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Kultur: Alfred Kolleritsch wird 70: Auf dem Gedankenweg

Gedichte des Alfred Kolleritsch sind verrätselte Spätblüher. Enigmatische Dornen behindern das Verstehen beim ersten Lesen.

Gedichte des Alfred Kolleritsch sind verrätselte Spätblüher. Enigmatische Dornen behindern das Verstehen beim ersten Lesen. Im Nachhinein gehen dafür um so schönere Blüten auf. Bei aller Sprach- und Daseinsskepsis, die diesen Lyriker prägt - als Romanautor, etwa der Vater-Sohn-Tragödie "Die grüne Seite" von 1974 (bei Droschl wiederaufgelegt) zeigt er sich offener -, was bleibt, ist am Ende das Urvertrauen in die Sprache. So ist in dem Gedicht "Lob den Wörtern" zwar von Todholen, Angebundensein, Abschied die Rede, dann heißt es aber: "Einige Wörter sagen es, / daß es uns geben muß."

Kolleritschs Poesie ist ein tastendes Spiel der Fragen und Antworten, ein eigensinniges Beharren auf Experiment und Vorläufigkeit in einer Welt, die immer unreflektierter auf Fertigteile zurückgreift. Diese Haltung brachte ihm für den Band "Einübung in das Vermeidbare" 1978 den Petrarca-Preis ein. "Daß die Gedanken der Weg sind" heißt eine Zeile in "Die Summe der Tage". Der Gedichtband erscheint heute zu Kolleritschs siebzigsten Geburtstag und ist zugleich das erste Buch des neugegründeten Salzburger Verlags Jung und Jung. Jochen Jung, nach 25 Jahren verdienstvoller Tätigkeit geschasster Leiter des Residenz Verlags (Tsp vom 6. 2. 2000), nahm "seinen" Autor Kolleritsch und "seinen" Illustrator Walter Pichler mit ins neue Boot. Ein Garten mit offenem Tor aus Pichlers Feder ziert "Die Summe der Tage": Einladung in ein kleines Arkadien oder ins berühmte Offene, je nach Standort.

Alfred Kolleritsch, in der Steiermark als Sohn eines Forstverwalters geboren, ist vor allem durch seine Pioniertat als Mitbegründer des Grazer "Forums Stadtpark" und Herausgeber der Literaturzeitschrift "manuskripte" berühmt geworden. Dieses Renommee verdeckt etwas sein Romandebüt "Die Pfirsichtöter" von 1972, eine schwer zu durchdringende seismographische "Abhandlung". Im Herbst 1960 hatte Kolleritsch begonnen, Autoren wie Peter Handke, Gerhard Rühm und Elfriede Jelinek der Öffentlichkeit vorzustellen. Noch heute behaupten die "manuskripte" ihren Ruf als "beste deutschsprachige Avantgarde-Zeitschrift" (Karl Heinz Bohrer). Zu den neueren spektakulären Entdeckungen zählen die Lyriker Michael Donhauser und Peter Waterhouse. Dessen jüngstes Buch "Prosperos Land" hat den Verlagswechsel von Residenz zu Jung und Jung ebenfalls mitgemacht.

"Sogenannte Alterslyrik wird es bei Kolleritsch nicht geben", versichert Arnold Stadler in seinem Nachwort zu "Die Summe der Tage". Der Siebzigjährige bleibe "mit beiden Füßen auf dem Boden unterwegs", immer mit dem Bewusstsein, dass die Gedanken der Weg sind.

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