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Hölzerner Showroom. Die erste Unterkunft des Museums befand sich im ehemaligen Diorama der Gebrüder Gropius in Mitte. Der Holzstich nach Heinrich Scherenberg wurde im Gründungsjahr in der „Illustrirten Zeitung“ abgedruckt.

© Creative Commons BY-NC-SA

150 Jahre Berliner Kunstgewerbemuseum: Schöner schlendern

Berlins Kunstgewerbemuseum wird 150 Jahre alt. Eine Ausstellung erinnert an seine Geschichte.

Am Ende wartet eine Schatztruhe. Aber weshalb muss man sie wie ein vergessenes Erbe in der hintersten Ecke suchen? Versteckt in einem Zwickel des Kulturforums, unauffällig und schwer einzusehen, steht diese Gebäudekiste, in der Berlin bewahrt, was überragend schön, ästhetisch durchdacht und vorbildlich gemacht ist. Design auf höchstem Niveau, durch alle Epochen. Einiges war schon 1867 prominent ausgestellt, wo damals ganz Europa mit seinen Superprodukten antrat: auf der Pariser Weltausstellung.

Aktuell fahndet der Besucher auf dem Kulturforum erst einmal nach dem Eingang zum Kunstgewerbemuseum, vor dem sich ein steinernes Ungetüm erhebt, das vielleicht begehbare Kunst sein soll. Man weiß es nicht so genau und stellt sich vor, wie Touristen von der Potsdamer Straße auf das Haus zusteuern, weil sie das famose Lüneburger Ratssilber aus dem 16. Jahrhundert oder die fantastische Modesammlung der Gegenwart sehen wollen. Wie sie über den unwirtlichen Skulpturenabwurfplatz vor der schrägen Piazza stolpern, sich mühsam orientieren und zum Schluss kommen, dass diese Stadt ihr Haus für angewandte Kunst eher traurig behandelt.

Keine Jubiläumsschau

Vor 150 Jahren war das anders. Damals saßen die Initiatoren des „Deutschen Gewerbe-Museums zu Berlin“ in ihrem ersten Gebäude in der Stallstraße in Mitte und waren erfüllt von ihrer Mission: Kunsthandwerkliche Objekte von höchstem Niveau wollten die Vereinsmitglieder erwerben. Nicht zuletzt aus ökonomischen Gründen. Die industrielle Massenproduktion hatte das Handwerk abgehängt. Dessen Produkte waren uninspiriert und qualitativ medioker. Es sollte sich am technischen Know-how der europäischen Nachbarn, besser noch: der ganzen Welt, orientieren. Ein großer, eigentlich unhaltbarer Anspruch, doch am Beginn, als man im Zentrum der Stadt in einem Gebäude mit hölzernem Showroom saß, stand dieses Ziel.

Das Haus in der Stallstraße war die erste von sieben Stationen, in denen das Museum seit seiner Gründung unterkam. Es war das erste seiner Art in Deutschland, zugleich die dritte Gründung innerhalb Europas. Allen voran ging in London das Victoria & Albert Museum. Aus der Geschichte der Berliner Institution hat der stellvertretende Museumsdirektor Lothar Lambacher eine Ausstellung zum Jubiläum gemacht. „Keine Jubiläumsausstellung“, betont er. „Schreiben Sie das nicht, sonst machen sich die Besucher falsche Vorstellungen.“

Das Museum selbst wird zum Exponat

Jubiläumsschau, das klingt nach einer triumphalen Präsentation von Best-of- Design. Und das findet in den Sälen und Kabinetten des Museums ja immer statt. Lambacher hingegen erzählt die Geschichte des Hauses. Seine Recherchen münden in Texten und historischen Fotos auf acht Schautafeln, die im Raum durch herausragende Objekte der Sammlung ergänzt werden. „Berliner Schatzhäuser“, so der Titel, macht das Museum selbst zum Exponat, weitere Ausstellungen im Jubiläumsjahr werden sich wieder mit der Sammlung beschäftigen.

Dabei zeigt sich wieder, wie wichtig die Hülle ist, dies offenbart nicht zuletzt das aktuelle Quartier. Erneut auf den Schwächen der Architektur herumzureiten, die Rolf Gutbrod in den sechziger Jahren erdachte und die erst zwanzig Jahre später in Verantwortung der zuständigen Behörden mit zahlreichen entstellenden Maßnahmen realisiert wurde, ist müßig. Lambacher erinnert bei seinem Rundgang lieber an die progressiven Absichten eines Architekten, der zum Zeitpunkt seines Entwurfs ein neues Publikum in die Museen strömen sah: neugierig, aus allen sozialen Schichten kommend und nicht gewillt, sich seinen Weg vorschreiben zu lassen. Es sollte mäandern, so wie das Raumprogramm im Haus, und die Geschichte der angewandten Kunst nach eigenen Kriterien entdecken. Dass die Besucher sich heute wieder lieber führen lassen, ist Gutbrod kaum anzulasten.

Nach 1989 führte jede Neusortierung der Bestände zu Protesten

Die Vorgängerbauten des 19. Jahrhunderts funktionierten ebenfalls nach diesem Prinzip. Nicht unbedingt die ehemaligen Fabriken der Königlich Preußischen Manufaktur, in die die „Vorbilder- und Mustersammlungen“ samt Bibliothek und Lehranstalt 1873 aus Platznot einzogen. Wohl aber der eigens errichtete Martin-Gropius-Bau, in dem der erste Sammlungsdirektor Julius Lessing im Untergeschoss einen Rundgang nach Zeiten und Stilen inszenierte.

Inzwischen waren über 6000 Objekte aus der Königlichen Kunstkammer hinzugekommen, der Charakter der Sammlung änderte sich: Statt Handwerker zu sensibilisieren, rekonstruierte man nun Kulturgeschichte. Zur Eröffnung des neuen Hauses 1881 erschien das Kronprinzenpaar, vier Jahre später wurde die Sammlung in die Königlichen Museen integriert. 1921, die Weimarer Republik war zwei Jahre alt, zog sie in das verwaiste Stadtschloss, um sich in den Prunkräumen zwischen dem historischen Mobiliar einzurichten. Eine Entscheidung, die damals auf Kritik stieß.

Ein „Schlossmuseum“ ist das Kunstgewerbemuseum heute nicht mehr. Auch wenn es mit Schloss Köpenick seit der Wiedervereinigung über eine repräsentative Dependance verfügt. Dass die Ausstellung „Berliner Schatzhäuser“ ab Mai bis in den Herbst dort ebenfalls zu sehen ist, legt eine geringe Schnittmenge des Publikums nahe. Tatsächlich eröffnete schon 1963 der junge Direktor Günter Schade Schloss Köpenick mit einer informellen Aktion als Kunstgewerbemuseum im Ostteil der Stadt. Seine Exponate rekrutierte er aus jenen Beständen, die bis 1945 in die sowjetische Besatzungszone ausgelagert waren. Lambacher lässt Krieg, die Verbringung der Objekte in Tresoren, Schlösser außerhalb Berlins und Salzbergwerke ebenso Revue passieren wie die Zeit nach 1989, als jede Neusortierung der Bestände zu Protesten führte, weil sich die traditionellen Museumsbesucher von Kulturforum und Köpenick jeweils um wichtige Exponate gebracht fühlten.

Ein bisschen mehr Marketing dürfte sein

Schaulust stellt sich kaum ein in der mit Wissen gesättigten „Schau zum Jubiläum“. Dafür Erkenntnis, die sich mit der knapp 800-seitigen „Chronik des Berliner Kunstgewerbemuseums“ von Barbara Mundt noch vertiefen lässt, die man sich zum Geburtstag gönnt. Anderes ist noch in Arbeit. Es muss mehr passieren, das zeigen allein die Publikumszahlen: Sie mögen in den vergangenen zwei Jahren mit rund 57 000 Besuchern an beiden Standorten konstant geblieben sein. Verglichen mit 2015 sind es jedoch 10 000 Besucher weniger geworden. Zeit, die Truhe weit zu öffnen und mit kleinen Maßnahmen – ja, Werbung kostet, macht aber auch sichtbar – zu zeigen, welche Schätze hier zu sehen sind.

Kunstgewerbemuseum, Kulturforum, bis 29. April. Di bis Fr 10 – 18 Uhr, Sa / So 11 – 18 Uhr.

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