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Kultur: Ahnungsvolle Augenblicke

ORCHESTERMUSIK

Möchte man die Oboe sehen, ihre ausholende Aktion beobachten, wenn sie dem „Tristan-Akkord“ seine unvergleichliche Farbe gibt? Sticht dieses Gis in der Philharmonie nicht ein bisschen zu sehr hervor aus der „langsam und schmachtend“ aufsteigenden Einleitung? Auch haben viele bedeutende Dirigenten wie jetzt Daniel Barenboim den „Liebestod“ ohne die Singstimme gespielt. Aber die Partie der Isolde mit ihren kleinen musikalischen Abweichungen und ihrem großen Text, die in das Fis der „höchsten Lust“ mündet, sie würde die Freude erst vollkommen machen. Es bleibt eine Sehnsucht nach dem Orchestergraben, der Szene und die Frage, ob dieser Wagner ideale Podiumsmusik ist. Den „Tristan“ beseelt, anders als das „Meistersinger“-Vorspiel – ein beliebtes Zugabestück mit seiner Pracht-Kontrapunktik –, das innere Drama. Alles dies beiseite gelassen, führt Barenboim die Staatskapelle Berlin zu einer grandiosen Leistung, weil sie in dieser Musik ganz zu sich selbst kommt.

Barenboim hat das Programm geschickt auf romantischen Gestus ausgerichtet, auch was das 20. Jahrhundert betrifft. York Höller kommt mit „Aura“ und Wolfgang Rihm mit „Drei späten Gedichten“ von Heiner Müller zu Wort, deren atmosphärische Dunkelheit Katharina Kammerloher verinnerlicht. Gidon Kremer ist der richtige Solist für das oft geschmähte Violinkonzert von Robert Schumann, weil er dessen Figurenwerk als Reichtum darzustellen weiß. Ahnungsvolle Augenblicke eines schöpferischen Interpreten, im Finale gleiten sie vorüber wie Erinnerungen aus Frühlingstagen.

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