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Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj trifft sich mit Bundeskanzler Merz, dem britischen Premierminister Starmer und dem französischen Präsidenten Macron in der Downing Street 10.

© dpa/TOBY MELVILLE

Krisendiplomatie: Kiew streicht acht Punkte aus US-Friedensplan – Trump wünscht sich Wahlen in der Ukraine

Die erste Fassung des US-Friedensplans stieß in Europa auf Ablehnung. Die neue Version kommt offenbar ohne „offen Ukraine-feindliche Positionen“ aus. Auch Trump hat sich wieder zu Wort gemeldet.

Stand:

Eine überarbeitete Version des US-Friedensplans für ein Ende des Ukraine-Kriegs soll nach Angaben der Staatsführung in Kiew heute an Washington übermittelt werden – und deutlich veränderte Züge tragen. Der von der US-Regierung ausgearbeitete Friedensplan sei inzwischen von 28 auf 20 Punkte gekürzt worden, teilte Präsident Wolodymyr Selenskyj ukrainischen Journalisten mit. „Die offen Ukraine-feindlichen Positionen wurden herausgenommen.“

Streitpunkt Gebietsabtretungen

Gebietsabtretungen an Russland, ein besonders heikler Punkt in den Gesprächen über eine mögliche Friedenslösung, schließt Selenskyj weiter strikt aus. „Wir haben nach dem Gesetz keinerlei Recht dazu – weder nach dem Gesetz der Ukraine noch unserer Verfassung oder dem Völkerrecht, wenn wir ehrlich sind“, wurde er von der Agentur Interfax zitiert. Russland beharrt indes weiter auf der Abtretung von Territorien im Osten der Ukraine. 

Selenskyj sagte in einem Interview mit dem Nachrichtenportal „Bloomberg“ am Montag mit Blick auf die Diskussion um Gebietsabtretungen: „Es gibt Vorstellungen der USA, Russlands und der Ukraine – und wir haben keine gemeinsame Sicht auf den Donbass.“

Die USA hatten ihren Plan für ein Ende des seit 2022 währenden Krieges in der Ukraine Ende November an Kiew übergeben. Der vielfach als „russische Wunschliste“ kritisierte und von Moskau gutgeheißene Entwurf wurde von der ukrainischen Staatsführung und deren europäischen Verbündeten abgelehnt – und in der Folge überarbeitet. Unter anderem sah er vor, dass die Ukraine die noch nicht von Russland eroberten Teile des Donbass (ungefähr 30 Prozent der Region) an Moskau abtritt.

Beamter: Washington will Russlands Willen durchsetzen

Gegenüber dem US-Nachrichtenportal „Politico“ sagte ein europäischer Beamter, der mit dem Verhandlungsprozess vertraut ist: „Die Amerikaner haben einen einfachen Blick auf die Sache: Russland will, dass die Ukraine Gebiet abgibt, und die Amerikaner denken darüber nach, wie das möglich zu machen ist.“

Die Amerikaner bestünden darauf, „dass die Ukrainer den Donbass aufgeben, wie auch immer das konkret aussehen soll“. Selenskyj formulierte es am Montag diplomatischer: Die Amerikaner suchten nach einem „Kompromiss“ in der Gebietsfrage.

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Die Ukrainer argumentieren gegenüber den Amerikanern, dass eine Aufgabe des Donbass Putin nur ermutigen würde, in Zukunft einen neuen Krieg zu starten. Und das aus einer besseren Position heraus. Im Donbass unterhält die Ukraine gut befestigte Abwehranlagen. Experten schätzen, dass Russland noch mehr als zwei Jahre bräuchte, um den gesamten Donbass einzunehmen.

Trump wünscht sich Wahlen in der Ukraine

Am Sonntag hatte Trump Selenskyj dafür kritisiert, dass der ukrainische Präsident angeblich die neueste von den USA an Kiew übermittelte Version des Friedensplanes noch nicht gelesen habe. „Seine Leute (gemeint sind seine Berater, Anm. d. Red.) lieben den Plan“, behauptete Trump, „aber er hat ihn nicht gelesen“. Er sei „etwas enttäuscht“, sagte Trump.

Am Montag wiederholte Trump in einem Interview mit „Politico“, das auch die wie „Politico“ zum Axel-Springer-Verlag gehörende „Bild“ veröffentlichte, die Vorwürfe gegen Selenskyj und erklärte, dass er hoffe, der ukrainische Präsident habe den neuen Plan über Nacht gelesen. Er müsse „in die Gänge kommen und Dinge akzeptieren“.

Weiter erklärte Trump in dem Interview, dass Russland aktuell in der stärkeren Verhandlungsposition sei und er sich Wahlen in der Ukraine wünsche. „Sie haben seit langer Zeit keine Wahl mehr gehabt“, erklärte Trump mit Blick auf die Ukraine. „Man redet von einer Demokratie, aber irgendwann ist es dann keine Demokratie mehr.“ Europa warf Trump vor, „nicht gut“ mit dem Konflikt umzugehen.

Kiew hat die Forderung nach Neuwahlen, wie sie auch Moskau schon mehrfach erhoben hat, immer mit dem Verweis auf das Kriegsrecht zurückgewiesen.

Selenskyj tourt durch Europa

Europa gibt sich derweil demonstrativ verbündet. „Unsere Positionen sind in allen Fragen aufeinander abgestimmt. Wir handeln koordiniert und konstruktiv“, teilte Selenskyj nach Gesprächen mit den Spitzen von EU und Nato am Montag auf der Online-Plattform X mit.

Nach Gesprächen über den aktuellen Stand der Friedensbemühungen, die er am Montag in London mit Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU), dem britischen Premierminister Keir Starmer und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron führte, war Selenskyj direkt weiter nach Brüssel geflogen. Dort informierte er Nato-Generalsekretär Mark Rutte, den Präsidenten des Europäischen Rates António Costa und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen über den Stand der Gespräche mit den USA zu einer möglichen Friedenslösung.

Wadephul skeptisch

Außenminister Johann Wadephul äußerte sich angesichts der russischen Forderungen nach Gebietsabtretungen durch die Ukrainer am Dienstag skeptisch zu den Erfolgsaussichten der aktuellen Verhandlungen über eine Friedenslösung für die Ukraine. „Ich bin noch nicht sicher, dass ein kompromissfähiges Papier am Ende des Tages auf dem Tisch liegen wird“, sagte der CDU-Politiker am Rande eines Besuchs in der südchinesischen Hightech-Metropole Guangzhou.

Es sei gut, dass an einem Kompromisspapier mit Ernsthaftigkeit gearbeitet werde, fügte er hinzu. Je weiter die Verhandlungen fortschreiten würden, desto kritischer und wichtiger würden die Fragen, die übrig blieben. „Dass die territorialen Fragen zu den schwierigsten gehören, das war von vornherein klar“, fügte Wadephul hinzu. Am Ende würden nur die Ukrainer darüber entscheiden können, betonte er. „Dass ihnen diese Entscheidungen nicht leichtfallen werden, das liegt auch vollkommen auf der Hand.“ (ben, dpa)

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