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Auf diesem Bildschirmfoto ist der Gründer des Wagner-Zentrums, Jewgeni Prigoschin, in einer Videoansprache zu sehen (Archivbild).

© IMAGO/ITAR-TASS

Ukraine-Invasion Tag 439: Munitionsmangel nur vorgetäuscht? Prigoschins falsches Spiel mit Putins Generälen

EU erwägt Sanktionen gegen chinesische Firmen, Luftangriffe auf ukrainische Städte, Vorfall bei Frontex-Patrouillenflug. Der Überblick am Abend.

„Wo zum Teufel ist die Munition?“, brüllte ein sichtlich wütender Jewgeni Prigoschin am 4. Mai in die Kamera (wir berichteten hier). Wieder einmal beklagte er sich, dass seine Truppen zu wenig Munition aus Moskau bekämen. Das führe zu hohen Verlusten in seiner Truppe.

Ziel seines Zorns waren die Generäle in Moskau, also das Verteidigungsministerium. Prigoschins Drohung: Bis zum 10. Mai würden seine Männer die Stellungen in Bachmut räumen, wenn der Nachschub nicht käme. Das wäre einer Kapitulation Russlands im Kampf um Bachmut gleichgekommen. Kein Wunder, dass Prigoschin am Wochenende verkündete, das Verteidigungsministerium in Moskau habe eingelenkt und versprochen, mehr Munition zu liefern. Wagner will nun weiterkämpfen. Am Montag rückten seine Männer laut Prigoschin weitere 130 Meter in der Stadt vor. 

Wie es um Wagners Munitionslager bestellt ist, weiß wohl nur Prigoschin selbst. Informationen aus Bachmut deuten aber darauf hin, dass die Söldner in den letzten Wochen keinen Munitionsmangel hatten. Am 4. Mai feuerte Wagner 520 Mal auf ukrainische Stellungen in Bachmut, die höchste Schussfrequenz an der gesamten Front. Laut ukrainischen Soldaten, die in und um Bachmut im Einsatz sind und mit denen der polnische Militäranalyst Konrad Muzyka gesprochen hat, ist die Intensität des Artilleriebeschusses seit Wochen konstant. 

Wer sich aktuelle Videos aus Bachmut ansieht, kann kaum von einem Munitionsmangel ausgehen. Die verbliebenen Gebäude der Stadt, ohnehin nur noch Betongerippe, werden nach und nach in Schutt und Asche gebombt. Videos von Phosphorbombenabwürfen, die weite Teile der Stadt in gleißendes weißes Licht tauchen und tausende kleine Feuer entfachen, machten in den vergangenen Tagen in den sozialen Netzwerken die Runde. 

Bleibt die Frage, warum Prigoschin mit großer Geste Unsinn verbreitet? Eine mögliche Erklärung: Der Kreml hatte eine Eroberung Bachmuts bis zum Nationalfeiertag am 9. Mai vorgegeben, um an diesem Tag wenigstens einen kleinen Sieg verkünden zu können. Der angebliche Munitionsmangel könnte eine Entschuldigung dafür sein, das Ziel nicht erreicht zu haben. Jetzt wird es eine Siegesfeier in einem Krieg, den Russland nicht mehr gewinnen kann. Aktuell nicht einmal in Bachmut.

Die wichtigsten Nachrichten des Tages

  • Keine Güter für Waffen an Russland ausführen: Die EU erwägt in einem neuen Sanktionspaket gegen Moskau offenbar auch Strafmaßnahmen gegen chinesische Unternehmen. Peking warnt vor der Umsetzung. Mehr hier. 
  • Luftalarm in zwei Dritteln des Landes: Russland soll die Ukraine mit 16 Raketen und 35 Drohnen angegriffen haben. Die Drohnen sollen laut ukrainischem Generalstab alle zerstört worden sein. Mehr hier.
  • Zum internationalen Gedenktag zum Sieg der Alliierten über Nazi-Deutschland äußert sich der ukrainische Präsident optimistisch: Russland werde auf die gleiche Weise besiegt werden wie der Nationalsozialismus damals. Mehr hier.
  • „Uneingeschränkte Unterstützung bekräftigen“: Von der Leyen reist bereits zum fünften Mal in die Ukraine. Die EU-Kommissionspräsidentin und der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj wollen sich in Kiew treffen. Der Besuch findet am 9. Mai, dem Europatag, statt. Mehr hier.
  • Vorfall bei Frontex-Patrouillenflug: Über dem Schwarzen Meer hatte es einen Zwischenfall mit einem russischen Kampfjet gegeben. Warschau beanstandet das „aggressive und gefährliche Manöver“. Mehr hier.
  • Russische Geheimdienste inszenieren offenbar Demos im Ausland: Mehrere Medien haben recherchiert, dass Russland Demos im Ausland unterwandert oder gar inszeniert. So solle Stimmung gegen die Ukraine gemacht werden. Mehr hier. 
  • Russland soll gezielt Arbeitsmigranten aus Zentralasien für den Dienst in der Ukraine anwerben. Anwerber, die tadschikisch und usbekisch sprechen, würden Menschen in Einwanderungsbehörden ansprechen, berichten britische Geheimdienste. Teilweise würden Anwerber auch Moscheen aufsuchen. Für seinen neuesten Lagebericht zitiert das Verteidigungsministerium in London einen Bericht von „Radio Free Europe“: Demnach werde den Migranten eine Prämie von 2.390 US-Dollar und ein Gehalt von bis zu 4.160 US-Dollar pro Monat angeboten. Zudem werde ihnen ein erleichterter Zugang zur russischen Staatsbürgerschaft versprochen. Mehr in unserem Liveblog.
  • Russland bestätigt die Evakuierungen aus den Gebieten um das Kernkraftwerk Saporischschja. Etwa 1679 Menschen, darunter 660 Kinder, seien aus den umliegenden Gebieten des AKWs zum temporären Unterbringungszentrum in Berdjansk gebracht worden, teilt der von Moskau eingesetzte Gouverneur des von Russland kontrollierten Teils der Region Saporischschja, Jewgeni Balizki, auf seinem Telegramm-Kanal mit. 
  • Russland verstärkt ukrainischen Militärangaben zufolge den Beschuss von Bachmut, um die Stadt bis Dienstag einzunehmen. Die russischen Streitkräfte hätten den Beschuss der Stadt mit schweren Waffen intensiviert, würden modernere Ausrüstung einsetzen und ihre Truppen umgruppieren, sagt Generaloberst Oleksandr Syrskyj, der ukrainische Befehlshaber der Bodentruppen, nach einem Besuch an der Frontlinie in Bachmut.

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