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2005 wurde die erste Entsalzungsanlage in Israel gebaut, inzwischen gibt es sechs – eine siebte ist in Arbeit.

© Shutterstock/Luciano Santandreu

Neue Pipeline in Israel: Wenn Wasser das politische Klima verbessert

Die Wasserversorgung Israels ist schon lange ein Streitpunkt mit dessen arabischen Nachbarn. Hightechfilter und Pipelines könnten diplomatischen Bemühungen Chancen eröffnen.

Das schwere Rolltor öffnet sich langsam, der Wachmann dahinter fragt nach Pass und weiteren Daten. „Parken Sie hier“, sagt er und zeigt neben sein Wachhäuschen. Ein paar Minuten später kommt ein Jeep angefahren, man muss ihm folgen bis zu einem ausgewiesenen Parkplatz, der Fahrer beobachtet einen so lange, bis man aus dem Auto ausgestiegen ist und in Empfang genommen wird.

„Das ist hier kritische Infrastruktur“, sagt Ashley Davidson. „Alle Wasserstandorte sind auch Sicherheitsstandorte.“ Davidson arbeitet für die israelische Wasseragentur Mekorot am See Genezareth im Nordosten Israels. Die Agentur verwaltet unter anderem das Pipelinesystem, mit dem Frischwasser durch das Land gepumpt wird.

Israel und das Wasser: Es ist eine Erfolgsgeschichte, einzigartig im Nahen Osten, einer der niederschlagärmsten Weltregionen, in der es seit Jahrzehnten Streit um die Wasserversorgung gibt. Am Beispiel des Sees Genezareth zeigt sich die Innovationskraft von Israels Wasserversorgung – aber auch, welche Rolle das Wasser bei diplomatischen Bemühungen in der notorisch konfliktbehafteten Region spielt.

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Israel hat seine Wasserversorgung für die kommenden Jahrzehnte gesichert. Auf drei Ressourcen greift das Land dabei zurück: Grundwasser, Meerwasser und den See Genezareth. Vor einigen Jahren sorgten sich die Israelis um ihren See, der im englischen „Galiläisches Meer“ genannt wird.

Eine verheerende Dürreperiode zwischen 2013 und 2018 brachte den Pegel des Sees auf ein historisches Tief. Dabei war er über lange Jahre ein zentraler Bestandteil der Trinkwasserversorgung in Israel. Dafür spielte auch das von der 1937 gegründeten Wasseragentur Mekorot verwaltete Rohrsystem eine Rolle – der National Water Carrier.

1953 begann der Bau des Systems. „Anfangs ging es vor allem darum, Wasser vom See Genezareth im Norden an die Küste im Westen und in den Süden des Landes zu bringen“, sagt Roni Kasher, Professor am Fachbereich Entsalzung und Wasseraufbereitung an der Ben-Gurion-Universität in der israelischen Negev-Wüste.

Dieses Wasser wurde von Israel damals auch aus dem Jordan entnommen – ein Umstand, der zu schweren Verwerfungen zwischen Israel und seinen arabischen Nachbarn führte. Sie warfen dem damals jungen Staat vor, sich ohne Einigung an dem Fluss zu bedienen, um die eigene Landwirtschaft anzukurbeln.

Eine Pipeline soll entsalztes Wasser zum See transportieren

In den vergangenen Jahren allerdings wurde nicht nur sehr viel weniger Wasser aus dem See und dem Jordan benutzt. Vielmehr entstand nach der dramatischen Dürreperiode der Plan, den See Genezareth mit dem Wasser aus dem Meer aufzufüllen. Die Wasserbehörde Mekorot baute eine Pipeline, die entsalztes Wasser vom Meer zum See transportieren soll.

13
Kilometer lang ist die Pipeline, die Wasser vom Meer zum See Genezareth bringt.

Der etwa 240 Millionen Euro teure Bau ist gerade abgeschlossen worden, Ende Dezember wurde die Pipeline eröffnet. Zwar ist der Pegel durch höhere Niederschlagswerte in den vergangenen Jahren wieder relativ stabil. Doch durch die Pipeline ist der Wasserpegel künftig besser regulierbar.

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Etwa 13 Kilometer lang ist die Pipeline. Sie ist mit dem Rohrsystem verbunden, durch das Wasser aus den Entsalzungsanlagen fließt. Denn entscheidend für Israels Wassersicherheit ist nicht mehr Wasser aus dem natürlichen Bassin im Norden, sondern die Hightech-Wasseraufbereitung an der Küste.

Inzwischen gibt es sechs Entsalzungsanlagen in Israel

Im Jahr 2005 wurde die erste Entsalzungsanlage in Israel gebaut, inzwischen gibt es sechs, eine siebte ist in Planung. Jede Anlage produziert dabei zwischen 90 und 150 Millionen Kubikmeter Wasser im Jahr. Die Anlagen funktionieren nach dem Prinzip der Umkehrosmose, bei der das Meerwasser durch eine Membran gepresst und so Salz und andere Stoffe herausgefiltert werden.

80 Prozent des Trinkwassers in Israel, das über den National Water Carrier verteilt wird, kommen aus dem Meer. „Wir könnten etwa 500 Millionen Kubikmeter im Jahr aus dem See entnehmen, nutzen aber derzeit nur etwa 100 Millionen“, sagt Ashley David von Mekorot. Durch den Erfolg der Entsalzungsanlagen wird das Wasser im See also inzwischen weniger genutzt.

„Israel war das erste Land, das diese Technologie großflächig verwendet hat“, sagt Roni Kasher, der zur Filtertechnik in den Entsalzungsanlagen forscht. Das Land schreibt den Bau einer neuen Anlage aus, private Firmen können sich dann um den Bau bewerben.

Das Know-how für die Entsalzungsanlagen wird zum Teil exportiert

Zwar sei die Technik nicht hier erfunden worden, die Verwendung in diesem Umfang sei jedoch in Israel einzigartig. „Wenn man das nicht gut plant, kann das sehr schiefgehen“, sagt Kasher. Das Know-how, der Betrieb einer Anlage und die Installation werde deshalb von den privaten Firmen, die die Anlagen betreiben, auch exportiert, etwa nach Spanien, Zypern oder Griechenland.

Der Erfolg von Israels Wasserversorgung ist aus seiner Sicht vor allem auf einen ganzheitlichen Ansatz zurückzuführen. Eine Mischung aus intelligenter Wassernutzung und dem Transportsystem des National Water Carriers seien dabei entscheidend. „Die Pipeline ist ein gutes Beispiel für diesen ganzheitlichen Ansatz“, sagt Kasher. „Frischwasserseen werden normalerweise zur Wasserversorgung angezapft; durch den Bau der Pipeline kehrt sich dieser Vorgang um, der See wird mit Wasser versorgt.“

Der See Genezareth kann ein guter Lagerungsort für das Wasser aus den Entsalzungsanlagen sein.

Roni Kasher, Wissenschaftler an der Ben-Gurion-Universität

Die Pipeline sei einzigartig, sagt Kasher. Sie sei zudem notwendig, da die Entsalzungsanlagen so viel Wasser produzierten, dass es direkt in das Rohrsystem gepumpt und verteilt werden müsse. „Der See kann ein guter Lagerungsort für das Wasser aus den Entsalzungsanlagen sein“, sagt Kasher.

Das Wiederauffüllen des Sees Genezareth mit Wasser aus den Anlagen spielt auch eine Rolle für das Abkommen mit Jordanien, das von Israel Wasser aus dem See bekommt. Das Wasser aus dem See wird über ein Rohrsystem vor allem ins Jordantal transportiert, „eine Gegend, die landwirtschaftlich sehr intensiv genutzt wird“, sagt Kasher. Etwa 50 Millionen Kubikmeter liefert Israel im Jahr nach Jordanien. Das Land hat wegen der eigenen wachsenden Landwirtschaft großen Bedarf – und leidet gleichzeitig unter extremer Wasserknappheit.

Für Jordaniens Wasserversorgung ist der Jordan von zentraler Bedeutung

Für die Wasserversorgung Jordaniens ist auch der zwischen beiden Ländern verlaufende Jordan-Fluss von großer Bedeutung, im 1994 geschlossenen Friedensvertrag zwischen Israel und Jordanien ließ sich das Königreich zusichern, dass es größere Mengen Wasser aus dem Fluss entnehmen darf, der in den See Genezareth mündet und südlich davon weiterfließt, bis er im Toten Meer endet.

Zuletzt unterzeichneten die beiden Länder bei der UN-Klimakonferenz in Ägypten im November 2022 eine Absichtserklärung, um bei der Rettung des Jordans enger zusammenzuarbeiten.

Der Wasserstand des Flusses ist durch Klimawandel und Verschmutzung bedroht – auch hier könnte die neue Pipeline künftig noch wichtig werden. „Sie könnte dabei helfen, den Jordan-Fluss zu retten“, sagt Roni Kasher.

Gute Wassertechnologie und gutes Wassermanagement können der Diplomatie helfen.

Roni Kasher, Wissenschaftler an der Ben-Gurion-Universität

Auf der UN-Konferenz wurde zudem die Absichtserklärung erneuert, Solarenergie aus Jordanien gegen Wasser aus Israel zu tauschen – eine Abmachung, die bereits Ende 2021 unterzeichnet und von den Vereinigten Arabischen Emiraten vermittelt wurde. Mit Geld aus den Emiraten soll in der jordanischen Wüste ein Solarkraftwerk zur Stromerzeugung gebaut werden. Israel, das nur knapp neun Prozent seiner Energie mit Erneuerbaren deckt, liefert Wasser im Gegenzug – 200 Millionen Kubikmeter Wasser sollen es dann im Jahr sein.

Ob aus den Absichtserklärungen tatsächlich eine neue Kooperation hervorgeht, bleibt allerdings abzuwarten – gerade mit Blick auf die neu gewählte, weit rechts stehende Regierung in Israel. In ihr sitzen Politiker wie der neue Minister für Nationale Sicherheit, Itamar Ben-Gvir, die in der Vergangenheit mit rechtsradikalen und rassistischen Äußerungen gegenüber Arabern auf sich aufmerksam machten.

Allerdings: Ein gemeinsames Interesse an Zusammenarbeit – gerade in Fragen der Wasserversorgung – könnte dabei helfen, die Beziehungen stabil zu halten oder zu verbessern. „Die Situation bezüglich Jordanien ist ein gutes Beispiel, wir haben gemeinsame Interessen, Israel kann Jordanien bei seinem Wasserproblem unterstützen“, sagt Roni Kasher. „Gute Wassertechnologie und gutes Wassermanagement können der Diplomatie helfen.“

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