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Kultur: Aids-Sondergipfel: Ein besseres Leben - Die Fortschritte der Medizin seit Ausbruch der Krankheit

Noch vor zehn Jahren schien eine wirksame Aids-Behandlung aussichtslos. "Hätte jemand Anfang der 90er Jahre die heutige Situation prophezeit, man hätte ihn für einen Spinner gehalten", sagt der Münchner Aids-Experte Hans Jäger.

Noch vor zehn Jahren schien eine wirksame Aids-Behandlung aussichtslos. "Hätte jemand Anfang der 90er Jahre die heutige Situation prophezeit, man hätte ihn für einen Spinner gehalten", sagt der Münchner Aids-Experte Hans Jäger. Doch die Medizin hat riesige Fortschritte gemacht. Die Entwicklung:

Stillstand. Anfang der 90er Jahre sind alle Hoffnungen, die Krankheit in den Griff zu bekommen, am Boden. Aids wird 1993 in den USA zur häufigsten Todesursache der 25- bis 44-Jährigen. Die Situation der Patienten ist eine Qual. "Damals musste ein Patient auf die Minute genau seine Medikamente nehmen", erinnert sich Jäger. "Und er nahm nicht eine Tablette oder zwei, wie heute, sondern eine Handvoll - mit entsprechenden Nebenwirkungen." - "Bis Mitte der 90er Jahre hatte ich Zweifel, ob die Medizin einen Weg finden würde, die Aids-Todesrate noch während meines Lebens zu senken", sagt auch der kalifornische Arzt Michael Gottlieb dem US-Fachblatt "New England Journal of Medicine". Gottlieb war der Arzt, der die fünf ersten Aids-Fälle beschrieb. Fünf homosexuelle Männer. Das war am 5. Juni 1981.

Die Wende. Allmählich entschlüsseln Forscher die Mechanismen, wie sich das Virus vermehrt. Mitte der 90er Jahre sind Ärzte erstmals in der Lage, mittels einfacher Blutproben die Zahl der Viren im Blut der Patienten zu messen. "Damit konnten wir endlich prüfen, wie effektiv unsere Behandlungen überhaupt sind", sagt Jäger. 1996 gelingt der entscheidende Durchbruch. Endlich gibt es eine wirksame Therapie - eine Kombinationsbehandlung, bestehend aus drei verschiedenen Medikamenten.

Neuester Stand. Noch immer ist Aids unheilbar. Noch immer infizieren sich in Deutschland jährlich rund 1500 Menschen mit dem Virus. Doch seit 1996 ist die Sterblichkeit um 80 Prozent zurückgegangen. Die Lage der Patienten hat sich dramatisch verbessert: Vor zehn Jahren mussten sie ihren Lebensrhythmus an die Medikamente anpassen, heute haben sich die Medikamente an den Lebensrhythmus der Menschen angepasst. "Heute nimmt der Patient morgens eine Tablette und abends eine - und muss also nicht mehr nachts um drei den Wecker stellen", sagt Jäger.

Dennoch bringen die Kombinationsmedikamente Nebenwirkungen mit sich. Der Cholesterinspiegel steigt, die Leber wird angegriffen, es kommt zu Müdigkeit. Nach zwei Jahren tritt bei der Hälfte der Patienten eine "Fettverschiebung" auf: Das Gesicht verliert Fett und fällt ein, am Bauch setzt sich Fett an.

Andererseits ist die heutige Behandlung so wirksam, dass Ärzte seit neuestem sogar längere Pausen für möglich halten. "Pausen von bis zu einem halben Jahr sind denkbar", sagt Jäger. In dieser Zeit gehen die Folgen der Nebenwirkungen zurück, gleichzeitig aber steigt die Virenzahl: Früher oder später muss der Patient wieder zurück zur Medikation.

Die Zukunft. Wie wird die Situation nach weiteren 20 Jahren aussehen? "2021 wird es zweifellos noch eine Aids-Epidemie geben", berichtet das "New England Journal of Medicine". "Aber 2001 besteht die einmalige Chance, den Prozess einzuleiten, die Epidemie unter Kontrolle zu bringen. Die nächsten 20 Jahre können anders sein, aber nur wenn wir handeln, jetzt."

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