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Kultur: Allerhand Aufruhr

"Konsum" nannte sich die Kaufhallenkette der Ex-DDR."Der Spiegel" nennt sich das Zentralorgan des Nachrichtenumschlages der alten Bundesrepublik, das allwöchentlich mit heißen Katastrophenbildern aufwartet.

"Konsum" nannte sich die Kaufhallenkette der Ex-DDR."Der Spiegel" nennt sich das Zentralorgan des Nachrichtenumschlages der alten Bundesrepublik, das allwöchentlich mit heißen Katastrophenbildern aufwartet.Was die Schnittmenge zwischen diesen beiden völlig divergierenden Zeiterscheinungen bilden könnte, zeigt eine Ausstellung der Kölner Künstlerin Isa Genzken in der neuen Privat-Kunsthalle INIT in der Chausseestraße in Berlin-Mitte: eine Fotogalerie in Kaufhallenformat mit dem Titel "Spiegel".

Über drei große nackte Wände verteilt Isa Genzken 128 Foto-Schnipsel, die sie 1991 eigenhändig aus dem Hamburger Nachrichtenmagazin ausgeschnitten hat.Allerhand Aufruhr gibt es dort zu sehen: Gewalt von Jugendlichen, Gewalt von Maschinen, Gewalt von Soldaten; Wracks von Autos, Wracks von Natur, Wracks von Menschen; Ruinen im Osten, Ruinen im Süden, Ruinen von Familien.Eine Enzyklopädie des Unglücks, die wie die Panoramen des 19.Jahrhunderts im Schrittempo an einem vorbeirauscht.Genzken führt den Betrachter mit ihrer Reihung medialer Klischees - deren interne Strukturierung sie nie bloßlegt - an einen Moment zurück, bevor die Bilder laufen lernten.Nur die Geschwindigkeit der Unglücksszenarien hat sich geändert: Die Bildergalerie von Genzken zappt sich quer durch Kriege und Katastrophen, Zeiten und Zerrüttungen.In der Beschleunigung der Katastrophenmeldungen werden deren Differenzen eingeebnet; im Archiv des sprachlosen Unglücks ist alles gleich.

Der Betrachter kann auf jedes Bild entsetzt reagieren oder indifferent bleiben.Er kann die Galerie medialen Elends als Kritik verstehen oder es bleiben lassen.In Genzkens Schnipseln wird kein kollektives Unbewußtes angesprochen wie im "Album" Gerhard Richters, sondern nur die gemeinsame Schuld der Gleichgültigkeit.Ein bißchen ähnelt das Entlangschlendern am alltäglichen Bilderterror dem hilflos-zynischen Blättern im "Spiegel", wo man spätestens nach der dritten Gewaltgeschichte auf Schonprogramm schaltet.Insofern ist die Ausstellung in der Kunst-Halle eine gelungene Allianz von "Spiegel" und "Konsum".

INIT-Kunsthalle Berlin, Chausseestraße 119-120, bis 12.Juli; Dienstag bis Sonntag 12-18 Uhr, Freitag, Sonnabend 12-20 Uhr.

KNUT EBELING

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