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Kultur: 50. Berliner Festwochen: Musik bis zum Rand - Der Klarinettist Jörg Widmann über Wolfgang Rihm

Wenn man etwas zu haben glaubt, womit man Wolfgang Rihm fassen kann, dann ist er schon längst woanders. Er entzieht sich der Einordnung ganz konsequent, er steuert gegen, auch dagegen, beim Philharmoniker-Publikum akzeptiert zu sein.

Wenn man etwas zu haben glaubt, womit man Wolfgang Rihm fassen kann, dann ist er schon längst woanders. Er entzieht sich der Einordnung ganz konsequent, er steuert gegen, auch dagegen, beim Philharmoniker-Publikum akzeptiert zu sein. Natürlich freut Rihm sich darüber, dass er auch außerhalb der geschlossenen Neue-Musik-Zirkel anerkannt ist. Es macht ihn sehr glücklich, wenn seine Musik etwa neben den Brahms-Symphonien aufgeführt wird.

In jedem seiner Stücke findet eine Krisensituation statt, er führt die Musik immer an die Ränder. Egal ob er tonal komponiert wie in der letzten Zeit oder größte Orchestermassen auf den Zuhörer einprasseln lässt. Er ist immer er selbst, dabei ist es schwer zu sagen, worin sein Personalstil eigentlich besteht, jedenfalls wiederholt er sich nicht endlos.

Wichtig ist für ihn eine Traditionslinie von Mahler über Zemlinsky und Berg. Seine Instrumentation ist gelegentlich "mahlersch", wenn man das überhaupt benennen will, aber man weiß genau, die Reise geht woanders hin, das ist das Erfrischende. Seine Komposition für Klarinette und Orchester endet zum Beispiel in C-Dur, aber wahrscheinlich hat C-Dur noch nie so geklungen, er benutzt eben konsequent die extremen Lagen.

Als Lehrer schätze ich Wolfgang Rihm wahnsinnig. Er ist unheimlich offen, er lässt anderes gelten. Wo andere längst die Partituren zuklappen, da kennt er nichts. Allerdings kann er es nur schwer ertragen, wenn der Kontrapunkt den Einfall ersetzt, wenn sich jemand beim Komponieren einkerkert. "Mensch, mach doch mal das Fenster auf", sagte er dann. Er wollte von mir wissen, was man mit einer Klarinette machen kann und hat mich zu sich eingeladen. Schließlich habe ich ihm nur drei Töne vorgespielt, dann hat er mir seine dreißigminütige Komposition für Klarinette und Orchester geschenkt.

Das Stück ist eine physische Tortur für den Klarinettisten, dabei sieht der Notentext ganz einfach aus. Aber was einfach aussieht, ist meistens am schwierigsten, das hat es mit dem Mozart-Klarinettenkonzert gemeinsam. Das ist übrigens auch für A-Klarinette geschrieben.

Ich würde die beiden Werke gerne mal zusammen in einem Konzert spielen. Das Publikum wird dann ganz sicher die Verbindung spüren.

5. Oktober[Kammermusiksaal der Philhar], 19 Uhr 30[Kammermusiksaal der Philhar]

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