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Ebbe und Flut. 1937 publizierte Alfred Ehrhardt sein erstes Fotobuch „Das Watt“ in strengem Schwarz-Weiß.

©  Alfred Ehrhardt

Alfred Ehrhardt Stiftung: Zeitlos wie Wellen aus Wasser und Sand

Von der Malerei zur Fotografie: Die Alfred Ehrhardt Stiftung zeigt das künstlerische Werk ihres Namensgebers.

Im Jahr des großen Bauhaus-Jubiläums möchte so manche Biografie mit dem Zauberwort „Bauhaus“ verschönert werden. Das gelingt allein schon deshalb nicht, weil das historische Bauhaus, anders als heutige Hochschulen für Kunst und Gestaltung, eine winzig kleine Einrichtung war, die nie auch nur 200 Studenten gleichzeitig unterrichtete. Alfred Ehrhardt allerdings hat tatsächlich ein Semester am Bauhaus verbracht, im Winter 1928/29, allerdings als gestandener Mann im dennoch jugendlichen Alter von 27 Jahren. Auf Anraten des Schulleiters ging der am Landerziehungsheim Gandersheim tätige Lehrer für Musik, Zeichnen und Gymnastik nach Dessau und belegte die Materialstudien im Vorkurs von Josef Albers und den Kurs für Malerei und Grafik bei Wassili Kandinsky, war sogar – seine Fähigkeiten müssen sofort aufgefallen sein – bei Albers als „Hilfslehrer für Materialstudien“ tätig.

Was er in Dessau mitnehmen konnte, hat Ehrhardt gleich darauf angewendet, er wurde ja auch bereits 1930 eben als Lehrer für Materialkunde an die Landeskunstschule Hamburg berufen. In Hamburg fand im Jahr darauf die erste und einzige Ausstellung zu Lebzeiten statt, die Ehrhardts neu geschaffener Kunst gewidmet war. Im Bauhaus-Jahr zeigt nun die Alfred Ehrhardt Stiftung in Berlin einen Querschnitt durch die künstlerischen Arbeiten ihres Namenspatrons, vorausgehend seiner anschließenden großen Laufbahn als Fotograf und vor allem Dokumentarfilmer. Diesen Weg schlug Ehrhardt nicht eben freiwillig ein – die Nazis schmissen ihn aus dem Schuldienst, ließen ihn allerdings zur Mitgliedschaft in der „Reichskammer der bildenden Künste“ zu, der Voraussetzung, offiziell als Künstler arbeiten zu können.

Es wäre ein Leichtes, angesichts der „Abstrakten Kompositionen“, die Ehrhardt 1930 schuf, immerzu „Klee“ und „Kandinsky“ zu rufen. Natürlich wirkten die Vorbilder dieser beiden Heroen. Stiftungsleiterin Christiane Stahl nahm bei der Ausstellungseröffnung denn auch Begriffe wie „Rhythmus“ und „Kontrapunkt“ zu Hilfe, um die Kompositionen zu erläutern; Begriffe, die vor allem auf Klee verweisen, der ebenso sehr Musiker wie bildender Künstler war, wie dies wohl auch für den lange Zeit als Organist tätigen Ehrhardt zutreffen mochte.

Seine eigentliche Bestimmung fand Ehrhardt im Film

Die jetzt gezeigten Arbeiten belegen aber mindestens ebenso sehr das Materialstudium des Künstlers, der über feinen Linien, die er auf das Trägermaterial der Hartfaserplatte aufbringt und einritzt, pastose Farbschichten legt, sie auch nachträglich reduziert, um eine feine Balance zwischen den beiden polaren Mitteln der Linie und der Farbe zu erreichen. Die Kompositionen sind ungegenständlich, sie zeigen Drei- und Rechtecke, die frei im Farbraum verteilt sind, sie setzen Linien und Flächen gegeneinander, wie dies in den Dessauer Kursen denn auch erprobt worden ist.

Seine eigentliche Bestimmung fand Ehrhardt nach der Entlassung in der Fotografie und später – dann ausschließlich – im Film; als Dokumentarfilmer ist er in der frühen Bundesrepublik denn auch überreich mit Preisen bedacht worden. Das fotografische Œuvre allerdings setzt die malerische Arbeit fort. Parallel zur Ausstellung legt die Stiftung den opulenten Band „Alfred Ehrhardt Fotografien“ als Querschnitt durch seine Themenbereiche vor. Ehrhardt widmete sich den Formen der Natur, wie sie Wellen und Sand hervorbringen, ob im Watt oder in den Dünen, aber auch in Gestalt von Muscheln, Schnecken oder Korallen, bis hin zu den feinen Strukturen der fragilen Eisblumen, deren Reichtum er in Mikrofotografie überhaupt erst sichtbar machte.

In den Landschaften Islands und Portugals fand er jene Zeitlosigkeit, die er suchte und zum Ausdruck brachte. Beinahe überflüssig zu sagen, dass all dies in Schwarz-Weiß aufgenommen oder besser gesagt komponiert wurde. Denn so, und vielleicht nur so, konnte Ehrhardt die Strukturen sichtbar machen, die er, als Künstler im vollen Wortsinne ein „Abstrakter“, überall aufspürte und in seinen eigenen Gemälden geschaffen hatte.

Alfred Ehrhardt Stiftung, Auguststr. 75, bis 18. April. Buch: Alfred Ehrhardt Fotografien, 232 S. m. 176 Abb. in Duotone, 39,80 €.

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