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Kultur: Äpfel für den Standesbeamten

Der Film „Die syrische Braut“ erzählt vom Irrsinn an der israelischen Grenze

Eine Braut im Niemandsland, auf einem Stuhl zwischen Grenzzäunen, bei vierzig Grad im Schatten. Der syrische Bräutigam, unterwegs im Klappermobil, kommt viel zu spät zum Termin. Der Vater der Braut steht unter Dauerbeobachtung der israelischen Polizei. Sein Sohn, als Soldat jenseits der Grenze stationiert, bestellt sich israelischen Kaffee, per Megaphon. Dessen Bruder, Geschäftsmann in Italien, beschenkt Rot-Kreuz-Mitarbeiterinnen mit Parfüm. Der andere Bruder, Anwalt in Russland, gilt im Dorf als Ausgestoßener.

Es ist die traurigste Hochzeit aller Zeiten und die komischste dazu. Es geht um einen Abschied für immer – und der ganze Aberwitz im Nahen Osten ist zusammengeschnürt in einer Familiengeschichte. Eran Riklis’ Film „Die syrische Braut“ ist eine schwarze Komödie, gewürzt mit Verzweiflung, Wut, Melancholie und viel Situationskomik. Und immer trifft der Regisseur genau den richtigen Ton.

Der Ort des Geschehens: das Dorf Majdal Shams auf den Golanhöhen, im Niemandsland zwischen Syrien und Israel. Wer hier lebt, kann die nach Syrien ausgereisten Verwandten nur per Megaphon begrüßen, von einem Hügel zum anderen. Und wer hier weggeht, kommt nicht mehr zurück. So wie die schöne Mona (Clara Khouny): Sie soll nach Syrien heiraten, in die Freiheit, weg von Ausgangssperren, Grenzkontrollen, Razzien. Und gleichzeitig weg von der geliebten Familie: Sobald sie den Grenzübergang nach Syrien überschritten hat, gibt es kein Zurück.

Eran Riklis, in London ausgebildeter israelischer Regisseur, war von der Situation der Golanhöhen fasziniert, seit er zum ersten Mal dort drehte. Ein Israeli, der auf den Golanhöhen filmt: schon das ein Politikum. Und dass „Die syrische Braut“, bei aller impliziten Israel-Kritik, in den Kinos von Jerusalem und Tel Aviv ein Erfolg wurde: auch das ein kleines Wunder. Auf den Golanhöhen jedoch war der Film noch nicht zu sehen: Es gibt dort kein Kino.

Es sei nicht leicht gewesen, so Riklis, das Vertrauen der Bevölkerung von Majdal Shams zu gewinnen, die als Laiendarsteller im Film mitwirken. Schon der Titel von Riklis’ erstem Spielfilm von 1984, „On a clear day you can see Damaskus“, spielt auf die spezielle geografische Situation zwischen Israel und Syrien an: in aller Nähe so fern. 1998 kehrte Riklis für den Dokumentarfilm „Borders“ noch einmal in die Gegend zurück. Darin gibt es auch eine Hochzeit im Grenzgebiet, mit allen damit verbundenen Komplikationen. Schon damals wusste Riklis: Die Geschichte ist noch nicht zu Ende erzählt. Und kam ein weiteres Mal wieder.

„Die syrische Braut“ ist das Ergebnis dieser Rückkehr – und versammelt alles, was an Hindernissen für eine Hochzeit denkbar ist. Den dominanten Vater (wunderbar autoritär: Israels Starschauspieler Makram J.Khoury), den verstoßenen Sohn (Eyad Sheety), die rebellische Schwester (die eigentliche, tragische Hauptfigur: Hiam Abbass). Schikanöse Polizisten, sture Beamte, hilflose RotKreuz-Vermittler. Dazu die Dorfältesten: In Majdal Shams leben strenggläubige Drusen, die jede Heirat mit einem Auswärtigen als Verrat empfinden. Und dann ist noch die neue israelische Verordnung in Kraft getreten, wonach jeder Pass vor dem Grenzübergang mit einem Stempel zu versehen ist. Doch israelische Stempel werden von Syrien nicht anerkannt...

Nun sitzen alle fest, hüben wie drüben, während die Rot-Kreuz-Vermittlerin hilflos hin und her eilt, von Grenzposten zu Grenzposten. Immer mehr wird der Film zum realen Albtraum, der doch so lakonisch, so irreal daherkommt wie eine gute Komödie. Es ist ein Leben im Zwischenreich für die Hochzeitsgesellschaft. Am Ende helfen so unkonventionelle Mittel wie eine Tube Tipp-Ex, ein Telefonat mit dem syrischen Präsidenten, eine Kiste Äpfel für den Standesbeamten, ein Grenzsoldat, der das Tor kurz öffnet, und eine Braut, die plötzlich einfach losläuft. Und man hofft im Stillen, dass sich auch andere Probleme im Nahen Osten so lösen ließen: mit Fantasie, Improvisationskunst und Menschlichkeit.

Es sind solche Szenen, die im Gedächtnis bleiben: Mona und ihre Freundinnen, fröhlich schwatzend auf dem Weg zum Friseur. Die russische Ehefrau Hattems, die im Taxi zur Hochzeit noch einige Worte in der fremden Sprache übt. Der israelische Beamte, wie er an der Straße zu den Golanhöhen Äpfel einkauft. Ganz normale Menschen. Ganz normale Tätigkeiten. Noch ist nichts normal in Majdal Shams.

In Berlin in den Kinos Eiszeit, Filmtheater am Friedrichshain, Neue Kant Kinos, Passage und Hackesche Höfe (OmU)

Christina Tilmann

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