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Kultur: 38 Kilometer übers Wasser: die Geschichte des Teltowkanals

In Zeiten, in denen der größte Teil der Güter via Lkw befördert wird, ist kaum mehr vorstellbar, was sich noch vor 100 Jahren auf Berlins innerstädtischen Gewässern abgespielt hat: Stoßverkehr und Staus von Lastkähnen waren an der Tagesordnung.Insofern stellte der Teltowkanal nicht nur eine Abkürzung auf dem Wasserweg zwischen Elbe und Oder dar, sondern auch eine dringend notwendige Entlastung und Umgehung der Hauptstadt.

In Zeiten, in denen der größte Teil der Güter via Lkw befördert wird, ist kaum mehr vorstellbar, was sich noch vor 100 Jahren auf Berlins innerstädtischen Gewässern abgespielt hat: Stoßverkehr und Staus von Lastkähnen waren an der Tagesordnung.

Insofern stellte der Teltowkanal nicht nur eine Abkürzung auf dem Wasserweg zwischen Elbe und Oder dar, sondern auch eine dringend notwendige Entlastung und Umgehung der Hauptstadt. Doch zugleich erfüllte die Wasserstraße noch mehr Funktionen: Ernst von Stubenrauch, Landrat des Kreises Teltow und "Vater" des Kanals, ging es auch darum, Standortpolitik zu betreiben. Der Teltowkanal machte dabei die Gewerbeansiedlung vor den damaligen Toren Berlins attraktiver, aus dem die boomende Industrie wegen Platzmangel ohnehin abwanderte. Und er verbesserte auch, durch Aufnahme von Niederschlägen und Entwässerung feuchter Felder, den Wohnwert der Gegend.

Gründe genug, dieser größten künstlichen Wasserstraße des heutigen Berlin ein Buch zu widmen. Zwar jährt sich ihre Eröffnung erst 2006 zum 100. Mal, doch immerhin fand am 22. Dezember 1900 der erste Spatenstich statt. Und manche Probleme sind offenbar zeitlos: Trotz Arbeitslosigkeit fand man nicht genügend geeignete Arbeitskräfte in Deutschland, weshalb der Teltowkanal größtenteils von Ausländern gebaut wurde. Außerdem kostete das ganze Projekt am Ende fast doppelt soviel wie veranschlagt.

Dafür gab es deutsche Spitzentechnologie zu bestaunen: Die Machnower Schleuse und das bis 1945 betriebene Konzept des elektrischen Treidelns dienten sogar als Vorbilder für den Panamakanal. Fürs Treideln hatte man sich vor allem deswegen entschieden, damit der Kanal billiger gebaut werden konnte. Bei Schiffsschrauben hätten Bett und Ufern stabiler ausgelegt werden müssen.

Rund 38 Kilometer ist der Wasserweg lang (ohne den Britzer Zweigkanal) und wegen teilungsbedingter Sanierungsmaßnahmen noch immer nicht wieder voll befahrbar. Beschäftigt sich das Buch in seinem ersten Teil mit Bau und Betrieb, aber auch der Industrieansiedlung, so lädt die zweite Hälfte zur Uferwanderung von Grünau nach Glienicke ein. Ein durchgängiges Problem bleiben jedoch die oft ungenügenden Angaben zu den Photos, die grundsätzlich nicht datiert sind. Ebenso fehlen ein Profil des Kanals, Karten des vorherigen Zustandes (wo Schönower und Teltower See lagen, geht nur aus Beschreibungen hervor) und dergleichen. Im weitesten Sinne Architektonisches und Bautechnisches scheint ohnehin nicht das Metier des Autors zu sein, der bisweilen zu einer allzu braven Aufzählung von Daten tendiert. Auch finden sich neckische Formulierungen wie "in den sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts". Gemeint ist das zwanzigste, obwohl Verwechslungen bei einem erst 1906 eröffneten Bauwerk ausgeschlossen sein dürften und es bis zu den nächsten sechziger Jahren noch ein wenig hin ist. Richtig ärgerlich wird es, wenn zum anstehenden Kanalausbau offenbar nur die Mitteilungen der Bundesregierung und anderer Planungsstellen abgeschrieben wurden. So wenig wie ökologische, stadtgestalterische oder denkmalpflegerische Fragen wenigstens in angemessener Form angeschnitten werden, so wenig wird hinterfragt, ob denn die geplanten Ausbaggerungen, Verbreiterungen, Brückenhebungen und -abrisse überhaupt notwendig ist, oder sich das ganze "Verkehrsprojekt Deutsche Einheit Nr. 17" wie manch anderes - Stichworte: Transrapid - womöglich nur im Wunschdenken von Politikern rechnet. Von der auch seitens der UNESCO mit Sorge betrachteten Aussicht, die Havel zur "Schiffsautobahn" auszubauen und künftig lange Schubverbände durchs Weltkulturerbe der Potsdamer Schlösser- und Gärtenlandschaft zu bugsieren, ganz zu schweigen.

Der schon beim Bau des Teltowkanals kritisierte "Babelsberger Durchstich" beispielweise wird durch die geplante starke Verbreiterung als solcher gar nicht mehr zu erkennen sein, sondern die Glienicker Lake mit dem Griebnitzsee verschmelzen und eine massive Barriere zwischen den Parks von Babelsberg und Kleinglienicke bilden.

Dank eines anderen Verkehrsprojekts droht auch die Idylle am Teltowkanal zwischen Neukölln und Treptow zu verschwinden. Der Senat wird am Ostufer sogar die Mauer wiedererrichten - teilweise doppelt so hoch wie das Original, diesmal als Lärmschutzwand für die A 113. Und der Verkehr von und zu der Autobahn - es sind vier Anschlußstellen geplant - dürfte dann endgültig für den Verlust der Naherholungsqualitäten des Kleingartengeländes führen. Insofern handelt es sich hier um ein Buch, mit dessen Anschaffung man nicht zu lange zögern sollte: Werden diese Pläne nicht gestoppt, wird man nur noch kurze Zeit die Möglichkeit haben, so beschauliche Kanalwanderungen zu unternehmen wie hier beschrieben.Horst Köhler: Der Teltowkanal - Eine Lebensader im Süden Berlins. Stapp Verlag, Berlin 2000. 212 Seiten. 39,50 DM.

Jan Gympel

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