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Aura des Schweigens. Afrikanische Kunst im Pariser Musée du Quai Branly.

© PATRICK KOVARIK/dpa

Afrikanische Kunst in Paris: Tausend Augen, aber kein Blickkontakt

Frankreich bestimmt sein Verhältnis zu afrikanischer Kunst neu. Was merkt man davon im Museum? Ein Besuch im Pariser Musée du Quai Branly.

So viele Augen, so viele Blicke. Die Masken aus Afrika, der Kopfschmuck aus Ozeanien, die Azteken-Krieger mit ihren quadratischen Schädeln, Totempfähle, Voodoo-Figuren – sie schauen dich an. Sie sehen dir entgegen, all die steinernen, hölzernen, metallischen Gestalten, gelassen, unergründlich. Sie starren aus dem Halbdunkel der Säle, aus schmalen Schlitzen, leeren Augenhöhlen, zauberhaften Antlitzen, bedrohlichen Visagen. Man fühlt sich auf der Stelle ertappt, hier im Pariser Musée du Quai Branly mit seinen außereuropäischen Schätzen.

Auf Stippvisite in Paris reicht die Zeit gerade noch für einen kurzen Besuch der Sammlungen. Wie sieht es dort jetzt aus, seit Bénédicte Savoy und Felwine Sarr die Rückgabe von kolonialer Raubkunst aus französischen Museen fordern, alleine von 90 000 Objekten aus Afrika? Und seit Präsident Macron prompt die Restitution von 26 Werken aus dem Benin veranlasste?

Schön und schrecklich zugleich

In dem von Jean Nouvel rund um die Artefakte geschaffenen Museumsbau ist jedes Werk ein von Aura umgebenes Kleinod, Kunst höchsten Ranges. Die Ritualkunst, magische Objekte, ist diskret in Nischen und hinter Vorhängen platziert – aus Ehrfurcht vor den Göttern der anderen. Respekt, Gleichrangigkeit, das war die Idee, als das Haus 2006 eröffnet wurde. Aber sie funktioniert nicht mehr. Denn Augenhöhe verlangt auch Blickkontakt, das Hin und Her der Geschichten, die ein Kunstwerk mit sich bringt. Vielleicht schauen sie einen deshalb so eindringlich an – weil der Westen dieses Hin und Her so lange verweigerte. Weil wir blind sind auf einem Auge, wie Savoy sagt.

Schön sieht es hier aus – und schrecklich zugleich. Weil die Aura auch die Aura des Schweigens ist, der Verdrängung. Kein Hinweis findet sich zum Beispiel bei den berühmten Benin-Bronzen. Sie stehen einfach da in ihrer Vitrine, ohne Kommentar. Gehören sie zu denen, die zurückgegeben werden? Sind es andere, rechtmäßig erworbene – wobei Savoy betonte, dass kaum etwas in Frankreichs Museen, fair, also zu einem angemessenen Preis den Besitzer gewechselt hat?

Was ist mit den anderen Weltregionen?

Die nächste Frage, die einen heimsucht an diesem magischen, heillosen Ort: Alle reden jetzt über Afrika, auch die Deutschen mit ihrer frisch verkündeten Museumskooperation. Aber wann wird von den anderen Weltregionen die Rede sein, von Asien, Lateinamerika, Papua-Neuguinea? „Diese Sammlungen“, heißt es auf einer Wandtafel, „sind das Ergebnis historischer Ereignisse, von denen manche friedlicher, manche gewaltsamer Natur waren.“ Im Obergeschoss ist in einer selbstkritischen Sonderschau gerade eine Auswahl aus der Gemäldesammlung des ehemaligen Pariser Völkerkundemuseums zu sehen. Bilder von Kolonialherren in weißen Safari-Anzügen und schwer schuftenden schwarzen Arbeitern.

Hier ist das Unbehagen immerhin Thema. Der Westen und seine ethnologischen Sammlungen, das Nachdenken beginnt gerade erst.

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