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100 Jahre Bauhaus in Berlin: Von der Hütte zur Fabrik

Zum 100. Jubiläum des Bauhauses: Das Berliner Bröhan-Museum zeigt die Vorgeschichte der „Hochschule für Gestaltung“.

Die Keimzelle des Bauhauses war eine Teekanne, jedenfalls wenn man der verblüffenden Ausstellung im Bröhan-Museum folgt. Aber was für eine Teekanne! Halbkugel, Halbkreis, Dreieck reichen dem britischen Designer Christopher Dresser, um eine Form zu schaffen, bei der man über das Entstehungsdatum staunt: 1879. Lange vor Gründung des Bauhauses entwickelte Dresser reduzierte, industrietaugliche Gebrauchsgegenstände.

„Von Arts and Crafts zum Bauhaus“ erzählt die Genese der Bauhaus-Idee als ein jahrzehntelanges Mendeln und Pendeln zwischen Kunst und Industrie. Tobias Hoffmann, der Direktor des Bröhan-Museums, und die Kuratorin Anna Grosskopf zeigen den Stammbaum des Bauhauses. Sie übersetzen den Konflikt der Designer zwischen Kunst und Technik in einen anschaulichen Parcours, der Besuchern die Möglichkeit bietet, umwerfende Exponate zu bewundern.

Schon vierzig Jahre vor der Bauhaus-Gründung entdeckten die britischen Designer Edward William Godwin und Christopher Dresser die Reduktion japanischer Formen. 1853 hatte Japan seine Isolationspolitik beendet, damit tauchte japanisches Kunsthandwerk in den britischen Hafenstädten auf. Die Designer erkannten darin einen Ausweg aus dem Trend zu überbordendem Dekor, der noch die Industrieausstellung 1851 in London beherrscht hatte. Dresser reiste selbst nach Japan. Danach entwarf er nicht nur die perfekte Teekanne. Im Bröhan-Museum ist auch ein Löffelwärmer zu sehen – ein versilbertes Ei mit Henkel. Noch so eine unübertroffene Form, die Einfachheit mit dem Stand der Technik verband.

Japanischer Stil mit englischem Strohgeflecht

Der Architekt Edward William Godwin kombinierte schwarz lackierte Holzelemente in japanischem Stil mit englischem Strohgeflecht zu neuen Stuhlmodellen, die industriell gefertigt und angeboten wurden – Vorläufer der Arts-and-Crafts-Bewegung. Deren Gründervater, der Universalkünstler William Morris, hielt jedoch wenig von der maschinellen Produktion. Sein Ideal war die Zusammenarbeit zwischen Künstlern und Handwerkern nach mittelalterlichem Vorbild.

Das Red House, das William Morris gemeinsam mit dem präraffaelitischen Maler Edward Burne-Jones gestaltete, war der erste Versuch einer Gesamtkonzeption für Möbel und Raum. In der Ausstellung vermittelt ein Hochzeitsschrank, der an ein gotisches Kirchenmöbel erinnert, ein wenig von der Atmosphäre im Red House. Morris und seine Frau Jane bewohnten den roten Backsteinbau gemeinsam mit dem Ehepaar Burne-Jones.

An der Wand im Bröhan-Museum sind Stoffentwürfe nach präraffaelitischen Vorlagen zu sehen. „Arts and Crafts“ – Kunst und Handwerk gingen im Red House eine Symbiose ein. Manche Entwürfe wirken heute allerdings skurril. Ein Buffet ist denkbar schlicht gehalten bis auf die massiven Scharniere und zwei auskragende Holzschnecken, die das keltische Symbol für Yin und Yang versinnbildlichen sollen.

Konsequenter gingen die schottischen Künstler rund um Charles Rennie Mackintosh mit dem Gedanken der Rauminszenierung um. Auch hier wieder ganz wichtig: der Tee. Mackintosh setzte seine schwarzen Hochlehner-Stühle mit leiterähnlichen Sprossen wie Kulissen in den Salon und bereitete der Teegesellschaft eine Bühne. Selbstbewusst nahmen die Glasgower Künstler den ganzen Raum für sich in Anspruch.

Das Bauhaus knüpfte an die mittelalterliche Idee der Bauhütte an

Diese Ideen importierten Henry van de Velde und Hermann Muthesius von der Insel auf den Kontinent. Den Streit brachten sie gleich mit. Zwar suchten im Deutschen Werkbund Künstler, Handwerker und Architekten nach Möglichkeiten, ihre Entwürfe gemeinsam mit der Industrie zu realisieren. Den Idealfall bildete die Kooperation zwischen der AEG und Peter Behrens, der alles für das Unternehmen entwarf, vom Gebäude bis zur elektrisch heizbaren Teekanne.

Auch die Deutschen Werkstätten Hellerau brachten Maschinenmöbel von Richard Riemerschmid auf den Markt. Diese konnten in Einzelstücken produziert und von den Kunden selbst aufgebaut werden. Aber die praktischen Formen fielen stämmig aus. Sie waren kaum zu vereinbaren mit dem eleganten Schwung von Henry van de Velde. Der Belgier verließ den Deutschen Werkbund 1914 frustriert.

Das Bauhaus knüpfte zunächst bei seiner Gründung 1919 unter Leitung von Walter Gropius noch an den mittelalterlichen Gedanken der Bauhütte an. Aber mit dem Einfluss des niederländischen De-Stijl-Künstlers Theo van Doesburg, der in Weimar der Schule mit seinem privaten Unterricht Konkurrenz machte, kam auch das Bauhaus in der Gegenwart an. Eine lustige Kinderschubkarre von Gerrit Rietveld kann ihre Verwandtschaft zu Arts and Crafts nicht leugnen und weist doch in die Zukunft.

Als dann László Moholy-Nagy die Metallklasse übernahm, konnten die reduzierten Formen in maschinelle Produktionsschritte übersetzt werden. Am Ende schließt die Ausstellung ihren Kreis: In der halbkugelförmigen Wagenfeld-Lampe sind die japonistischen Wurzeln zu erkennen – die Umrisse der Teekanne von Christopher Dresser.

Geschickt rückt das Bröhan-Museum die Vorreiter der Design-Moderne ins Scheinwerferlicht. Rund vierzig Jahre dauerte es, bis „Kunst und Technik eine neue Einheit“ bildeten, wie das Walter Gropius schließlich propagierte. So kommt diese Bauhaus-Ausstellung ohne viel Bauhaus aus. Ein vergnügliches Präludium für das Jubiläumskonzert.

Bröhan-Museum, bis 5. Mai 2019, Di–So 10–18 Uhr

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