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Alex Katz Retrospektive in München: Die Kunst des Weglassens

Zeitloser Realismus: Das Museum Brandhorst in München zeigt die erste deutsche Retrospektive des New Yorkers Alex Katz.

Tanz spielt in der Kulturszene New Yorks eine riesengroße Rolle. Insofern ist es richtig, dass die Ausstellung von Alex Katz im Museum Brandhorst, dem – allerdings öffentlich finanzierten – Privatmuseum neben der Pinakothek der Moderne in München, mit drei Tanzmotiven des New Yorker Künstlers beginnt. Das erste stammt aus dem Jahr 1959 und zeigt den Choreografen Paul Taylor, das zweite von 1964 eine Gruppe von Tänzern, und das dritte aus dem Jahr 1969, das mit drei mal sechs Metern bei weitem größte der ganzen Ausstellung, eine überaus ambitionierte Komposition von gestaffelten Tänzern in verschiedenen Posen.

Alex Katz sei eine herausragende Figur der realistischen Malerei, heißt es im begleitenden Katalog. Nun kann man darüber streiten, was Realismus in der Malerei bedeutet. Der 91-jährige Katz ist ein gegenständlicher Maler, der bevorzugt Personen darstellt, am häufigsten seine jahrzehntelange Ehefrau Ada; daneben Landschaften oder eher nur Bäume und Pflanzen und daneben manchmal ein Haus am See, eine Spiegelung auf dem Wasser oder ein Nocturne wie von Whistler. Realismus gibt es in vielerlei Spielarten in New York, man denke nur an die Photorealisten oder aber, zur Zeit von Katz’ erstem Auftreten als Künstler, an die zeitgleichen Pop-Künstler. Katz arbeitet in jeder Hinsicht anders, er hat andere Sujets, er bevorzugt traditionelle Techniken, und er beherrscht die Kunst des Weglassens. Er ist, wie Ausstellungskurator Jacob Proctor sagt, an artist’s artist, ein Künstler für Künstler. Heißt: Künstler schätzen die Arbeit des Kollegen. Womöglich mehr als das breite Publikum.

Nur wenig Chronologie in der Ausstellung

In den USA ist Katz ein bekannter Name, in Europa weniger. Umso mehr erstaunt, dass die Münchner Ausstellung ausschließlich mit museumseigenen Werken sowie mit Leihgaben aus Deutschland und Österreich auskommt. Kein einziger Überseetransport war notwendig. Das deutet auf die Vermittlungsarbeit großer, international operierender Galerien. Und es spricht dafür, dass die zumeist großformatigen, an vergrößerte Fotografien erinnernden Porträts einen Nerv unserer Zeit treffen. Sie sind plakativ und subtil zugleich, zumal die (häufigen) Doppelporträts, die sich allenfalls in Nuancen unterscheiden und zum genauen Hingucken zwingen.

Katz, geboren 1927 als Kind von russischen, vor der Revolution geflohenen Eltern, musste sich als Künstler gegen den übermächtigen, am Ende zu bloßer Routine erstarrten abstrakten Expressionismus der New Yorker Schule durchsetzen. Gegenständlichkeit war damals so ziemlich das Letzte und wurde dann, nach1960, zur ihrerseits dominierenden Tendenz. Dabei hat Katz mit seiner Ölmalerei – niemals Acrylfarben wie die Pop Artists! – viel von der Abstraktion gelernt, die monochromen Flächen vor allem, vor denen seine Figuren wie Collagen, wie Papierschnitte wirken, oder die heftigen Pinselstriche, mit denen er seine jedesmal in einem Zug gemalten Bilder strukturiert. Allerdings bereitet Katz seine Ölbilder sorgfältig vor. Auch das zeigt die Ausstellung: kleine Ölskizzen zunächst, schreibmaschinenpapiergroß, und dann auf das erwünschte Format vergrößerte Kohle- und Kreidezeichnungen, die Katz ganz altmeisterlich auf die grundierte Leinwand überträgt, um sie sodann an einem einzigen Tag auszumalen.

Es gibt nur wenig Chronologie in der Ausstellung. Das macht nichts; Katz bleibt nun schon ein ganzes Künstlerleben seinem Stil, seinen Errungenschaften treu. Er malt Freunde und seine Frau. Sie bilden das Personal seiner Welt, die vielleicht spezifisch newyorkisch ist und doch die ganze Welt meint. Der Realismus von Alex Katz ist zeitlos.

München, Museum Brandhorst, bis 22. April. Katalog bei Hirmer, 33 €.

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