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Von Weimar nach Harvard. Walter Gropius (18. 5. 1883 – 5. 7. 1969).

© Barfknecht/dpa

50. Todestag von Walter Gropius: Er hat Moderne definiert

Walter Gropius versammelte einst eine sagenhafte Riege von Kreativen: Zum 50. Todestag des Berliner Architekten und Bauhaus-Gründers.

Vor 100 Jahren wurde die Lehranstalt namens Bauhaus in Weimar gegründet, vor 50 Jahren starb der Gründer und erste Direktor, Walter Gropius. Dazwischen lag der kometenhafte Aufstieg dieser Schule für Gestaltung zu weltweiter Geltung, ihre Schließung, die Exilierung fast aller ihrer Lehrkräfte, lagen Barbarei und Weltkrieg und erneuter Siegeszug, nunmehr unter dem Titel „Internationaler Stil“.

Am Ende seines Lebens hat Gropius die Wiederentdeckung des originalen Bauhauses noch miterlebt, 1968 in Stuttgart, von wo die Bauhaus-Wanderausstellung ihre Reise durch die Welt antrat und die Moderne für sich reklamierte.

Gropius stand in den fünfziger Jahren im Zenit seines Ruhms. Er war Professor in Harvard, er bildete dort jene Architekten und Städtebauer aus, die gleich ihm die Lehrstühle an den amerikanischen wie auch zahlreichen anderen Universitäten einnahmen. Man schmückte sich mit ihm, wohin er auch kam. Als er 1956 den Hansischen Goethe-Preis erhielt, revanchierte er sich mit einem Vortrag unter dem Titel „Apollo in der Demokratie“. Der befasste sich „mit der Gestaltung von Schönheit und mit dem Grade ihres Widerhalls in der demokratischen Gesellschaft“, wie Gropius selbstsicher ausführte. Man konnte den Titel des Vortrages mit einer Selbstbeschreibung des Redners verwechseln.

Was Walter Gropius tatsächlich ausführte, hatte mit dem Bild, das Heutige sich vom Bauhaus machen, wenig bis nichts zu tun. Eine ständische Vorstellung von Gesellschaft schimmerte durch, und wenn man an die Anfänge des Bauhauses in Weimar denkt, erkennt man, wieviel von einer solchen, auf Tradition und Handwerk gerichteten Auffassung dem Bauhaus tatsächlich zugrunde lag. Überspitzt gesagt, wurde das spätere Bauhaus „fortschrittlich“ und öffnete sich Technik und Industrie nicht wegen, sondern trotz Gropius.

Gropius machte unermüdlich Reklame für seine Schule

Geboren wurde Gropius 1883 in Berlin. Sein Lebensweg muss hier nicht im Detail nacherzählt werden; auch wenn im Jahr des Bauhaus-Jubiläums unter anderem eine Biografie erschienen ist, die nichts als eine Schmähschrift darstellt und Gropius vor allem als schneidigen, fachlich völlig unfähigen Herrenreiter beschimpft. Es lohnt nicht, auf dieses Machwerk des Bonner Journalisten Bernd Polster einzugehen. Dass Gropius es vermochte, am Bauhaus eine geradezu sagenhafte Riege von Kreativen zu versammeln, so unterschiedlich, ja gegensätzlich sie im Einzelnen auch waren – das allein schon sichert ihm historische Größe.

Aber auch das hätte nicht genügt, das Bauhaus zum Begriff zu machen; es gab schließlich viele Kunstschulen, die sich um zeitgemäße Lehre und Praxis bemühten. Gropius jedoch machte unermüdlich Reklame für seine Schöpfung, am nachhaltigsten mit dem Gebäude, das er in Dessau entwarf und das die Schule im Dezember 1925 beziehen konnte. Die Lehranstalt, ihr Name und ihre Behausung wurden eins.

Gropius' politische Rolle erscheint in neuem Licht

Zum unrunden 41. Geburtstag 1924 erhielt Gropius von den „Meistern“ eine Mappe überreicht, die, ausgehend von einem Reporterfoto, die zwei Wochen zuvor abgehaltene Reichstagswahl zum Thema künstlerischer Bearbeitung nahm. Sechs Bauhaus-Lehrer beteiligten sich mit Arbeiten, für die sie – das Foto war erst eine Woche zuvor veröffentlicht worden – nur sechs Tage Zeit hatten.

Gropius selbst hatte zuvor betont, welche Bedeutung das Ergebnis der Reichstagswahl für die Stellung der stets umstrittenen, von rechts bekämpften Lehranstalt habe. Die Geburtstagsmappe, die durch glückliche Fügung ins Eigentum des Bauhaus-Archivs gelangte, und damit auch Gropius’ politische Rolle erscheinen in neuem Licht dank des kürzlich erschienenen Buches „Weimar 1924. Wie Bauhauskünstler die Massenmedien sahen“ (Stuttgart 2019).

Sechs Wochen nach Gropius starb auch Mies van der Rohe

Gropius schuf sich 1946 in den USA ein großes Architekturbüro, The Architects Collaborative (TAC), dessen Meisterwerk das New Yorker „PanAm“-Gebäude ist – anfangs heftig gescholten und heute als eines der formschönsten Hochhäuser Manhattans gerühmt. In Berlin beteiligte sich Gropius an der „Interbau '57“, bekannt als Hansaviertel, mit einem elegant geschwungenen Wohnhaus auf Stelzen wie bei seinem Antipoden Le Corbusier.

Sechs Wochen nach Gropius verstarb auch Ludwig Mies van der Rohe in den USA, der dritte und letzte Bauhaus-Direktor. Er war in vieler Hinsicht das Gegenbild zu Gropius – ein zeitlebens bauender Architekt und nebenbei ein Meister des Bonmots, nicht des geschliffenen Vortrags. Während Gropius' Ruhm verblasste, blieb derjenige von Mies unangetastet. Mies ist, wie sein großes Vorbild Schinkel, in höhere Sphären entrückt. Gropius hingegen wird derzeit weniger befehdet als verächtlich gemacht. Mag sein, dass das die Kehrseite eines zuzeiten allzu blank polierten Ruhmes ist. Auch darüber wird die Zeit hinweggehen. Das Bauhaus gegründet und zum Inbegriff der Moderne gemacht zu haben, wird schließlich bleiben.

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