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Kultur: Affektreich

Purcells „Dido und Aeneas“ im Radialsystem.

„Tristan & Associates“ nennt sich eine Studententruppe aller Berliner Kunsthochschulen um Tristan Braun, einen 23-jährigen Regiestudenten an der Hanns-Eisler-Musikhochschule. Sänger, Musiker, Tänzer und fast das gesamte notwendige Produktionspersonal befinden sich noch in der Ausbildung und zeigten nun im Radialsystem mit Henry Purcells kompaktem Dreiakter „Dido und Aeneas“, was sie schon alles können. Kaum eine Barockoper ist dafür besser geeignet, breitet doch die Musik zwischen dramatischem Ausbruch und innigem Lyrismus in 70 Minuten eine reiche Gefühlslandschaft aus.

Unter den didaktisch-familiären Fittichen von Thomas Quasthoff und Lioba Braun, die als Gäste den Prolog deklamieren, investieren die Studenten all ihr Herzblut. Und sie machen ihre Sache gut: allen voran Dirigent Jakob Lehmann, der seinen Kommilitonen mit großem Ausdruckswillen einiges abverlangt. Nicht immer kann das Continuo seinen robusten Tempi folgen, intonatorisch klemmt es bei den Streichern zuweilen. Aber die Richtung stimmt, das Affettuoso ist verstanden und empfunden, da kümmern Unfälle kaum. Das gilt auch für das Tänzer- und Sängerensemble: Hier überzeugt der darstellerische Impuls.

Auf Vera Römers karger Bühne lassen besonders Farrah El Dibany und Michael Rapke in den Titelrollen aufhorchen. Dunkle, erdige Töne verleihen der Königin von Karthago ihren hochdramatischen Charakter, aber El Dibany gibt auch Didos Verletzlichkeit preis. Rapke wiederum vermag seiner Stimme die ganze Zerrissenheit des heißblütig-hasenfüßigen Aeneas aufzuladen. Mancher Affekt mag überzogen sein und die Intonation darunter leiden. Aber dieses geradezu szenische Singen, von Brauns kaum deutender Regie ungestört, zeugt von darstellerischem Instinkt und will alles andere sein als absolute Musik. Das vermag sogar zu ergreifen. Christian Schmidt

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