über den Kreuzberger Innenhof zerren. Man ist eben nicht eine Viertelstunde von Ubud, sondern fünf Minuten von der U-Bahn entfernt.

Wir sollen nicht reisen, von fremden Ländern höchstens träumen. Die Welt ist eine No-Go-Area geworden, Polen plötzlich so exotisch wie Tonga. Traveller-Geschichten klingen nach Märchen aus einer vergangenen Zeit. Allerorten warten Risikogebiete statt Traumdestinationen. Fluggesellschaften, Reiseveranstalter und Hotelbetreiber verzeichnen bisher nicht erlebte Einbußen.

Für Weltenbummler ist das ein kalter Entzug. Die Trecks in den eigenen vier Wänden sind ausgetreten, die überraschenden Entdeckungen überschaubar. Hey, im Gewürzregal habe ich noch Himalaya-Tee gefunden – Ablaufdatum November 2013.

Kleiner Tempel auf dem Areal des Como Shambala Resort.
Kleiner Tempel auf dem Areal des Como Shambhala Resort.

© Ulf Lippitz

Nach Indonesien kommen Deutsche momentan gar nicht rein. Aber ein Stück des Como Shambhala dürfen sie bestellen, diese abgefüllte Flasche Erinnerung an das Wellnessresort, in dem sonst Stressgeplagte ihre Gesundheit mit Meditationen, Massagen und Müsli aufbessern. 300 Milliliter gegen Fernweh, für knapp 16 Euro (comoshambhala.com).

Mit dieser Staycation-Idee, zu Hause bleiben und trotzdem ein Urlaubsgefühl bekommen, steht das Resort nicht allein da. Einen Mausklick entfernt bieten Hotels, Regionen oder Agenturen Designerlampen, Badeutensilien oder Lebensmittelkörbe an, um Gäste bei Laune zu halten. Das Erlebnis der Welt ohne den Aufenthalt, dafür sensorisch mit Aromen, Geschmack und Tastsinn erfahrbar.

Mit nur einem Schritt aus der Dusche legt man die Entfernung von Bali in die Schweiz zurück. Das Chedi Andermatt, das Google als „edles Berghotel mit Spa und Pool“ listet, hat für Wehmütige ein Kuschelprogramm aufgelegt. Nichts schreit offenbar so sehr Chedi wie ein Bademantel.

Diesen Bademantel aus dem Chedi Andermatt darf man jetzt fürs eigene Bad bestellen.
Diesen Bademantel aus dem Chedi Andermatt darf man jetzt fürs eigene Bad bestellen.

© Chedi Andermatt

Früher hat mancher Gast die Statussymbole aus dem Badezimmer mitgehen lassen. Geht nicht mehr, nun können Flauschbedürftige sie online bestellen. Einfach eine E-Mail ans Hotel schicken (info@chediandermatt.com) und einen Mantel aus vier Größen auswählen. Nicht ganz das Schnäppchen mit 220 Schweizer Franken, also etwa 200 Euro. Aber wer sich lieber am Luxus berauschen möchte und weniger am schwankenden Inzidenzwert, der hat mit dem Baumwollteil eine Konstante in Krisenzeiten gefunden.

Schön weichgerubbelt geht die Reise um die Welt weiter. Nach dem Kaffee bietet sich ein Shoppingbummel an. Keine funky Läden, dafür schick gestaltete Webseiten. Wien, Paris, Italien. An der Grenze von Umbrien und der Toskana liegt das Castello di Reschio. Das Familienanwesen wurde vor einigen Jahren in ein Hotel umgebaut, die dafür verwendeten Möbel können Designfans nun für ihr Zuhause erwerben (bbforreschio.com). Das Hotel als Folie für die eigene Einrichtung, clever, gleich das Inneneinrichtungsbüro an den Tourismusbetrieb anzukoppeln.

Wäre auch was fürs Schlafzimmer: die Poggibonsi-Lampe aus dem Castello di Reschio.
Wäre auch was fürs Schlafzimmer: die Poggibonsi-Lampe aus dem Castello di Reschio.

© Promo

Wie wäre es mit der Messingbogenlampen aus dem Palmenhof für die Eingangshalle? Villenbesitzer in Wannsee finden sie bestimmt praktisch. Für Normalwohner fällt vielleicht die Nachttischlampe mit dem wohlklingenden Namen Poggibonsi ab, Messingfuss, drei Säulen und ein darauf thronender Pergamentschirm. Man kann sich leicht vorstellen, dass die Lampen für 3000 Euro zum Streitfall bei der Scheidung werden. Nicht ohne meine Poggibonsi!

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So bleiben Hotels und Regionen im Gespräch. Über Newsletter und soziale Medien hofieren sie Kunden. Schaut bei uns rein, nehmt ein Stück vom großen Erinnerungskuchen! Schals, Duftkerzen, Marmelade. Es bleibt dieser Industrie, die darauf spezialisiert ist, dass Menschen zu ihnen reisen, auf einmal gar nichts anderes übrig, als Gäste in den eigenen vier Wänden zu erreichen.

Aus Vor-Ort-Service wird Lieferdienst. Es droht ansonsten die Todesgefahr des Vergessens, der Gedächtnisverlust der Vielbucher. Also schreiben, anbieten, rausschicken. Ein Geschäft ist das nicht, eher ein Versuch, alle Seiten bei der Stange zu halten.

Ein Schutzanzug für die Außenwelt

Denn bisher sickern höchstens dürftige Tourismusnachrichten in die Newsfeeds, meist betreffen sie Hotelschließungen und Reiseeinschränkungen. Okay, nach Korsika dürften wir fliegen, aber ist das wirklich eine good news? Wie sieht es mit Aerosolverteilung in Flugzeugen aus? Welche Maske muss ich vor Ort tragen? Man bräuchte einen Schutzanzug vor der Außenwelt, den man sich umlegen kann.

Diese Gedanken verursachen schon beim Ausformulieren Stress. Schnell wieder die Haut befeuchten, damit sie nicht austrocknet in der Zentralheizungsluft. „Rain Face Mist“ steht auf dem Gesichtsspray. Die Luxushotelkette Aman vertreibt diese unter ihrem Label (shop.aman.com).

Vor 33 Jahren hat sie ihr erstes Hotel in Thailand eröffnet, eine Dschungelhalbinsel mit garantiert nicht barrierefreien tempelähnlichen Treppen zum Strand, von dort könnte der schwere Blütenduft stammen, der plötzlich durch die Wohnung wabert. Vorsicht bei der Dosierung: Zu viel von diesem Spray, und aus dem betörenden wird ein hausgemachtes Schwindelgefühl.

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Das dazugehörige Parfüm ist eher für hiesige Verhältnisse angemessen: Noten von Sandelholz, Wacholderbeeren und ein paar anderen Zutaten. „Alta“ heißt es, ein bisschen frei sein, ein bisschen high sein, und sich dabei so elitär fühlen wie die Gäste in der Lobby der Aman-Häuser.

Mittagessen, Erholung vom Einkaufstrubel. Eine Flasche roten Apfelsaft öffnen, die Wiesen Südtirols beschnuppern, hm, süß, kräftig, grasig. Die Region hat mit Pur Südtirol eine eigene Marke geschaffen, unter der sie regionale Produkte vertreibt, normalerweise in vier Geschäften, in diesen Tagen vor allem als Onlinekaufhalle (pursuedtirol.com).

Zum Schüttelbrot vielleicht etwas Herbes? Familie Steiner besitzt nicht nur ein Hotel im Altholzertal, das Autentic Adler, sondern auch eine Metzgerei, aus der sie Bauernspeck verkauft. Auf dem handgeschriebenen Zertifikat, das am Fleisch baumelt, stehen Einsalzdatum, Herkunftsort, Hofname, Hersteller und Körperteil. Was ist der „Schlegel“ beim Schwein? Zum Glück liefert das Adler eine Zeichnung mit. Aha, linke Arschbacke.

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Am Küchentisch darf man zwischen den Regionen hin- und herspringen. Aus der Emilia Romagna stammt das Olivenöl des Palazzo di Varignana, ein Wellnessresort mit eigenem Hain und Herstellung (palazzodivarignanafood.com).

In den richtigen Ferien würden Gäste sich nach dem Mittag an den Pool begeben, ein bisschen unter der Sonne rammdösen und anschließend träge ins Wasser gleiten. Zu Hause kann man dieses Gefühl wenigstens in Ansätzen nachleben. Das Abaton Resort auf Kreta hat mit der britischen Marke Orlebar Brown eigene Badehosen kreiert, auf denen der Hotelpool aus Drohnenperspektive abgebildet ist (eshop.abaton.gr).

Heizung hochdrehen, übers Laminat laufen, nervige Ferienclubmusik aufdrehen – alles mit spanischen Refrain funktioniert prima – und mit dem Resort am Hintern durch die Wohnung wackeln. Für Konversation einfach Sprachassistenten anstellen. „Alexa, wie teuer ist die Badehose?“ – „Die Badehose kostet 421 Euro. War diese Information hilfreich?“ Ja, um wieder auf den Boden der Tatsachen zu gelangen.

Auf der Badehose von Orlebar Brown ist das Abaton Resort abgebildet.
Auf der Badehose von Orlebar Brown ist das Abaton Resort abgebildet.

© Promo

In Stimmung kommt man günstiger mit Schampus: mit prickelndem Franciacorta-Rosé aus 56 Prozent Chardonnay und 44 Prozent Pinot Nero, gekeltert im Weingut Bellavista, das zum L’Albereta Resort gehört. Man kann sich vorstellen, das Glas auf der Hotelterrasse mit Blick auf Weinreben, Iseosee und Alpen zu genießen (über diverse Weinshops bestellbar).

Das Brenners Park-Hotel, Traditionshaus in Baden-Baden, versendet an seine Gäste regionale Weine. Am besten eine Email schreiben (information.brenners@oetkercollection.com) und nach den vorrätigen Flaschen fragen. Zum Beispiel einen weißen Cuvet, der passt ganz gut zur Egal-Stimmung des Nachmittags. Sanft schlummern, sacht träumen. Was täten wir, um jetzt dort die Nase von der Sonne kitzeln zu lassen und nicht auf den griesgrämigen Himmel vom Schreibtisch aus zu gucken?

Mit dem Memory-Spiel die Details des Waldhaus Sils studieren.
Mit dem Memory-Spiel die Details des Waldhaus Sils studieren.

© Ulf Lippitz

Natürlich, die Kinder wollen beschäftigt werden und nehmen keine Rücksicht auf Promille-Grade. Ein Memoryspiel wirkt wie Instant-Detox. Das Waldhaus Sils, Schweizer Urlaubstreffpunkt von Thomas Mann und Theodor Adorno, hat ein hübsches Spiel mit 72 Karten aufgelegt (waldhaus-sils.ch). Auf den Fotos muss man sich lauter Details wie Schlüsselbrett, Dienstbotenklingel und Loungesessel merken. Ob das die Wannenfüße aus dem Etagenbad sind, in das Hermann Hesse immer ging? Ja, Kinder, so sahen früher Schlüsselkarten aus: Metallskelette, die in den Taschen wie Goldstücke klimperten.

Der Nachmittag ist Naschzeit. Da fällt die Auswahl wirklich schwer. Aus dem Kloster Hornbach, heute ein Hotel in der Pfalz, gibt es die typischen Klostersteine – Nougatpralinen mit Waffelsplittern. Normalerweise legen Zimmermädchen den Gästen die Leckereien aufs Kopfkissen, jetzt muss es eine Onlinebestellung tun, 125 Gramm kosten 10,50 Euro und ein paar Sportübungen zur Wiedergutmachung (kloster-hornbach.de).

Ein Flair Paris mit Pralinen aus dem Le Bristol.
Ein Flair Paris mit Pralinen aus dem Le Bristol.

© Ulf Lippitz

Den Lockdown versüßt auch die Patisserie des Edelhotels Le Bristol in Paris. Pralinen mit Passionsfruchtgeschmack, Karamell oder Piemonter Haselnüssen, die sonst einen Steinwurf vom Élysées-Palast goutiert und nun in kakaobraunen Schachteln versendet werden. 25 Stück aus fünf Sorten schlagen mit 40 Euro zu Buche (lebristolparis.fr).

Noch üppiger fällt eine Sacher-Torte aus dem gleichnamigen Traditionshotel in Wien (shop.sacher.com) aus, das auf den Zusatz „Original“ großen Wert legt. Seit Schließung des Hotel Sacher im Herbst kommen die Konditoren teils gar nicht mehr mit den Bestellungen hinterher, vor Weihnachten verdoppelten sich die Anfragen – und die Wiener durften vor Ort einen Drive- In-Service nutzen: mit dem Auto vorfahren, kontaktlos bezahlen und Torten mitnehmen.

Goldschmuck aus Kenia

Für alle anderen bleibt nur die Zustellung, die per Eilpaket jedoch gut funktioniert. So eine Original-Torte kostet 42,90 Euro, die Schokoladenglasur ist beim Zuschneiden wirklich noch knackig frisch.

Vor dem Abendessen käme in echten Ferien ein Boutiquenbummel in Frage, um Andenken für die Daheimgebliebenen einzukaufen. Diese Saison bleiben alle daheim, Souvenirs gibt es trotzdem. Stephanie Elingshausen, Frankfurter Reisespezialistin für Individualurlaube, hat auf der Website Travel Treasures Andenken für Globetrotter zusammengestellt (travel-treasures.world): Goldschmuck aus Kenia, schwere Coffeetables aus Bali oder ein Wandteppich mit der Weltkarte von Designer Jan Kath.

Nicht alles streng genommen Mitbringsel – wenn man nicht gerade mit der eigenen Yacht unterwegs ist –, sondern eher Geschenkideen für Menschen, bei denen ein Urlaub totale Ausgabenpriorität hat. Auch eine virtuelle Reise ist eben kein Schnäppchen.

Diese Recherche wurde teilweise von den im Text angegebenen Hotels unterstützt.

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