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Die Universität als Wissenschaftsvermittler?

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20 Jahre Berlin-Bonn-Gesetz (VI): Berlin braucht eine Bundesuniversität

Teil VI unserer Debatte: Wenn Berlin als Hauptstadt die Bildungsrepublik Deutschland repräsentieren soll, dann brauchen wir eine Bundesuniversität.

An Reiterstandbilder, Brauchtumsausstellungen und vielleicht eine große Einheitsdenkmal-Wippe mögen die Bundestagsabgeordneten denken, wenn sie das überfällige Berlin-Gesetz zur konkreten Regelung des Bonn-Berlin-Beschlusses von 1994 beraten und damit die Frage, wie sich das ganze Land in der Hauptstadt repräsentiert. Wir werden auch das überstehen – immer noch besser als der gesetzlose Zustand von heute.

Der Bundestag könnte aber auch die Chance ergreifen und eine in die Zukunft gerichtete Form der Repräsentation ins Gesetz schreiben. Wenn Berlin als Hauptstadt die proklamierte Bildungsrepublik Deutschland sinnvoll repräsentieren soll, dann liegt nichts näher, als den Staat auch durch Wissenschaft zu vermitteln. Dazu könnte eine sichtbare Einrichtung auserkoren werden, eine Universität. Der Gedanke, eine der Landesuniversitäten, gedacht war an die Humboldt-Universität, entsprechend herauszuheben, wurde vor einigen Jahren allerdings erfolglos diskutiert. Dem Vorschlag, der Bund möge in Berlin auf der grünen Wiese eine Bundesuni errichten, würde es vermutlich ähnlich ergehen. Abgesehen von all den Bedenken, die ihre Träger auftischen würden, wäre eine Verwirklichung frühestens zum St.-Nimmerleinstag zu erwarten, vielleicht gemeinsam mit dem neuen Flughafen.

Berlin braucht einen Leuchtturm der Wissenschaft

Also gilt es andere Ansätze zu finden. In und um Berlin sind mehrere Max-Planck-Institute angesiedelt. Der Bund finanziert sie zu 50 Prozent; die andere Hälfte der Zuwendungen steuert das jeweilige Bundesland bei. Man braucht die Institute nur zusammenzufassen, ihnen die Bezeichnung MPG-Universität zu geben, das Land Berlin und eventuell auch das klamme Brandenburg, wenn man die dort ansässigen Einrichtungen einbezieht, von den Beiträgen zu entlasten und schon hat man, was nach außen einen Leuchtturm der Wissenschaft ausmacht.

Nebenbei löst ein solches Vorhaben eine Reihe virulenter Probleme. Nachdem sich der Bund mit der Föderalismusreform die Rahmenkompetenz für die Hochschulen abhandeln ließ, macht jedes Land, was es will. Die Hochschulgesetze sind dermaßen unterschiedlich, dass von Vergleichbarkeit kaum die Rede sein kann. Das ist nicht nur in der täglichen Praxis lästig, es vermittelt nach außen auch den Eindruck von Unübersichtlichkeit und Wirrwarr. Ein Konzept für die Organisation einer Universität, sachlich an der Aufgabenstellung orientiert und ideologiefrei bezüglich Mitwirkung und Partizipation, könnte Orientierung für die Landesgesetzgeber sein. Es könnte aufzeigen, wie eine solche Wissenschaftsorganisation im Idealfall gestaltet sein sollte.

Es war ein Fehler, Bachelor- und Masterprogramme einzurichten

„Maßstäbe setzen für die Bildungsnation: Man könnte die Max-Planck-Institute dafür zusammenlegen.“ - George Turner, Senator für Wissenschaft a.D.
„Maßstäbe setzen für die Bildungsnation: Man könnte die Max-Planck-Institute dafür zusammenlegen.“ - George Turner, Senator für Wissenschaft a.D.

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Die neue Universität könnte ein Studium anbieten, das den Bachelor voraussetzt und den Erwerb des Masters zum Ziel hat. Es war ein Fehler, Bachelor- und Masterprogramme an den Universitäten und den Fachhochschulen einzurichten. So wie Masterprogramme besser nicht an die Fachhochschulen gehören, entspräche es dem Auftrag der Universitäten mehr, wenn sie Studierende erst in einem fortgeschrittenen Stadium betreuten. Vor Jahrzehnten hat man den Fehler begangen, die Universitäten zu vergrößern und neue zu gründen, statt die Fachhochschulen auszubauen. Die Folge: Zwei Drittel der Studierenden sind an Universitäten eingeschrieben, nur ein Drittel an Fachhochschulen. Richtiger wäre ein umgekehrtes Verhältnis.

Will man den Fehler korrigieren, muss man Universitäten downgraden: ein hoffnungsloses Unterfangen. Das Beispiel einer Bundesuniversität könnte immerhin zeigen, wie eine Differenzierung des tertiären Bereichs vorzunehmen ist. Damit wäre ein Maßstab gesetzt, nach welchen Kriterien die etwa 90 staatlichen Universitäten zu sortieren sind. Nämlich in 25 bis 30 Universitäten, die ihrem Namen gerecht werden, indem sie Lehre und Forschung betreiben, und die übrigen, die zusammen mit den Fachhochschulen in erster Linie Ausbildungsfunktionen erfüllen. Mehr als die Zukunftskonzepte der Exzellenzinitiative mit ihren verkorksten Folgen entspräche das den Erfordernissen der Gegenwart und der Zukunft.

PhD anstelle des deutschen Doktors

Die Bundesuniversität hätte das Promotionsrecht, welches die jetzigen MPG-Institute nicht haben. Gleichgültig, welcher Unsinn bei der Ruhigstellung der Fachhochschulen durch die Aufhebung des Promotionsmonopols der Universitäten produziert werden mag: Es gäbe eine Einrichtung, die am besten nicht den deutschen Doktor, sondern den international geläufigen PhD verleiht, den philosophiae doctor. Auch das wäre maßstabbildend.

Und wie findet man eine Mehrheit für diese Lösung? Die Bundesstadt Bonn, und damit das stimmenreiche Nordrhein-Westfalen, bekommt auch eine Bundesuniversität. Auch dort gibt es zahlreiche außeruniversitäre Einrichtungen, die bereits überwiegend vom Bund getragen werden. Im Übrigen würde eine solche Doppelgleisigkeit auch zur Konkurrenz beitragen, die ja bekanntlich nicht nur Geschäfte belebt, sondern auch der Wissenschaft guttut. Und Berlin erst recht.

In unserer Debatte zum 20. Geburtstag des Bonn-Berlin-Gesetzes erschienen bisher Beiträge von Rupert Scholz, Wolfgang Schäuble, Norbert Blüm, Peter Raue und Michael Naumann. Nachzulesen unter www.tagesspiegel.de/kultur.

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