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Kultur: „ Sie werden noch von mir hören!“

Die neue Kulturstaatsministerin Christina Weiss im Gespräch über Haushaltsnöte und programmatische Sehnsüchte, über Opernreformen und eine deutsche Filmakademie

Kultur muss sparen wie nie zuvor. Aus zahlreichen Theatern hört man Hiobsbotschaften, die Berliner OpernSpardebatte ist auch noch nicht zu Ende. Können Sie da als Kulturstaatsministerin mit wenig Geld und wenig politischer Macht noch die Stimmung heben?

Ich nehme die schlechten Nachrichten als Bestätigung dafür, wie wichtig Politiker sind, die sich für die Kultur einsetzen. Es stimmt ja nicht, dass kein Geld mehr da ist. Aber die Gerechtigkeit der Verteilung wird durch die Prioritätensetzung beeinflusst – und in den Länder-Parlamenten und Kommunen gibt es immer weniger Politiker, die noch an Kultur denken. Natürlich ist es schrecklich, wenn uns flehentliche Bitten um Finanzhilfen ereilen und wir diese Bitten nicht erfüllen können. Viele Probleme lassen sich mit Geld allerdings nur camouflieren, aber nicht lösen.

Als Kultursenatorin in Hamburg konnten Sie sich deutlicher einmischen und immerhin neue Theater- und Opernchefs berufen.

In den zehn Jahren als Senatorin konnte ich mit einigen Berufungen Akzente setzen. Aber genauso wichtig waren die teils harten, oft von heftigen Debatten begleiteten Reformen, die wir realisiert haben. Daran fehlt es noch in großen Teilen unseres Landes: an dem Mut, sich von überkommenen Aufgaben zu trennen. Eines der wenigen positiven Beispiele ist das sächsische Kulturraumgesetz, das Ministerpräsident Biedenkopf nach der Wende gemeinsam mit Kunstminister Meyer durchsetzte. Da wurde die gesamte Kultur auf den Prüfstand gehoben und entschieden, welches Kulturangebot bleibt und was gestrichen wird. Das war sehr mutig.

Ist es nicht etwas zuviel Zurückhaltung, wenn man im Berliner Opernstreit erst durch einen Offenen Brief der drei Opernintendanten erfährt, was Sie von dem Stiftungsmodell des Kultursenators halten?

Dass aus einem internen Gespräch mit einigen Ratschlägen ein Offener Brief wurde, ist in der Tat eine befremdliche Methode, die nicht zur Lösung des Problems beiträgt. Die Berliner Opernfrage ist auch nicht mein Thema, und der Stadt wäre nicht geholfen, wenn der Bund ihr eine Oper „abkaufen“ würde. Deshalb habe ich mich nicht öffentlich eingemischt, aber Gespräche mit allen Beteiligten geführt. Selbstverständlich hat mich Senator Thomas Flierl über sein Modell informiert, das drei unabhängige GmbHs unter einem Stiftungsdach vorsah. Ich kann dieses Modell akzeptieren. Auch das am 22. Dezember vorgestellte Alternativmodell erscheint gut möglich, weil hier eine Entscheidungsebene wegfallen würde. Ob man eine Stiftung oder das freie Nebeneinander von GmbHs bevorzugt, müsste aber auch von der Kooperationsbereitschaft der Mitarbeiter abhängig gemacht werden.

Soll Flierl notfalls die Intendanten ziehen lassen, um seine Reform zu retten?

Ich an seiner Stelle würde mich um eine einvernehmliche Lösung bemühen. Künstler sind nicht ohne weiteres austauschbar.

Könnte es sein, dass der Kanzler wieder einspringt – beim Streit um das Salär von Daniel Barenboims Staatskapelle spendierte er dreieinhalb Millionen Mark und überraschte auch seinen Kulturstaatsminister.

Unsere Kooperation ist bisher sehr gut. Eine zweite „Aktion Staatskapelle“ sehe ich nicht.

Sind Sie denn bereit, die Berliner Opernreform, wie angekündigt, mit einem Abfindungsfonds finanziell zu unterstützen?

Der Bund wird sich nicht einklinken, es sei denn, es liegen von Seiten der Opern drei klare Wirtschaftspläne auf dem Tisch mit eindeutigen Aussagen über Einsparpotenziale. Erst dann können wir über Zwischenfinanzierungen sprechen. Bei einer wirklichen Strukturreform würde sich aber meines Erachtens ein Sozialplan erübrigen. Ich würde die Stadt lieber in anderer Weise entlasten und die finanzielle Verantwortung für Institutionen übernehmen, die tatsächlich Bundesaufgaben erfüllen.

Welche sind das außer denen, die der Bund ja schon übernommen hat, wie die Berliner Festspiele oder das Jüdische Museum?

Zum Beispiel die Stiftung Deutsche Kinemathek, die der Bund anteilig finanziert und die über eine beeindruckende filmhistorische Sammlung verfügt. Der Bund finanziert ja bereits das Archiv der Akademie der Künste, das Gleiche sollte auch bei der Kinemathek geschehen. Wir sollten im Hinblick auf den nächsten Hauptstadtkulturvertrag, der 2004 abgeschlossen wird, besser über die Finanzierung dieser Einrichtungen diskutieren als über die Opernfrage.

Wird der Bund sich dann auch endlich für die „Topographie des Terrors“ engagieren? Der Ort ist historisches Erbe des Gesamtstaates, und es gibt den außergewöhnlichen architektonischen Entwurf von Peter Zumthor. Zurzeit steht dort nur eine Bauruine.

Der Bund hat sich bereit erklärt, die Hälfte der Kosten von insgesamt 38,8 Millionen Euro zu tragen. Diese Absprache zwischen uns und dem Land Berlin bricht man nicht so ohne weiteres. Hinzu kommt, dass Gedenkstätten Ländersache sind und dass die Regelung der hälftigen Bundesbeteiligung an Gedenkstätten von überregionaler Bedeutung Grundsatz des 1999 verabschiedeten Gedenkstättenkonzeptes ist. Eine Ausnahme im Falle der Topographie würde andere Gedenkstätten benachteiligen. Außerdem gibt es ja nicht nur Kosten-, sondern auch konkrete Umsetzungsprobleme. Diese Fragen muss Berlin gemeinsam mit dem Architekten lösen. Ich hoffe, das gelingt, denn auch ich bin von Zumthors Entwurf fasziniert.

Was wird aus den Berliner Festspielen, die der Bund alleine verantwortet und die in ihrem eigenen Haus kaum auf die Beine kommen? Sind die Festspiele – im Vergleich etwa zu den Wiener Festwochen – strukturell unterfinanziert oder fehlt es an Konzepten?

Es gibt keine strukturelle Unterfinanzierung. Es gibt höchstens Strukturen, die ihrem Budget nicht entsprechen, und dafür verantwortliche Geschäftsführer. Im übrigen ist das Budget der Festspiele in den letzten Jahren nicht gesunken, sondern gestiegen. Probleme gibt es bei den Festwochen. Die Berlinale, das Theatertreffen und das Jazzfest als Bestandteile der Festspiele laufen ja sehr gut. Für die Festwochen besteht ein neues Konzept, das in diesem Jahr möglicherweise wegen eines nicht überzeugenden Marketings nicht aufgegangen ist. Die Öffentlichkeit hat zu wenig erfahren, was da von September bis November in Berlin alles an Veranstaltungen angeboten wurde.

Welche Konsequenzen ziehen Sie daraus?

Intendant Joachim Sartorius hat vom Aufsichtsrat den Auftrag erhalten, die Mängel zu beheben. Schon nach einer einzigen Saison personelle Konsequenzen zu ziehen, wäre nicht angemessen. Man muss in der Kultur experimentieren dürfen. Vor allem sollte das Festspielhaus in der Schaperstraße belebt werden – durch eine pfiffige Gastronomie oder auch eine einfallsreiche Vermietung, möglichst nicht nur an Theaterprojekte. Der Bund kann das Festwochen-Budget nicht erhöhen, deshalb müssen die Verantwortlichen über das Konzept nachdenken und sich fragen: Können wir uns leisten, was wir da auf die Beine stellen wollen? Müssen die Festwochen wirklich länger als zwei Monate dauern? Wollen wir teure Gastspiele oder lässt sich mit anderen, schlankeren Programmen vielleicht das bessere Festival machen?

Warum hat man Ihre Stimme bei den Tarifauseinandersetzungen im öffentlichen Dienst kaum gehört, obwohl der Tarifkonflikt mit Verdi viele Kulturinstitutionen direkt betrifft?

Ich habe mich dazu sehr wohl geäußert. Allerdings wurde ich falsch zitiert, auch in Ihrer Zeitung. Ich habe nie gesagt, dass Theater nicht Vorreiter beim Abschied von den überkommenen Tarifstrukturen sein sollten. Im Gegenteil: Die Theater können den anderen vormachen, wie man Tarife flexibler handhabt. Die Theater können sogar noch mehr: nämlich bei vorhandenen Tarifverträgen Haustarifverträge aushandeln, die für die Theater finanzierbar sind. Ich weiß von Hamburg, wie viel man sparen kann, wenn man mit den Häusern zuverlässig kooperiert, indem man ihnen über längerfristige Zuwendungsverträge eine Kontinuität garantiert. Im gesicherten Rahmen von, sagen wir, drei Jahren können sie dann Reformen wagen.

Sie sprachen von falschen Prioritäten. Warum machen Sie nicht öffentlich klar, dass man Sozial- und Kulturstaat nicht gegeneinander ausspielen kann? Dass man aber Straßenbeläge nicht so oft sanieren muss, wie es in Deutschlands armen Kommunen geschieht.

Ich komme aus dem Saarland, da sind die Straßen oft nur notdürftig geflickt. Machen Sie mal eine Umfrage: Die Theater würden gegen den Straßenbau kaum gewinnen.

Politik bedeutet ja nicht nur, jeder Stimmung hinterherzulaufen.

Das Plädoyer, das Sie von mir erhoffen, werden Sie von mir künftig öfter hören, in Podiumsdiskussionen nicht nur in der Hauptstadt, sondern im ganzen Land. Solange die Kultur aber nicht der Hauptknüller ist, werden Sie dort immer nur kleine Gruppen begeistern können. Die Herausforderung besteht darin, den Rest zu überzeugen.

Berlin hat ja sogar einige „Hauptknüller“: etwa die Museumsinsel, die nach ihrer Restaurierung der deutsche Louvre wäre. Warum drücken Sie da nicht antizyklisch aufs Tempo, statt den Masterplan zeitlich zu strecken?

Es gibt eine Finanzplanung, nach der jährlich 100 Millionen Euro verbaut werden. Aber natürlich tauchen bei Vorhaben dieser gigantischen Dimension Probleme auf, für die wir uns Zeit lassen sollten, denn wir bauen hier ja mindestens für die nächsten zweihundert Jahre. Im Moment sind wir im Plan, es handelt sich wohl um die erfreulichste Baumaßnahme Berlins – mit dem Bund als Geldgeber und alleinigem Verantwortungsträger. Wenn sich die Fertigstellung bis 2008 statt bis 2006 hinzieht, liegt das nur daran, dass hier Sorgfalt statt Eile geboten ist.

Sie sind gut zwei Monate im Amt. Hatten Sie da schon ein Erfolgserlebnis?

Die im Koalitionsvertrag zugesagte Prüfung der Kulturverträglichkeit von Gesetzesvorhaben hat sich schon als wertvolles politisches Instrument erwiesen. Ich habe bereits drei Mal von ihm Gebrauch machen können: bei der Steuerabzugsfähigkeit von gemeinnützigen Spenden, beim Mehrwertsteuersatz für Kunstwerke und beim Denkmalschutz. Zwar ist es kein Vetorecht, dennoch werden wir diese Selbstverpflichtung im politischen Alltag ritualisieren.

Und welche Gesetzesvorhaben stehen nun an?

Der wichtigste Punkt wird die Novellierung des Filmfördergesetzes unter größerer Beteiligung der Fernsehsender sein. Wie mein Vorgänger Nida-Rümelin bin auch ich an der Gründung einer Deutschen Filmakademie sehr interessiert – wir brauchen ein Forum für die künstlerischen Belange der Branche. Aber ich möchte die Verleihung des Deutschen Filmpreises nicht komplett an die Filmakademie abgeben und ihr nur die Preisgelder zahlen. Ich will weiterhin eine unabhängige Jury, und ein staatlicher Filmpreis ist als Förderinstrument auch künftig sinnvoll. Eine Filmakademie könnte aber mit unserer Unterstützung in Programmkinos Filmwochen organisieren, damit die nominierenden Akademiemitglieder sich gemeinsam mit dem Publikum mögliche Kandidaten anschauen. Das wäre eine originelle, großflächige Werbung für den deutschen Film.

Von der Spardebatte bis zur Bioethik: Muss Ihr Amt sich nicht wieder offensiver und auch mal programmatisch kontroverser profilieren, wie das zumindest beim ersten Kulturstaatsminister Michael Naumann der Fall war?

Ich bin ja keine Anfängerin in der Kulturpolitik, mit Offensive in der Sache und Kooperation bin ich immer gut gefahren. Diesen Kurs werde ich halten - mit möglichst viel Phantasie und politischem Realitätssinn zugleich.

Das Gespräch führten Peter von Becker und Christiane Peitz

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