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Sixpack. Bei Pendleton setzen sich die Arbeiten wie „Them Not Now“ aus mehreren Bildern zusammen.

© Andy Romer / Galerie Max Hetzler

Adam Pendleton in Berlin: Black Dada

Adam Pendleton ist der absolute Überflieger der New Yorker Kunstszene. Die Galerie Max Hetzler holt ihn für eine Schau nach Berlin.

Ein hochbegabtes und von der eigenen Hochbegabung schwer überzeugtes schwarzes Wunderkind, das von seinen Eltern früh gefördert wird, als kaum Adoleszenter nach New York geht und in der dortigen Kunstszene rasch durchstartet – mit Arbeiten, die deutlich Bezug nehmen auf Graffiti- wie auf schwarzafrikanische Volkskunst…

Wer nun darauf tippt, dass hier die Rede vom Maler Jean-Michel Basquiat ist, der sollte in jeder Quiz-Show immerhin ein paar tausend Euro gewinnen können. Wer aber auf Adam Pendleton kommt, verdient schon den Hauptgewinn. Man darf annehmen, dass der Künstler hierzulande bislang nur einem sehr eingeweihten Publikum bekannt ist – und jenen Berliner Hipstern, die wirklich keine Ausstellung in den Kunst-Werken verpassen. Dort nämlich hatte Pendleton vor zwei Jahren bereits eine Solo-Schau, ganz oben in der dritten Etage, die er mit nur einer einzigen Geste bespielte: einer diagonal durch den Ausstellungsraum gezogenen Mauer (Bleibtreustr. 45 & Goethestr. 2/3.; bis 29.6., Di–Sa 11–18 Uhr).

1984 – vier Jahre vor Basquiats Tod – in Richmond als Sohn einer Lehrerin und eines Musikers geboren, absolvierte Adam Pendleton die High School zwei Jahre schneller als seine Mitschüler, besuchte rasch in Italien die Kunstschule, bezog sein erstes Loft im, natürlich, New Yorker Stadtteil Williamsburg, wurde bald von der berühmten Kunstkritikerin der New York Times, Roberta Smith, besprochen und kam rasch in der renommierten Galerie von Yvon Lambert unter. Als er mit 28 zur Großgalerie Pace wechselte, war er der jüngste dort unter Vertrag genommene Künstler seit den siebziger Jahren.

Pendleton arbeitet ausschließlich in Schwarz-Weiß

In Deutschland gibt es nichts Vergleichbares – aber der in Berlin ansässige Max Hetzler ist schon einer der wichtigsten Galeristen des Landes. Er zeigt nun also Adam Pendletons erste deutsche Solo-Ausstellung in einer Galerie. Ihr Titel: „Who We Are“. Und weil es da – last but not least – auch ums Verkaufen geht (die Preise bewegen sich zwischen 18 000 und 225 000 US-Dollar), fällt der Auftritt erwartungsgemäß kleinteiliger aus als jener in den Kunst-Werken.

Was bald auffällt – und weshalb der Basquiat-Vergleich nicht überstrapaziert werden sollte: Ob Bilder, Serien oder Installationen, Pendleton arbeitet offenbar ausschließlich in Schwarz-Weiß. Gelegentlich auch Schwarz in Schwarz, wie bei den „Black Dada“-Bildern in Hetzlers intimeren Räumen in der Bleibtreustraße, einer ehemaligen Wohnung. Diese Bilder enthalten schon eine ganze Menge von dem, was für Pendletons Kunst essentiell ist: die Verwendung von Typografie, die Beschäftigung mit der schwarzen Identität und den Rückgriff auf die Kunstgeschichte.

Sprache und Geschichte und Wiederholung

Andere Bilder zeigen Fragmente von Zitaten in Graffiti-Ästhetik. Immer wieder lässt sich das Wort „Nigger“ entziffern. Und „Crazy“. „Crazy Nigger“ hieß ein Stück des Minimal-Music-Komponisten Julius Eastman. Nicht nur die Papier-, auch die vermeintlich gemalten (oder gesprayten) Leinwandarbeiten sind Drucke in Einzelauflagen. Einige Werke bestehen aus bis zu 27 zusammengefassten Bildern – fast wie bei den berühmten Fotografien von Bern und Hilla Becher. Nur dass diese ihre Typologien – Wassertürme, Hochöfen oder Gasometer – sorgsam getrennt haben, während Pendleton sie ebenso sorgsam mischt, arrangiert, iteriert (wie Eastman die Sektionen seiner Minimal Musik): die gestisch abstrakten Bilder; die Typografie-Bilder; die Ethno-Bilder mit afrikanischen Masken. Keine Regel ohne Ausnahme: Es gibt da auch eine vierteilige Arbeit nur mit Masken-Bildern: „Untitled (masks)“. Aber dieses Akribische, fast Pedantische, das Verkopfte – damit hat sich der Basquiat-Vergleich wirklich erledigt.

Sprache und Geschichte und Wiederholung. Mit diesen drei Begriffen lässt sich das Werk Pendletons dann doch ganz gut einkreisen. Besser als mit dem Hinweis auf Materialien und Techniken. Wie andere Konzeptkünstler heute auch will er sich nämlich nicht einfach auf eine der klassischen Kunstgattungen festlegen. So gibt es in Hetzlers zweiter Niederlassung in der Goethestraße, einer imposanten Halle, neben weiteren Bildern vor allem zwei Filminstallationen zu sehen. Hier hat mit Pendleton einfach ein höflicher, beinahe schüchterner junger Mann, Undercut und kurzer Vollbart, der sich als Künstler auch als Performer versteht, zwei von ihm offenbar bewunderte Performer, Tänzer, Choreografen porträtiert. Mit Yvonne Rainer, einer Begründerin des postmodernen Tanzes, hat er zwei Wochen vor deren 82. Geburtstag in einem New Yorker Diner zusammengesessen.

Den Tänzer Ishmael Houston-Jones, schwarz und schwul wie Pendleton, aber, anders als dieser, ohne Geschwister und ohne Partner, lässt er vom Sterben des Vaters und seiner Angst vor Einsamkeit und Tod erzählen. Und tanzen. In einem Raum mit Bleiglasfenstern. Keine Regel ohne Ausnahme: Da wird das bis dahin schwarzweiße Bild irgendwann plötzlich farbig. Ob die roten und blauen und violetten Glasscheibchen einfach zu laut danach verlangt haben?

Jens Müller

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