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Neun neue Stücke in sieben Proben haben sie erarbeitet. Die Berliner Symphoniker mit Lior Shambadal beim Abschlusskonzert des "New Life Festival".

© Daniela Incoronato

Abschluss des „New Life Festival“: Wenn die Terzen tanzen

Jüdische Komponisten neu entdecken. Die Berliner Symphoniker unter Lior Shambadal beim Abschlussabend des Festivals „New Life“.

„New Life Festival“ nennt die Kantorin und Sopranistin Mimi Sheffer die von ihr initiierte Reihe von Konzerten und Vorträgen, die der Musik geflüchteter jüdischer Komponisten zu neuem Leben verhelfen will. Im Fokus stehen diejenigen, die in Palästina Beiträge zu einem „israelischen“ Musikstil leisteten. Lebenspfade mit ihren Brüchen und Neubestimmungen werden damit aufgezeigt. Paul Ben-Haim alias Paul Frankenburger aus München erhält aus Anlass seines 120. Geburtstags und seines Wirkens für einen „östlichen Mittelmeerstil“ besondere Aufmerksamkeit.

Im Abschlusskonzert der Berliner Symphoniker unter ihrem umtriebigen Chefdirigenten Lior Shambadal vertritt Alexander Uriah Boskowich die naive Spielart dieser Klangwelt: Seine Suite „Die goldene Kette“ transformiert chassidische Melodien in kitschverdächtigen Cinemascope-Sound, trotz reizvoller Klangkombinationen und rhythmischem Drive. Vielleicht verschluckt auch die Akustik der für solche Monumentalität einfach zu kleinen Elisabethkirche alle Differenzierungen.

Ofra Yitzhaki fördert Melodisches zutage

Die fesseln umso mehr bei der deutschen Erstaufführung des ersten Klavierkonzerts von Josef Tal: Der aus Posen stammende, in Berlin erfolgreiche und 1934 nach Palästina geflüchtete Komponist wurde dort zum Pionier der elektronischen Musik und vertrat stets die Position der Moderne. So schweift auch sein Klavierkonzert, von Bartók ausgehend, immer wieder durch nahezu atonale Landschaften, ist spröde, kompromisslos und doch vor allem in rhythmischer Vielfalt mitreißend. Mit dem Verzicht auf Chromatik entstehen auch kaum „jüdisch“ wirkende Anklänge. Auch später zeigte sich Josef Tal als allen Entwicklungen aufgeschlossener Kosmopolit; er machte auch in Deutschland immer wieder mit avantgardistischen Werken – erinnert sei an die Oper „Der Turm“ von 1983 – Furore. Im Klavierkonzert von 1945 fördert die souveräne Solistin Ofra Yitzhaki erstaunlich Melodisches zutage, lässt damit thematische Bezüge erkennen, ohne den perkussiven Passagen die nötige Kraft und auch Härte schuldig zu bleiben.

Auch im größten Klangaufruhr noch Transparenz

Eine gänzlich andere Klangsprache beim Violinkonzert von Josef Kaminski; in schillernder Chromatik gehalten, gespickt mit den übermäßigen Terzen der osteuropäischen Tonleiter beschwört es eine versunkene Stetl-Welt herauf. Seine Entstehungszeit von 1947 bis 1949, die dramatische Spannung lässt an das Leid und Entsetzen der Jahre davor denken. Ganz anders als bei Tal, der harte Kontraste gegeneinandersetzt, ist das Klanggeschehen im Fluss, faszinierend gestaltet von Erez Ofer, mit leuchtendem, ausdrucksgesättigtem Ton und stupender Brillanz. Was nicht minder für das Orchester gilt: Nach Hans Gáls heiter-raffinierter Ouvertüre „Die heilige Ente“ passt es sich präzise den folgenden Stückcharakteren an, bewahrt auch im größten Klangaufruhr noch Transparenz. Neun neue Stücke habe man für das Festival in sieben Proben erarbeitet, lobt Shambadal sein Orchester. Die Mühen haben sich gelohnt, die Begegnung mit diesen unbekannten Werken ebenfalls.

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