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Die Fassade des Grips-Theaters

© picture alliance/dpa

50 Jahre Grips Theater: Die Welt ist zum Spielen

Mit einem Remake von „Die Lücke im Bauzaun“ feiert das Grips Theater sein 50-jähriges Bestehen.

Viel hat sich seit den 70ern nicht verändert. Okay, die Mülltonnenstraße heißt jetzt Baustellenstraße. Die Kinder spielen Mars-Mission statt Robinson-auf-der- Insel. Und der Angeber-Junge reibt den anderen sein Tablet unter die Nase, als wär’s seine Erfindung. Aber Freiräume, wo keine Nachbarn motzen, keine sichtbaren oder unsichtbaren Verbotsschilder den kleinsten Grünstreifen pflastern, keine Dezibelbeschränkung Alarm schlägt, die suchen die jungen Heldinnen und Helden noch immer vergebens.

Balle, Malle, Hupe

„Die Lücke im Bauzaun“ ist das Stück betitelt, mit dem das Grips Theater nun anlässlich seines 50-jährigen Jubiläums eine Gedächtnis-Premiere feiert. Es basiert auf dem Hit „Balle, Malle, Hupe und Artur“, der 1971 noch im Reichskabarett uraufgeführt wurde, als Ensembleproduktion neuen Typs. Gründervater Volker Ludwig sah sich damals mit einer Revolte im eigenen Haus konfrontiert, die eine „Bevormundung durch einen Autor als reaktionäre Strukturen und autoritäre Scheiße“ zu entlarven meinte, wie er in einem Erinnerungsessay-Essay anmerkte. Also schrieben viele an dieser Geschichte einer Kinder-Gang mit, die sich vor dem allgegenwärtigen Genörgel zum Spielen in ein leer stehendes Haus flüchtet. Dort werden sie von zwei Ordnungshütern namens Knack und Knillich aufgegriffen werden, die dümmer sind, als die Polizei erlaubt. Heile, linke Welt also.

Kraft für die Kinder

Für die Gegenwart des Grips hat der griechisch-iranischstämmige Regisseur Vassilis Koukalani zusammen mit dem iranischen Autor Mehdi Moradpour eine Überschreibung des Stoffes vorgenommen. Koukalani inszeniert seit 2011 in Athen sehr erfolgreich Grips-Stücke, eine Prägung, die man deutlich merkt. Den geschichtsträchtigen Berliner Hausgeist – das Kinder-Empowerment, das energetische Spiel, die freche Schnauze – bringt er von Griechenland in zeitgemäßer Gestalt zurück auf die Hansaplatz-Bühne. Fatti (Luisa Charlotte Schulz), Kiki (Alina Strähler), Korna (Ludwig Brix) und Valentin (Frederic Phung) heißen jetzt die Kids ohne Platz. Nach einigem Zwist, wer Spielbestimmer sein darf, landet das gemischte Quartett in einer Bauruine, die jetzt, wen wundert’s, einem Kreditinstitut gehört. Ein tolles Bühnenbild ist Aristoteles Karananos dazu eingefallen. Was anfangs trister Wohnblock auf Holzwand mit vorgeschraubten Mini-Balkonen ist, lässt sich aufziehen und gibt den Baustellen-Rückraum inklusive Schuttrutsche frei.

Das Lied der Wachmänner

Am Grundgerüst der Story wird dabei wenig geschraubt, die Modernisierungen aber sitzen. Statt der Polizisten etwa treten in Slapstick-Paraderollen als Security-Guards René Schubert (Lücke) und Christian Giese (Mücke) auf – zwei Autoritätstrottel, die im „Lied der Wachmänner“ ihren Karriereknick beklagen. Überhaupt, die Musik. Aus „Balle, Malle, Hupe und Artur“ stammen einige der berühmtesten Grips-Songs. Zwei davon – „Deins oder meins“ und „Einer ist keiner“ – hat Volker Ludwig zeitgemäß umgedichtet, passend fürs Arrangement von Caspar Hachfeld und Kasper Föhres.

Dazu steuert „Ohrbooten“-Mitglied Ben Pavlidis zwei neue Lieder bei (unter anderem ein pointiertes Banken-Bashing), die mitreißend hip-hoppig von den Live-Musikern Bettina Koch (Piano), Alexander Maulwurf (Beatboxing) und Sonny Thet (Cello) performt werden. „Banken, irgendwas mit Finanzen, habt ihr die verstanden?“ Wenn das mal kein neuer Evergreen wird.

Gastspiele aus Griechenland und Indien

Eine würdige Auftakt-Premiere also für die Festwochen „On the Child’s Side“ (bis 19. Juni), mit denen das Grips seinen Geburtstag feiert – und seine rund um die Welt geknüpften Freundschaftsbande festigt. Als Gastspiele aus der Athener „Manufaktur des Lachens“ kommen „Mormolis“, die griechische Version der „Mugnog-Kinder!“, sowie Roy Kifts 80er-Jahre-Hit „Stärker als Superman“. Aus Indien, wo ein landesweites „Grips-Movement“ in Gang gesetzt wurde, gastiert die Dschungelbuch-Version „Jamba Bamba Boo“. Dazu kommen eine ägyptische Produktion, eine Jubiläumsgala und Jugendclub-Inszenierungen. Das einende Geburtstagsmotto gibt derweil „Die Lücke im Bauzaun“ vor: „Denn wir sind die vielen, die Welt ist da zum Spielen“ (wieder am 9., 14. und 15. Juni).

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