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Kultur: Alle Register ziehen

Ex-Chef Ulrich Eckhardt und sein zweites Leben

Fast 28 Jahre lang war Ulrich Eckhardt Intendant der Berliner Festspiele, von 1973 bis 2000. Zu Mauerzeiten gab es keinen mächtigeren Strippenzieher in der hiesigen Kulturszene – die ganze Stadt war seine Bühne, in allen Genres. Wenn die Leute stöhnten, unter Eckhardts Ägide gebe es pro Saison nur einen einzigen spielfreien Tag, nämlich den Heiligabend, machte ihn das stolz. Als dann aber feststand, dass er aufhören würde – „weil ich nicht mehr alles verstand, was die Jungen machten“ –, fasste er einen Entschluss: Nach diesem Datum würde ein anderes Leben anfangen, eine zweite Karriere. Ohne die Festspiele.

Mit einer Konsequenz, zu der wohl nur gebürtige Westfalen mit langer PreußenErfahrung fähig sind, hat Ulrich Eckhardt seinen Plan durchgezogen. Dass er schon zu Intendantenzeiten ein traumschönes Landhaus in Zehlendorf erworben hatte, erwies sich als Glücksfall. In der von Paul Mebes entworfenen Backsteinvilla, während der dauerstressigen Jahre sein Rückzugsort, stehen heute im Wohnzimmer zwei Flügel und ein Harmonium. Rund fünfzig Konzerte pro Jahr bestreitet der Ex-Impresario inzwischen als Organist.

Vor elf Jahren war der damals 66-Jährige aufgebrochen, um das „Universum Johann Sebastian Bach“ zu erobern. Weite Teile hat er bereits durchschritten, einiges davon ist auf CD festgehalten. Von Haus aus Jurist, hatte sich der Doppelbegabte als junger Mann auch um eine solide musikalische Ausbildung bemüht, vor allem am Klavier. Während der Referendarzeit in Berlin besuchte er Dirigierkurse, war 1960 auch dabei, als Herbert von Karajan in der Dahlemer Jesus-Christus-Kirche mit den Berliner Philharmonikern Schallplatten einspielte.

Diese frühe Begegnung sollte sich Mitte der achtziger Jahre auszahlen, als Eckhardt schlichtend in den Konflikt zwischen Orchester und Maestro eingreifen konnte. Mittlerweile ist die Kirche sein Hauptarbeitsplatz, hier orgelt er regelmäßig vor mehreren hundert Zuhörern in der Reihe „Bach und Bibel“, die er zusammen mit prominenten Vorlesern gestaltet. Von der Neugier getrieben, geht er außerdem auf Entdeckungsreisen durch die Dorfkirchen Brandenburgs und Norddeutschlands, gibt Benefizkonzerte für die Erhaltung historischer Instrumente. Und dann ist da noch die von Eckhardt betreute Konzertreihe mit internationalen Orgelvirtuosen in der Philharmonie, die er der Intendanz „nach zähem Bohren“ abgerungen hat. Gerade wird für 300 000 Euro ein neuer Spieltisch gebaut, finanziert von den Freunden des Orchesters, für 2013 plant Ulrich Eckhardt ein vierstündiges „Fest für die Königin der Instrumente“. Er ist eben einer, der gerne alle Register zieht. Frederik Hanssen

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