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Der französische Schriftsteller Marcel Proust, 1871-1922

© imago/Leemage

100. Todestag Marcel Proust: „Oh, dieser kleine, dunkle Teufel“

Céleste Albaret war die Haushälterin von Marcel Proust bis zu dessen Tod 1922. In der "Recherche" hat sie namentlich mehrere Auftritte.

Als sich Marcel Proust 1914 ein letztes Mal im normannischen Seebad Cabourg aufhielt, dem Vorbild für seinen fiktiven Ort Balbec, war erstmals auch Céleste Albaret dabei, eine junge Frau, die ihm bis zu seinem Tod am 18. November 1922 als Haushälterin zur Seite stand.

In ihren Erinnerungen an Proust beschreibt Albaret, wie dieser in Cabourg immer an die Wand des Hotelzimmers klopfte, wenn er sie brauchte: „So hatte er das schon bei früheren Aufenthalten in Cabourg mit seiner Großmutter gemacht, wie er in ,Sodom und Gomorrha’ erzählt.“

Was Proust aber ebenfalls macht in „Sodom und Gomorrha“ und noch zwei weitere Male kurz in „Die Gefangene“, dem vierten und fünften Band seiner „Suche nach der verlorenen Zeit“: Er lässt Céleste Albaret als Romanfigur auftreten, was er sonst mit den ihm nahen Personen bis auf ganz wenige Ausnahmen namentlich sorgfältig vermieden hat.

In Françoise sind Züge von Albaret eingegangen

Albaret, von der sicher einige Züge in Françoise eingegangen sind, der ewigen Haushälterin der Familie des Erzählers, ist hier eine von zwei Schwestern, die „als private Bedienung einer alten ausländischen Dame nach Balbec gekommen waren“.

Proust charakterisiert Albaret und ihre drei Jahre ältere Schwester Marie Gineste (Gineste war der Mädchenname beider) als Mädchen vom Land mit Eigenschaften, die denen der Bäche und Flüsse ihrer Heimat gleichen. Ihre Sprache aber empfindet er als ungemein literarisch, so dass man „ohne die fast ungebärdige Natürlichkeit ihres Tons ihre Worte für affektiert hätte halten können“.

Die Passagen mit Albaret und Marie Gineste tragen Züge eines Selbstporträts. Die Schwestern suchen den Erzähler häufig auf, da er noch im Bett liegt, und Céleste ruft aus: „Oh, dieser kleine dunkle Teufel mit Haaren wie pechschwarze Häherfedern, wie schlau und wie boshaft er ist.“

"Sieh nur, wie er die Hände auf die Bettdecke legt!"

Marie wiederum hat die Sorge, dass Céleste womöglich zu frech ist, als diese ihn mal mit einer Schlange, mal mit einem Vogel vergleicht, („schau nur, Marie, sieht er nicht genauso aus, als ob er sich die Federn glattstreicht?“), um dann jedoch selbst auszurufen: „Sieh nur, Céleste, wenn er nur die Hände auf die Bettdecke legt und nach seinem Hörnchen greift, wie vornehm das bei ihm wirkt! Er kann die unbedeutendsten Dinge tun, man meint immer, man sieht den gesamten Adel Frankreichs bis zu den Pyrenäen in jeder seiner Bewegungen.“

Es sind dies zwei köstliche Szenen mit Céleste, Marie und dem feinnervigen, verwöhnten Erzähler. Sie demonstrieren unter anderem, wie viel Komik und Humor in der „Recherche“ stecken und dass Proust durchaus bereit war, sich über sich selbst ein wenig lustig zu machen.

Ja, man sieht den jungen Autor förmlich in real life vor sich, wie er da liegt und beteuert, dass die Charakterisierung der Schwestern so gar nicht der Wahrheit entsprechen. Als der Erzähler Hals über Kopf aus Balbec abreist, weinen Marie und Céleste. Das verleitet ihn zu der nüchternen Annahme, „dass noch am gleichen Abend beide mich vergessen hatten“. Dem aber, wie die Wirklichkeit und Albarets Erinnerungen „Monsieur Proust“ beweisen, war beileibe nicht so.

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