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13. Berliner Art Forum: Jetzt mal schön langsam

Das 13. Berliner Art Forum zwischen Marktkorrektur und Finanzkrise: Wie sich die Spielregeln für Kunstmessen und Galerien ändern.

Viel Prominenz, wenig Verkäufe – das ist die inoffizielle Bilanz der Frieze in London. So ein Fazit wiegt diesmal besonders schwer, weil die Geschäfte auf der wichtigen Kunstmesse vergangene Woche auch als Fieberkurve für die aktuelle Saison gelesen werden. Die Finanzkrise natürlich. Muss sich Sabrina van der Ley Sorgen um das 13. Art Forum in Berlin machen? Ausgerechnet im letzten Jahr, in dem sie ihm als Chefin ihren Stempel aufdrückt, bevor mit Eva-Maria Häusler und Peter Vetsch für 2009 ein neues Team aus Basel anrückt. Mehr als einmal wurde dem Art Forum ein nahes Ende vorausgesagt, weil einige große Händler fehlen. Galeristen, deren millionenschwere Kunstwerke die Umsätze anderer Messen gigantisch erscheinen lassen.

Sabrina van der Ley bleibt gelassen: „Die Gefahr ist natürlich, dass nicht genug verkauft wird, weil die Käufer verunsichert sind. Anderseits hören wir, dass Leute ihr Geld von der Bank holen und lieber Kunst kaufen, weil sie da sicher sind, was sie haben. Die Kunden halten sich fern von spekulativer Hochpreisware und konzentrieren sich auf solidere Positionen, die vielleicht momentan nicht superheiß sind, aber dafür ein vernünftiges Angebot darstellen. Das gilt natürlich auch für Neuentdeckungen.“

Ob sie recht behält, werden die kommenden Tage zeigen. Morgen Abend eröffnet das Art Forum für geladene Gäste, anschließend wollen über 120 Galerien aus 26 Ländern auf dem Messegelände vor allem eines: gut verkaufen. Im Angebot ist absolut Zeitgenössisches, das oft nur einige tausend Euro kostet. Seltener stößt man auf jene Namen, die die Auktionen von Sotheby’s und Christie’s beherrschen und deren Preise im vergangenen Jahr geradezu explodiert sind. Wer solche Künstler sucht, der geht wie immer in die Kojen von Contemporary Fine Arts oder Eigen und Art. Letztere hat mit Matthias Weischer einen Maler im Programm, der die Ausnahme im doppelten Sinn darstellt: Eines seiner gemalten Interieurs hat jüngst bei Sotheby’s in London, wo selbst zwei Bilder von Gerhard Richter zurückgegangen sind, einen neuen Preisrekord aufgestellt. Für Weischer wurden, so scheint es, bislang angemessene Summen verlangt. Das macht sich nun bezahlt.

Auf dem Art Forum und seinen Satellitenmessen wird auch Christian Schwarm zu finden sein. Im Mai hat der Internetexperte die Plattform „Independent Collectors“ gegründet, inzwischen treffen sich dort virtuell knapp 400 Sammler; unter ihnen vertraute Namen und ebenso junge Sammler, die es wie Schwarm immer wieder nach Berlin zieht. Hier erwarten sie spannende künstlerische Positionen zu reellen Preisen.

„Katastrophenstimmung“ kann er in seinen Gesprächen mit anderen Kunstkäufern nicht ausmachen. Dafür beobachtet Schwarm ein neues Phänomen: „In der Wirtschaft würde man sagen, der Verkäufermarkt entwickelt sich gerade zu einem Käufermarkt.“ Konkret heißt das: Die Sammler stehen bei den Galeristen nicht länger im Wettstreit um Arbeiten an, weil längst nicht mehr so hysterisch gekauft wird wie noch zu Beginn des Jahres. Stattdessen machen einige der Sammler den Galeristen ihrerseits Angebote und sagen, was sie für ein bestimmtes Kunstwerk zu zahlen bereit sind. „Das war vor kurzem undenkbar“, meint Schwarm und hält den Moment deshalb sogar für den besten, um weiter Kunst zu sammeln oder damit anzufangen: „Nur die Galeristen sind über die Entwicklung natürlich nicht erfreut.“

Weniger Tempo, mehr Zeit für Gespräche und damit auch mehr Interesse an der Kunst. Das müsste eigentlich allen gefallen, die schon länger über die blinde Rasanz des Marktes klagen. Doch die schwindende Kaufkraft jener Käufer, die Kunst erst kürzlich als lohnendes Investment entdeckt haben, trifft einige Galerien empfindlich. Dass die Nachfrage schon seit März spürbar zurückgegangen ist, dass reservierte Arbeiten nicht abgeholt werden und sich mancher schon verstohlen nach kleineren Räumen oder Allianzen umschaut, wird immer wieder kolportiert und im Privaten zugegeben.

Doch auch dies ist keine Katastrophe, sondern die Konsequenz eines Überangebots: Mit knapp 450 offiziell gezählten Galerien platzt Berlin inzwischen aus allen Nähten. Man müsste einen Ordner führen, um festzuhalten, wie viele laufende Ausstellungen man noch besuchen muss, bevor mit einem Paukenschlag schon wieder 20 neue eröffnen. Oft lohnt sich die Reise zwischen den wachsenden Galerie-Clustern aber auch nicht. Da tummelt sich viel Uninteressantes an den Wänden und zeigen Galerien künstlerisches Mittelmaß, weil der vielversprechende Nachwuchs der Akademien nur langsam reift und nicht für alle Aussteller reichen kann.

Probleme haben inzwischen aber auch die etablierten Galerien, weil es sie seit geraumer Zeit aus allen deutschen Städten nach Berlin zieht. Wer früher in München, Hamburg oder Köln einen Künstler exklusiv vertreten hat, der trifft nun in der Hauptstadt auf Kollegen, die mit denselben Malern und Bildhauern handeln. Dass diese Überschneidungen auf die Dauer nicht funktionieren, ist klar und bedarf in naher Zukunft wohl einiger diplomatischer Absprachen.

„Es lief viel zu lange gut“, meint ein erfahrener Galerist wie Martin Klosterfelde. Er war mit anderen für die Art Contemporary Berlin (ABC) verantwortlich, jene gigantische Schau im Postbahnhof am Gleisdreieck, mit der man vorgemacht hat, wie sich Galerien gemeinsam präsentieren können. 75 Künstler, deren Arbeiten nicht unmittelbar käuflich waren, warben auf der Ausstellung für sich und die Galerien am Standort. Eine Neuauflage der ABC im nächsten Herbst ist gewiss – genau wie der „unbedingte Wille“, so Klosterfelde, beim nächsten Mal mit dem Art Forum und seinen neuen Chefs zu kooperieren. Der Kunstherbst 2008 wird, so viel ist sicher, der letzte nach den alten Spielregeln sein.

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