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Kultur: Aktenzeichen Kunst: Gruppenbild mit Dame

"Es gibt keine echten oder falschen, sondern nur beglaubigte oder unbeglaubigte Bilder", sagte einmal ein französischer Kunsthändler. Das Bonmot könnte auch von dem Potsdamer Galeristen Helmut Dohnke stammen.

"Es gibt keine echten oder falschen, sondern nur beglaubigte oder unbeglaubigte Bilder", sagte einmal ein französischer Kunsthändler. Das Bonmot könnte auch von dem Potsdamer Galeristen Helmut Dohnke stammen. Denn der hat über Jahre viel Geld mit gefälschten Landschaften und Stillleben berühmter Maler des Expressionismus verdient. Er gab sie als Originale aus und kassierte dafür sechsstellige Summen. Die drei vermeintlich von Karl Schmidt-Rottluff stammenden Bilder "Erzgebirgslandschaft", "Winterlandschaft" und "Interieur" wechselten im Juli 1996 für 400 000 Mark ihren Besitzer. Einige Fälschungen verkaufte Dohnke gleich mehrfach. Und jedes Mal bürgten Gutachten hochrangiger Kunstexperten für die Echtheit der Gemälde.

Nach dreijährigen Ermittlungen und 23 Verhandlungstagen hat das Landgericht Verden an der Aller den 67-jährigen Kunsthändler nun wegen Betrugs und Urkundenfälschung zu einer Haft von drei Jahren und 10 Monaten verurteilt. Dohnke hatte zuvor ein ebenso unerwartetes wie umfassendes Geständnis abgelegt. In dem Verfahren standen 20 Gemälde zur Debatte, die von Karl Schmidt-Rottluff, Otto Mueller, Erich Heckel oder Christian Rohlfs stammen sollten, sich aber als Fälschungen erwiesen. Prozess beendet, Akte zu - ein Fall fürs Gerichtsarchiv?

Für Dohnkes Verteidiger Wolfgang Struif ist das Geständnis nicht mehr als eine "Kapitulation" seines durch ein Herzleiden schwer angeschlagenen Mandanten. Durch das Geständnis ist die Wahrheit nicht gefunden, sondern gemacht worden, sagt der Anwalt. Dohnke sei zwar kein Unschuldslamm, aber: "Der Kübel, der über ihm ausgekippt wurde, trifft die gesamte deutsche Kunstszene." Struif ist überzeugt, dass die meisten der als Zeugen geladenen Experten, Sachverständigen und Kunsthändler selbst keine weiße Weste haben. Viele würden bis heute von den dunklen Machenschaften der DDR-Stasi-Kunstszene profitieren. Dohnke als Bauernopfer, geschlachtet auf dem Altar der Kunstmafia?

Fest steht, dass sich im Zeugenstand des Verdener Landgerichts führende deutsche Expressionismuskenner die Klinke in die Hand gaben. Darunter auch Magdalena M. Moeller, Direktorin des renommierten Berliner Brücke-Museums und Schmidt-Rottluff-Expertin. Sie wird in Kürze selbst vor Gericht stehen. Ein westfälischer Kunsthändler hat sie am Landgericht Potsdam auf Schadensersatz in Höhe von 350 000 Mark verklagt. Denn auf Moellers Echtheitsbescheinigung hin hatte er Dohnke die "Erzgebirgslandschaft", die "Winterlandschaft" und das Stillleben 1996 für 400 000 Mark abgekauft. Der Westfale machte als Zeuge in Verden allerdings auch keine gute Figur. Er verstrickte sich in Widersprüche, als er behauptete, niemals mit der DDR Geschäfte gemacht zu haben. Man konnte ihm aber nachweisen, dass er regelmäßig Kunstladungen aus dem Osten empfing.

Auch Helmut Dohnke berief sich bis zu seinem Geständnis auf Moellers Zertifikate. Er habe sich darauf verlassen und sei davon ausgegangen, dass es sich bei den drei Schmidt-Rottluffs um Originale handle. Originale und nichts als Originale will auch Moeller gesehen haben an jenem Tag im Juni 1996, als Helmut Dohnke sie mit den umstrittenen Bildern im Brücke-Museum in Zehlendorf besuchte. Sie will auch nicht gewusst haben, dass er ein Kunsthändler aus Potsdam ist, wie sie dem Tagesspiegel erklärte; sie habe ihn für einen Privatmann gehalten. Und sich nichts dabei gedacht. Denn Privatleute kämen öfter zu ihr ins Museum, um sie als Kunstwissenschaftlerin zu fragen, ob es sich bei einem auf dem heimischen Dachboden entdeckten Gemälde um ein Original handle. Dabei sei es durchaus üblich, sagt Moeller, dass sie ihre Einschätzung in einer knappen Formulierung auf der Rückseite eines Fotos notiere - eines Fotos jenes Gemäldes, das ihr vorgelegen habe. So sei sie auch bei Dohnke verfahren. Ein Gutachten oder eine Expertise könne man das ihrer Ansicht nach nicht nennen. Ein Gutachten verlange eine detaillierte kunsthistorische und naturwissenschaftliche Analyse eines Bildes, auf offiziellem Briefpapier mit Siegel und Stempel.

Ein Kuvert im Café

Ein ausführliches Gutachten war auch gar nicht nötig. Schon Moellers drei achtzeilige Beurteilungen mit dem Hinweis, dass das Bild "in das in Vorbereitung befindliche Werkverzeichnis der Gemälde SchmidtRottluffs aufgenommen" wird, reichten Dohnke, um seine Käufer von der Echtheit zu überzeugen. Die acht Zeilen ließ sich die Museumsdirektorin mit 1500 Mark honorieren. Auch das hält sie für "übliche Praxis im Museumsbereich".

Ulrich Klopsch sieht das anders. Er leitet die Abteilung Museen, Gedenkstätten und Bibliotheken im Berliner Kultursenat und ist Magdalena Moeller übergeordnet, da das Brücke-Museum zu den Landesmuseen gehört. Natürlich dürfe eine Museumsdirektorin Stellungnahmen abgeben, sagt Klopsch. Aber wenn sie sich als Beamtin dafür bezahlen lasse, brauche sie eine Genehmigung. Und dass Moeller um eine solche nachgefragt habe, davon wisse er nichts. "Übliche" Praxis ist, dass landeseigene Museen an bestimmten Tagen im Monat ihre Tore zur Begutachtung privater Kunstschätze öffnen. Dieses kunsthistorische Urteil ist freilich kostenlos zu haben.

Der Potsdamer Galerist Dohnke behauptete im Gerichtsverfahren, fürs "In-Augenschein-Nehmen" nicht nur 1500 Mark an Moeller gezahlt zu haben, sondern 100 000 Mark. Moeller bestreitet das; man konnte es ihr auch nicht nachweisen. Eine Zeugin will zwar gesehen haben, wie Dohnke Moeller in einem Potsdamer Café einen Briefumschlag mit Geld zusteckte, aber nicht, wieviel sich in dem Kuvert befand. Ob eine Museumsdirektorin für eine Stellungnahme ein Honorar verlangen darf oder nicht, ist die eine Frage. Wie oft sie sich in ihrem Urteil irren darf, die andere. Moeller ist bis heute fest davon überzeugt, dass sie sich bei der "Erzgebirgslandschaft" und dem "Interieur" nicht getäuscht habe. Die Farben, der Pinselstrich und die Signatur wiesen auf den Meister persönlich hin. Sie glaubt, Dohnke habe ihr tatsächlich Originale vorgelegt, diese dann später fälschen lassen und die Fälschungen mit ihren Erkärungen verkauft. Nur: Die Originale, falls es sie gibt, sind bisher nicht aufgetaucht. Deshalb ist weiterhin unklar, ob Moellers Version zutrifft oder nicht. Die im Verdener Gerichtssaal ausgestellten Schmidt-Rotluff-Gemälde jedenfalls haben andere Expressionistenkenner unzweifelhaft als Fälschungen entlarvt.

Dass hochkarätige Kunstexperten Gefälligkeitsgutachten erstellen, ist nicht ungewöhnlich. Ernst Schöller, der international anerkannte Kunstmarkt-Ermittler vom Landeskriminalamt Baden-Württemberg, bestätigt, dass nach Schätzungen um die 40 Prozent aller auf dem Markt kursierenden Kunstwerke nicht echt sind. Bei Druckgraphiken geht man sogar von 60 bis 70 Prozent aus. Ohne Expertisen wäre das gar nicht möglich. Im westfälischen Soest flog vor zwei Jahren ein Kunsthändler auf, der sieben Altmeister-Nachbildungen von Rembrandt bis van Gogh für 49 Millionen Dollar angeboten hatte. Für die Echtheit hatte der frühere Mitarbeiter eines rheinischen Museums gebürgt - mit seinem Professorentitel. Auch der ehemalige Direktor der Berliner Gemäldegalerie, Heinrich Zimmermann, saß Fälschern auf. Und sogar Wilhelm von Bode, einer der angesehensten deutschen Kunsthistoriker um die Jahrhundertwende und ehemaliger Direktor des heute nach ihm benannten Berliner Museums, hatte 1909 eine Wachsbüste Leonardo da Vincis gekauft, die sich als Fälschung aus dem viktorianischen England entpuppte.

"Für Expertisen allerdings Geld zu nehmen, ist unanständig", findet Gunther Thiem, der ehemalige Leiter der Graphischen Sammlung der Stuttgarter Staatsgalerie, bei dem die 48-jährige Magdalena Moeller volontierte. Er hält ihr Vehalten deshalb für rufschädigend für die Branche. "Zu vorschnell und unvorsichtig" habe Moeller gehandelt, meint Florian Karsch, der Leiter der renommierten Berliner Galerie Nierendorf, "so etwas darf sich ein Experte nicht leisten."

Markt und Mafia

Im Gegensatz zu seinen Kollegen von der Villa Grisebach, die keinen Rufschaden für seriöse Kunsthändler erkennen können, ist Karsch der Meinung, die ganze Kunstszene habe unter dem Prozess gelitten. Für ihn hat sich der Eindruck verstärkt, dass das organisierte Verbrechen mittlerweile auch den Kunstmarkt im Griff hat - während man vor dem Mauerfall noch von einzelnen Fälscher-Königen habe ausgehen können, denen durch eine Verurteilung tatsächlich das Handwerk gelegt wurde.

Einer der bekanntesten Fälscher-Legenden, Edgar Mrugalla, tauchte vor drei Wochen in Verden auf und identifizierte die angeblichen Schmidt-Rottluffs als "seine Kinder". Geholfen hat es Dohnke nicht. Die Richter glaubten dem vereidigten Mrugalla nicht und kränkten ihn schwer in seiner Fälscherehre. Mitte der achtziger Jahre will er die Gemälde für einen Stasi-Offizier gemalt haben. Dieser leitete in der Westberliner Fasanenstraße eine Niederlassung der "Kunst- und Antiquitäten GmbH" (KUA), des DDR-eigenen Kunstbetriebs. Im Auftrag der Stasi arbeiteten etliche westdeutsche Fälscher, deren Arbeiten dann später in der DDR gehandelt wurden. Was aus diesen Bildern geworden ist, weiß keiner. Die zur Zeit des Mauerfalls prall gefüllten Lager der KUA waren leer, als die Treuhand sie übernahm. Von den Bestandslisten fehlte jede Spur.

Der Angeklagte Dohnke hat immer behauptet, die Schmidt-Rottluff-Gemälde an einer Autobahnraststätte von einem gewissen Heinz Raschke bekommen zu haben. Der wiederum will die Gemälde auf einem ukrainischen Dachboden gefunden haben. Mit Raschke hat Dohnke schon zu DDR-Zeiten Geschäfte gemacht. Beide pflegten Kontakte zur KUA.

Edgar Mrugalla, der "König der Kunstfälscher", wurde bereits 1990 zu zwei Jahren Gefängnis auf Bewährung verurteilt. Noch heute, schätzt er, kursieren 50 Prozent seiner Plagiate im Handel. Denn im Gegensatz zu Frankreich dürfen in Deutschland aufgedeckte Kunstfälschungen nicht zerstört werden. Überhaupt ist die Bundesrepublik ein günstiges Pflaster für Fälscher und ihre Händler. Gut betuchte Abnehmer gibt es viele, und das Risiko, erwischt zu werden, ist gering. Anders als in Italien und Frankreich verfügt die deutsche Polizei über keine Spezialtruppe. Lediglich in Stuttgart, München, Berlin und Mainz verfolgen einige wenige Kriminalbeamte die heißesten Spuren.

Ein merkwürdiges Ungleichgewicht. Der Kunstermittler Ernst Schöller vom Landeskriminalamt Baden-Württemberg schätzt sogar, dass sich das Geschäft mit den Kunstfälschungen neben dem Drogen- und Waffenhandel in den letzten 15 Jahren zu einem der bedeutendsten internationalen kriminellen Märkte entwickelt hat. Die Fälschungen würden heute nicht mehr Bild für Bild in Hinterhöfen gefertigt, sondern industriell von international vernetzten Fälschergruppen mit ebensolchen Vertriebsstrukturen produziert, so Schöller.

Wie aber können sich Kunstsammler überhaupt vor Fälschungen schützen? Wenn selbst hochkarätige Expertisen und der Nachweis im Werkverzeichnis die Echtheit nicht garantieren? Der auf Brücke-Künstler spezialisierte Dortmunder Galerist Wilfried Utermann wie auch Bernd Schultz von der Berliner Villa Grisebach raten, sich nur auf seriöse Kunsthändler zu verlassen. Zu deren täglichem Geschäft gehöre es, eine lückenlose Provenienz jedes Bildes - wenn möglich bis ins Atelier zurück - nachzuweisen. So fordert Utermann auch für expressionistische Künstler Expertengruppen, in denen Kunsthistoriker, Restauratoren und Naturwissenschaftler gemeinsam ein Bild durchleuchten. Solche Zusammenschlüsse existieren bereits, allerdings nur für die Großen der Kunstgeschichte, für Picasso und Rembrandt etwa. Natürlich hat das seinen Preis. Wer den nicht zahlen will, sollte sich vielleicht an das Wort von Klaus Mäusl, dem Anwalt von Magdalena Moeller halten: "Echtheit und Unechtheit, das ist etwas, was man nicht in absoluten Dimensionen sehen kann."

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