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Kultur: Allein in der Fremde

Ulrike Krumbiegel ist mit dem Rad gekommen. Gerade hat sie noch am Maxim Gorki Theater die "Iphigenie" geprobt,dann ist sie durch den Schneeregen ins Café Einstein gefahren.

Von Sandra Luzina

Ulrike Krumbiegel ist mit dem Rad gekommen. Gerade hat sie noch am Maxim Gorki Theater die "Iphigenie" geprobt,dann ist sie durch den Schneeregen ins Café Einstein gefahren. Sie erzählt von ihrem neuen Leben wie jemand, der von einer großen Reise zurückkehrt.

Am Deutschen Theater, dessen Ensemble sie 15 Jahre angehörte, war sie eine der herausragenden Darstellerinnen. Mit dem Ende der Intendanz von Thomas Langhoff verließ auch sie die Bühne, die zu ihrer künstlerischen Heimat geworden war. Ein schmerzhafter Abschied - man spürt noch den unausgesprochenen, untergründigen Groll. Wie viele Leben hat eine Schauspielerin? "Die Angst war da", gesteht Ulrike Krumbiegel, aber sie habe sich rasch aufgelöst. "Ich genieße die Vorzüge der Freiheit. Ein Ensemble-Schauspieler ist quasi versklavt. Er muss kommen, wann er bestellt wird. Er muss spielen, was ihm angeboten wird. Er ist einer strengen Selbstdisziplin unterworfen, denn er muss immer fit sein." Nach dem Weggang habe sie kurz überlegt: Warum nicht an der Ostsee leben? Das hatte sie schon als Kind gewollt.

Auch heute verbindet man sie noch mit Kleists "Käthchen", einer ihrer schönsten Rollen. Denn sie hat das Käthchen-Bild umgekrempelt. Kein blonder Engel sank dem "hohen Herrn" zu Füßen. Krumbiegel, die Rothaarige, spielte die Penthesilea gleich mit. Jetzt wagt sie sich an eine andere Theater-Ikone: Am Maxim Gorki Theater spielt sie Goethes "Iphigenie auf Tauris". Regie führt Thomas Langhoff, mit dem sie auch privat engstens befreundet ist. Über ihre Zusammenarbeit äußert sich Krumbiegel auf entwaffende Weise: "Er ist mein Lieblingsregisseur," sagt sie und lächelt mädchenhaft. "Ich vertraue ihm blind." Der ehrwürdigen Rollentradition der Goetheschen Iphigenie ist sie sich zwar bewusst. Was man von ihr aber nicht zu sehen bekommt: "Das Schöne, Gute, Hehre. Eine Dame im klassischen Gewand spricht Lehrsätze."

Auch kein Märchen von Liebe, Wahrheit und Verständigung. "Iphigenie ist ein Mädchen, das mit 15 Jahren sehr brutal aus einer heilen Welt gerissen und in die Fremde geschickt wird, wo sie mit niemandem kommunizieren kann. Ein Kind noch, keine Frau. Sie ist den ganzen Tag mit sich allein - und denkt nach. Wird von niemandem erzogen, sondern erzieht sich selbst." Den Klassiker und sein Humanitätsideal neu zu befragen - mit diesem Anspruch tritt Langhoff an: Wie verhält sich die Erste zur Dritten Welt, wie sieht die Konfrontation zwischen der einen Weltmacht und dem Fremden aus? "Die Griechen sehen sich als Herrenmenschen und auch Iphigenie ist nicht frei davon."

Auf bebende Ergriffenheit haben es der Regisseur und seine Darstellerin nicht abgesehen. Doch wollen beide am Maxim Gorki den Beweis antreten, dass sie noch Teil der Berliner Theaterlandschaft sind. Die Inszenierung werde ein Gradmesser sein, sagt Ulrike Krumbiegel, "ob man noch einen kleinen Kranz geflochten bekommt."

Jetzt dreht sie wieder mehr Filme, wie früher. Denn in der DDR war sie zuerst für zwei Film-Produktionen besetzt worden, bevor sie ihr erstes Engagement am Schweriner Theater antrat. Im Fernsehen, wo sie jetzt öfters auftritt, vertraut man ihr mit Vorliebe schwierige Mütterrollen an. Im letzten "Schimanski" etwa oder demnächst im "Tatort". Ihre Tochter hat sich deswegen bereits beschwert: "Kannst du jetzt mal was anderes spielen als Mütter, deren Kindern was zustößt."

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