zum Hauptinhalt

Kultur: Abbado und Pollini

Es wird gejubelt. Um nichts anderes geht es diesmal in der Philharmonie als um das Lob des Herrn, der Menschheit und der Tonkunst.

Es wird gejubelt. Um nichts anderes geht es diesmal in der Philharmonie als um das Lob des Herrn, der Menschheit und der Tonkunst. Ein ungewöhnliches Motto für Claudio Abbado, den Tiefschürfenden, Grüblerischen, und vielleicht sind das gleißende Halleluja von Mendelssohns selten gespielter "Lobgesang"-Sinfonie und die verzückte Beschwörung des Kunst-Hochgefühls in Beethovens Chorfantasie auch noch hintersinniger gemeint: Als demonstrativer Schlusspunkt hinter alle Schicksalsschläge und Querelen, die die letzten Jahre trübten. Gefeiert wird an diesem Abend die Eintracht der blendend aufgelegten Philharmoniker mit ihrem scheidenden Chef. Wie von selbst stellt sich in der Chorfantasie der so schwer zu treffende Ton schwebender Gelöstheit ein, scheinen die beredten Bläsersoli auch den am Anfang noch arg fahrigen Maurizio Pollini am Klavier zu entspannen. Die festliche Stimmung integriert selbst das, was eigentlich nicht zusammen gehört: Die Sängerstars Peter Seiffert und Karita Mattila jubeln ihre Solostellen so lauthals heraus, dass von den übrigen Solisten aus dem Kreis des Schwedischen Rundfunkchores nichts mehr zu hören ist - doch wer würde sich bei diesen Stimmen darüber beschweren wollen? Der leuchtende, homogene Klang, mit dem die (durch den schwedischen Eric Ericson Kammerchor ergänzten) Chorsänger Mendelssohns Sinfonie-Kantaten-Zwitter Glanzpunkte aufsetzen, die Eleganz mit der die Philharmoniker-Streicher die dreisätzige Einleitung zwischen sinfonischem Gewicht und voraneilendem Impuls balancieren, sind für sich schon ein Vergnügen. Peter Seifferts Tenorsoli von beinahe Lohengrin-artiger Autorität und Mattilas überströmender, in den letzten Jahren merklich dramatischer gewordener Sopran geben selbst den schwächeren Momenten des Stücks die notwendige Präsenz.

Dass Mendelssohns Sinfonie wahrlich nicht sein stärkstes Stück ist, dass es vermutlich von einer zügigeren, schlankeren Interpretation mehr profitieren würde - man darf es für diesen Abend getrost vergessen. Und jubelt am besten einfach mit.

Jörg Königsdorf

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false