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Kultur: Addio, mamma!

Dirigent Antonio Pappano über die Opernkrise

Signor Pappano, die Regierung Berlusconi hat den Opernhäusern Italiens massive Kürzungen verordnet. Häuser wie Genua stehen vor der Schließung, Künstler und Gewerkschaften schlagen Alarm. Schafft sich das Opernland Italien ab?

Die Lage ist bedrohlich. Auch für mein Santa-Cecilia-Orchester in Rom, das mit den Opernhäuser zusammen in einen Topf geworfen worden ist. Unfairerweise, denn ein Sinfonieorchester hat ja gar nicht den Apparat eines Opernhauses. Wir fühlen uns, als ob wir für unseren Erfolg bestraft werden – unsere Auslastung ist in den letzten Jahren gestiegen.

Berlusconis Kulturminister Sandro Bondi argumentiert, dass die Kürzungen die Häuser zwingen werden, mehr private Gelder einzuwerben.

Ich mache das sowieso – und zwar nicht nur in Italien. Als Chefdirigent von Londons Covent Garden stehe ich vor einer ähnlichen Situation. Auch hier hat die neue Regierung gesagt, dass die Gelder für Kultur gekürzt werden. Es wird hart.

Bedeutet weniger Geld weniger Oper?

Die Kürzungen bedeuten natürlich, dass wir uns überlegen müssen, welche Projekte wir uns leisten können. Das Problem ist, dass ein Haus nicht davon abhängig sein darf, 20 Traviatas zu finden.

In Covent Garden klappt das Einwerben von privaten Geldern ausgezeichnet.

Wir versuchen, die Geldgeber näher an den Betrieb heranzubringen. Zum Beispiel haben wir einen „Maestro circle“, dessen Mitglieder auch bei meinen Proben und Meisterklassen dabei sind. Wenn sie sehen, wie Oper entsteht, sind sie anders involviert. Das heißt für mich natürlich auch, dass ich mich um die Leute kümmern muss, die ermöglichen, dass ich meiner Arbeit nachgehen kann.

Während Covent Garden ein perfekt durchorganisiertes Opernhaus ist, wird den italienischen Opern Ineffizienz vorgeworfen: Die meisten kommen nicht einmal auf halb so viele Vorstellungen wie ein deutsches oder englisches Opernhaus.

Italiens Opernhäuser haben strukturelle Probleme. Hier wurde immer sehr kurzfristig geplant, man hat den Sängern das Geld hinterhergeworfen und der Rest – Dirigent, Regie – war nicht so wichtig. Das geht heute nicht mehr: Das Publikum will eine überzeugende Show mit guten Darstellern sehen. Um die wenigen Spitzensänger zu bekommen, um die sich die Welt balgt, muss man langfristig planen. Das ist hier sehr schwierig angesichts inkompetenter Theaterleitungen, unfähiger Bürokratie und schwieriger Gewerkschaften.

Das klingt nicht eben optimistisch.

In Italien genießt man la bella vita, statt sich um Probleme zu kümmern. Auf der anderen Seite besitzt das Land eine erstaunliche Fähigkeit, sich aus großen Schwierigkeiten herauszuwinden.

Vielleicht hat die Oper in Italien einfach an Bedeutung verloren. Die Zeiten, wo aus dem Vaterland der Oper auch die großen Sänger kamen, sind Geschichte.

Es gibt in Italien im Moment keinen großen Tenor und keine große Sopranistin für das dramatische Fach. Bei Mezzosopranistinnen, Baritönen und Bassi sieht es besser aus. Aber die Sopran- und Tenorhoffnungen werden verbrannt, weil sie zu schnell zu schwere Rollen singen müssen. Die Entwicklung von Sängern braucht Zeit. Nehmen Sie Jonas Kaufmann, das Vorbild für den Tenor schlechthin. Kaufmann hatte die Zeit, seine Stimme zu entwickeln.

Und die deutschen Stadttheater ihm die Möglichkeit dazu gegeben haben.

Ja, deshalb sage ich den jungen italienischen Sängern immer: Geht raus aus Italien! Nur so habt ihr die Chance, euch zu entwickeln Aber das ist hier nun mal schwierig: Man bleibt bei Mamma.

War Berlusconi eigentlich schon mal bei Ihrem Orchester zu Besuch?

Ich glaube, das interessiert ihn nicht.

Das Gespräch führte Jörg Königsdorf.

Der Brite Antonio

Pappano
, 50, ist Chefdirigent von Covent Garden und des

Orchestra di Santa Cecilia
Rom. Am 31. 10. gastiert er

mit den Römern in der

Berliner Philharmonie.

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