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Kultur: Ab und zu eine Zigarre

Kunstbetriebsspiele: die Videokünstlerin Asta Gröting im Marta Herford

„Du bist super.“ „Ach, ich weiß nicht.“ „Doch, du musst dich auch super finden.“ „Wieso – ich find mich aber nicht super.“ „Du bist aber gut. Sogar sehr gut.“ „Ach was – wozu das alles?“ „Weil du so ein toller Mensch bist, mit so vielen Möglichkeiten.“ Minutenlang geht das so weiter. Handelt es sich um den Mitschnitt eines betrieblichen Motivationsgesprächs oder eine Sitzung beim Psychotherapeuten? Nichts von alledem: Ein Bauchredner lässt im Gespräch mit seiner Puppe das Innerste nach außen – all die Selbstzweifel und Verzagtheiten, um sich von dem Geschöpf auf seinem Schoss, wenn auch vergeblich, wieder aufrichten zu lassen.

Eine unbehagliche Szene, deren Mithörer man wider Willen wird – und das gleich vier Mal. Denn im Hauptsaal des Marta Herford, dem im vergangenen Jahr eröffneten Frank-Gehry-Museumsbau, wird vier Mal die gleiche Konstellation an die Galeriewände projiziert. Vier Mal plaudern, plappern Bauchredner und Puppen durcheinander: „Du bist so gut zu mir.“ „Und du erst zu mir.“ „Ich könnte gar nicht ohne dich sein.“ Oder: „Du verstehst mich nicht.“ „Wie bitte?“ „Ich sagte, du verstehst mich nicht.“ „Aber ich gebe mir doch schon die größte Mühe.“ „Womit?“

Der Berliner Künstlerin Asta Gröting (Jahrgang 1961) ist mit dieser Assemblage ihrer 19 Videos umfassenden Serie „The Inner Voice“ eine fulminante Introspektion gelungen. Sie passt zur organischen Struktur der Museumsarchitektur ebenso wie zum Zwitterwesen des Marta Herford, das sich nicht nur als klassisches Ausstellungshaus versteht, sondern zugleich als Design-Schaufenster der im Westfälischen angesiedelten Möbelindustrie dient. Auch Asta Grötings Puppenspiel ist ein Zwitter im Kunstbetrieb. Ausgebildet in den Achtzigern in Düsseldorf an der Eliteakademie hatte sie als bereits überaus erfolgreiche Bildhauern eigentlich eine Bilderbuchkarriere vor sich. Doch statt weiter skulpturale Formen für die menschlichen Organe zu finden, verlegte sie sich auf die Suche nach dem Sitz der Seele, verkörpert als Stimme aus dem Innersten. Zu ihren wichtigsten Partnern, ja zu ihrem künstlerischen Material wurden nun Bauchredner, denen sie die Dialoge für schockierend aufrichtige Gespräche schrieb über Liebe, Tod, Versagensangst mit einer Puppe, welche die Züge der Künstlerin trägt.

Diese Liaison mit dem Varieté, die Kooperation mit Schaustellern ist ein gewagtes Spiel im aktuellen Kunstbetrieb. Koketterien etwa mit Kitsch werden dort zwar akzeptiert, ja goutiert, solange man die Grenze zwischen U- und E-Kunst respektiert. Asta Gröting hat also einiges riskiert und dabei ein völlig neues Genre etabliert. „The Inner Voice“ gleicht einem unterirdischen Kanal zwischen der Welt des Vaudeville und der Hochkunst, die sonst nichts gemeinsam haben. Das Publikum ist ihr treu geblieben; es hat gespürt, dass es bei allem grobem Witz, der klassisch zu den handfesten Dialogen zwischen Bauchredner und Puppe gehört, um etwas geht. Die völlig artifizielle Situation besitzt eine Aufrichtigkeit, wie man sie im Ausstellungsbetrieb selten erlebt.

Und noch etwas bringt die Aussteigerin neu ins Spiel, die am Ende doch wieder passgenau da gelandet ist, woher sie kommt und wohin sie gehört: den Humor, der sich üblicherweise ebenfalls schlecht mit der E-Kunst verträgt. Zu den witzigsten, abgründigsten Darstellungen von sozialer Distinktion gehört ihre Video-Performance „Arbeiter Unternehmer Lehrer“, ausgeführt von zwei symbolischen Handschuhen, einem Säurehandschuh und einem Skihandschuh. Der Darsteller hebt entsprechend zu jedem neuen Begriff symbolisch eine Hand: „Biertrinken, Weißwein, Champagner“ oder „Viel Rauchen, nicht Rauchen, ab und zu eine Zigarre“. Das an Pierre Bondpreis Studie „Die feinen Unterschiede“ angelehnte Rollenspiel reizt zunächst zum Lachen; erst nach und nach offenbart es seine Boshaftigkeit.

Mit ihrer Frechheiten ist Asta Gräting eine Ausnahme im Betrieb. Schon die Erklärung, warum sie mit dem Kleinkunst-Milieu kollaboriert – es mache ihr „einfach bessere Laune“ –, hat das Zeug zum Affront. Glücklicherweise wirkt die gute Laune ansteckend und führt nicht zu Abstrafung oder Ausschlussprinzip. Trotzdem fährt die Angst, von den Machern, den Kuratoren fallen gelassen zu werden, auch bei einem Freigeist wie Gröting immer noch mit. Die Künstlerin gesteht das unverhohlen ein: In ihrem Video „Schneller mit ...“ schickt sie Kaspar König, einen der bundesweit wichtigsten Ausstellungsmacher, und ihre Berliner Kollegin Maria Eichhorn im Endlos-Loop auf ein virtuelles Wettrennen. Mal ist der eine vorn in seinem ausgebrannten Autowrack, mal der andere. Im Hintergrund läuft ein illegales Autorennen. Die groteske Konkurrenzsituation zwischen Künstler und Kurator ist mit dieser einfachen Metapher auf den Punkt gebracht. Zumindest in Herford ist Asta Gröting wohlbehalten gemeinsam mit Museumsdirektor Jan Hoet ins Ziel gekommen.

Marta Herford, bis 5. März; Katalog (Revolver Verlag, Frankfurt / M.) 20 Euro.

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