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Die US-Band Rage Against The Machine mit Sänger Zack de la Rocha (l.) und Gitarrist Tom Morello treten beim Lollapalooza auf.

© Alberto Martin/dpa

Headliner beim Berliner Festival: Was haben Rage Against the Machine beim Lollapalooza zu suchen?

Die legendäre US-Politband ist Headliner beim Lollapalooza. Verrat an Idealen wittern die einen – oder ist alles doch nur ein subversiver Coup? Eine Glosse.

Eines muss man dem viel gescholtenen Lollapalooza-Festival in Berlin doch lassen: Das Booking ist immer wieder für eine Überraschung gut. Im vergangenen Jahr dachte man, die Zeit der Rockbands sei endgültig vorbei. Billie Eilish? Twenty One Pilots? Swedish House Mafia? Pfffff! Aus Sicht eines in den neunziger Jahren sozialisierten Gitarrenmusik-Fans war das belangloses Radio-Gedudel. Das Publikum schien im Altersdurchschnitt dort dann auch zwischen Pubertät und Abitur angesiedelt zu sein.

Doch in diesem Jahr dürften die aussterbenden Zünfte der Metaller, Rocker und Punker noch einmal zum großen Schaulaufen am Olympiastadion zusammenkommen. Rage Against the Machine sind die erste Bestätigung für das Anfang September stattfindende Festival. Jene Band, die mit ihrem Crossover-Sound aus Rock, Rap und Funk eine ganze Generation politisierte. Ein Poster mit dem Cover ihres Debütalbums – der brennende buddhistische Mönch Thich Quang Duc – hing Mitte der Neunziger über jedem zweiten Abiturienten-Bett.

Sie lieferten den Soundtrack für den globalen Kampf gegen Kapitalismus, Krieg und soziale Ungerechtigkeit. Das revolutionäre Pathos des Sängers Zack de la Rocha, die Che-Guevara-Flagge auf dem Verstärker des Gitarristen Tom Morello. Das Nichteinverstandensein der Spätadoleszenten kulminierte in parolenhaften Slogans wie „Fuck you, I won’t do what you tell me!“ aus dem Song „Killing in the Name“.

Alles nur ein genialer subversiver Coup?

Kaum vorstellbar, dass de la Rocha und Morello in Berlin zwischen den Werbeständen von Fastfoodketten und Drogeriemärkten herumschlendern. Dabei ist das Tagesticket für 89 Euro sogar beinahe ein Schnäppchen, spielt die Band doch auch beim Coachella-Festival im kalifornischen Indio, wo die Eintrittspreise bei 500 Dollar beginnen. Bei ihrem Einzelkonzert in Washington D.C. muss man mindestens 250 Dollar zahlen. Dort spielt das Quartett in der Capital One Arena, benannt nach einem der größten Finanzdienstleister. Fuck capitalism!

1996 hatten Rage Against the Machine bei einem Berlinbesuch die Verbundenheit mit der Subkultur noch mit einem Geheimkonzert im selbstverwalteten Tommy-Weisbecker-Haus unterstrichen. Keine Werbung, zehn Mark Eintritt. 2008, als die Band schon einmal zu einem Reunion-Konzert in der Zitadelle Spandau auftrat, verkaufte sie T-Shirts mit dem Aufdruck „The Battle of Berlin“ für 30 Euro das Stück. Schon damals gab es Vorwürfe, dass sie nach Jahren der Abstinenz nur die größten Bühnen aussuchten – um sich dann mit gefüllten Taschen wieder ein schönes Leben als Rockrentner zu machen.

Und so spotten ehemalige Fans nun: Die einzige Wut gegen die Maschine würden jene Mittvierziger ausleben, die am Morgen des Ticketvorverkaufs fluchend vor dem Computer sitzen, weil sie doch gleich ins Business-Meeting müssen und der Server ausgelastet ist.

Vielleicht ist ja aber auch alles nur ein großer, genialer Coup. Eine lange geplante subversive Unterwanderung, ein perfider Protest gegen die Kommerzialisierung. Beim Lollapalooza im Jahr 1993 in Philadelphia protestierten die Bandmitglieder gegen die „Parental Advisory“-Kampagne, die vor nicht jugendgerechten Songtexten warnt. Nackt, mit zugeklebten Mündern standen sie für 25 Minuten da – lediglich begleitet von grellen Feedbackschleifen. Gespielt wurde an diesem Tag kein einziger Song. Sollte sich das hier beim Lollapalooza wiederholen, könnte es wirklich zu einem Battle of Berlin kommen.

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