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© Stiftung für Romantikforschung

Alexander von Bormann: Erkenntnis und Leidenschaft

Der Literaturkritiker Alexander von Bormann ist im Alter von 73 Jahren nach langer Krankheit gestorben. Bis zum Schluss glaubte an die gesellschaftsverändernde Kraft der Literatur.

Wer in den Literatursendungen des Deutschlandfunks mit ihm über zeitgenössische Lyrik streiten durfte, der konnte sich ein Vorbild nehmen an seiner dezenten Noblesse, mit der er die Stärken selbst fragwürdiger Dichtungen zu preisen verstand. An hermeneutischem Feinsinn konnten es nur wenige Kollegen mit ihm aufnehmen. Alexander von Bormann, 1936 auf dem Gut Menzlin in Vorpommern geboren, war ein Philologe, der an die gesellschaftsverändernde Kraft der Literatur glaubte, ohne sich in die kulturrevolutionären Illusionen der 68er zu verrennen.

Von 1971 bis zu seiner Emeritierung 2006 hatte er seine Professur für Neuere deutsche Literatur an der Universität Amsterdam sehr offensiv interpretiert. Während sich viele seiner Kollegen auf ihren Lehrstühlen ausruhten, hatte von Bormann in Amsterdam eine Art Außenposten für junge deutsche Schriftsteller eingerichtet. Die von ihm eingerichtete Stipendiatenwohnung wurde in den späten 1980er Jahren für viele junge DDR-Autoren zu einer bedeutenden Plattform für Ost-West-Begegnungen.

Leidenschaft für Politik und Romantik

Sehr früh hatte der Abkömmling einer alten baltendeutschen Familie seine Passion für die politische Lyrik seiner Zeit entdeckt, ohne ihre subversiven Impulse verabsolutieren zu wollen. Seine Leidenschaft für das Politische ging einher mit einer Faszination für die Romantik Eichendorffs. Dazu gehörte auch sein Engagement als Stiftungsrat der Starnberger Stiftung für Romantikforschung.

Mit germanistischen Pflichtübungen hat sich von Bormann indes nie begnügt. Als Rezensent der „Frankfurter Rundschau“, der „Welt“ und des „Tagesspiegels“, wo er nicht nur Dichter aus aller Welt von Konstantinos Kavafis und Michael Hamburger bis zu Wulf Kirsten und Robert Gernhardt würdigte, sondern sich auch mit der erzählenden Literatur seiner holländischen Wahlheimat auseinandersetzte, intervenierte er ganz ohne germanistisches Grau in literarischen Debatten. Dabei machte er immer wieder seinen Ärger über die Entpolitisierung bedeutender Autoren deutlich. Im Alter von 73 Jahren ist Alexander von Bormann vergangenen Mittwoch nach langer Krankheit in Worpswede gestorben. Wer von seiner selbstlosen Freundschaft profitiert hat, weiß um die Schwere dieses Verlusts.

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