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Kultur: Ach, Prinzessin!

Anna Netrebko als „Iolanta“ in der Philharmonie.

Zunächst das Wesentliche: Anna Netrebko war da – keine Selbstverständlichkeit, wie Staatsopernintendant Jürgen Flimm im Mai erfahren musste, als sie ihm die Donna Anna im „Don Giovanni“ absagte. Jetzt tourt Netrebko mit der Slowenischen Philharmonie durch Deutschland und Österreich, im Gepäck hat sie ein weitgehend vergessenes Stück aus ihrer russischen Heimat: „Iolanta“, Tschaikowskys letzte Oper, geschrieben ein Jahr vor seinem Tod 1893 und nur einaktig, deshalb auch für den Opernbetrieb schwer verdaulich. Vergangenes Jahr hat Netrebko die Rolle in Salzburg, auf eigenen Wunsch, erstmals gesungen.

Iolanta lebt in den Paradiesgärten ihres Vaters, des provencalischen Königs, in einer Art unaufgeklärtem Urzustand: Sie weiß weder, dass sie blind ist, noch dass sie eine Prinzessin ist. Im konzertanten Rahmen braucht Netrebko sich nicht groß mit Darstellungskünsten zu quälen, und so gibt sie dem Affen nur ein bisschen Zucker, schickt die leeren Blicke einer Blinden durch die Philharmonie und gibt ansonsten eine ziemlich pralle, selbstbewusste Frau. Dass sie von des Gedankens Blässe angekränkelt ist, es könnte noch eine Welt jenseits ihrer Dunkelheit geben, ist höchstens zu ahnen – was natürlich auch an der glutvollen Stimme liegt, an diesem immer noch prachtvollen, rotschimmernd eingedunkeltem Sopran, der sich so plötzlich in gleißende Helle aufschwingen kann und doch, gerade in dieser Höhe, zu berührend ausgedünnten, zärtlichen Tönen in der Lage ist.

Das Orchester wird da zur völligen Nebensache. Emmanuel Villaume bemüht sich zwar um inspirierte Leitung, und die Celli und Bläser klingen auch ambitioniert, aber das hilft wenig, wenn der Streicherteppich durchhängt wie ein nasser Waschlappen. Dafür steht Netrebko eine formidable Sängerriege zur Seite. Vitalij Kowaljow ist als König zwar etwas steif, singt aber mit prachtvoll-ausgereiftem Bass. Und Sergej Skorokhodovs schlanker, warmer Tenorton mischt sich in der zentralen Szene des Stücks suggestiv mit Netrebkos verlockend schillerndem Sopran. Als burgundischer Ritter Vaudemont dringt er in die Gärten ein und erzählt ihr von den Wundern der sichtbaren Welt. Damit bricht er alle Dämme: Iolantas Wunsch ist geboren, sehen zu können, was der maurische Arzt Ebn-Hakia (Vassily Savenko) auch bewerkstelligt. Im demonstrativem Schlussjubel zeigt sich die Schwäche des Stücks: Gepriesen wird nicht das Licht der Aufklärung, sondern, etwas grobschlächtig, die Gnade des Schöpfergottes. Kein Vergleich zu der stillen, intimen Wucht, mit der Tschaikowsky in „Eugen Onegin“ den Menschen selbst für sein Schicksal verantwortlich macht. Und wenn Netrebko am Ende mit ganzer Strahlkraft singt „Nimm an das Lob einer demütigen Sklavin, meine Stimme ist schwach und zaghaft der Blick“, wird es auch noch unfreiwillig komisch. Udo Badelt

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