zum Hauptinhalt

Kultur: Abgestürzt, einstweilen

Nun ist er abgestürzt - "Daidalos", dieser wunderbare Alamanch für arkadische Architekturexerzitien.Die Luft war zu dünn geworden in jenen erdenfernen Regionen sorgfältig ausgearbeiteter Gedanken.

Nun ist er abgestürzt - "Daidalos", dieser wunderbare Alamanch für arkadische Architekturexerzitien.Die Luft war zu dünn geworden in jenen erdenfernen Regionen sorgfältig ausgearbeiteter Gedanken.Wo nunmehr wenige leben, der spärliche Nachwuchs die Abonnentenlisten nicht mehr zu füllen vermochte: Der potente Medienriese Bertelsmann schmückt sich lieber mit eingekauften Orchideen, als sich an die so kostspielige wie mühselige Hege exotischer Gewächse zu verschwenden.

Immerhin siebzehn Jahre lang florierte die Zeitschrift für "Architektur Kunst Kultur".Ins Leben gerufen von Ulrich Conrads, fortgeführt von Gerrit Confurius, frönte sie von Anfang an der Passion, ein Sujet aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten, scheinbar monothematische Gedankengebäude zu dekonstruieren - nur um sie hernach um so schillernder wieder neu entstehen zu lassen.Nicht selten machte der hochfliegende Daidalos früher als andere neue Perspektiven aus.Die er dann freilich theoretisch und praktisch zu erden verstand.Leitthemen der Vierteljahrhefte hießen zum Beispiel Ordnung und Unordnung", "Perfekte Unvollkommenheit" oder "Der gequälte Würfel".

Nachgedacht wurde hier anhand konkreter Beispiele, räsonniert in essayistischen, oft fulminanten Beiträgen von architektonischen Praktikern, wissenschaftlichen Köpfen verschiedener Disziplinen, literarischen Federn.Illustriert anfangs vom klassichen Architektenmedium, der Zeichnung, später, zusätzlich mit Fotografien.

"Wahrheit und Lüge in der Architektur", eines der frühesten Themenhefte, hätte auch den Titel geben können zu einem der letzten, welches Leistungen und Fehlleistungen der "objektiven" fotografischen Architektur-"Dokumentation", ihre erhellenden wie verschleiernden Möglichkeiten im Prüfstand testete: "Fotografie als Argument".Ist ihr propagandistisches Potential vergleichbar der "Rhetorik"? Deren Spielarten der Selbstdarstellung in Rede und "gestischer Architektur" war man davor auf der Spur.Man benannte die Stilfiguren, die doppelten Pirouetten und dreifachen Rittberger einer "Rhetorik der Architekturkritik" in Pflicht und Kür - selbst hielt man sich dezent zurück.Den zweisprachig - deutsch und englisch - gehaltenen Diskursen wurden dienende Illustrationen mitgegeben.Ganzseitige Fotografien gab es im Quartformat nicht allzu häufig, und wenn, treten sie auf schwerem Papier mit samtigem Schimmer als distinguierte Kunststücke auf.Grellbunte Werbung fand allein auf einer Art mehrblättrigem Frontispiz, gleichsam im Foyer statt.In einer für sie günstigen "Atmosphäre", so das Sujet des letzten Heftes mit der Zählnummer 68, parlierten dann im Salon Architektur, Kunst und Kultur unter Ausschluß der merkantilen Öffentlichkeit.

Ein Konzept, dem in einer zusehends kapitalisierten Kultur keine Agora mehr freigehalten wird.Man überlege neue Stoßrichtungen, heißt es im Verlag, Ansätze, die auf tragfähiger Werbung ruhen, man suche nach Partnerschaften.Noch seien die Flügel nur zusammengefaltet, nicht verbrannt, die Wiederauferstehung nicht ausgeschlossen - on verra! Einstweilen gilt: Ruhe in Hoffnung.

WERNER JACOB

Zur Startseite